Jägers Sinn eie
dafern Du ausharrest." Und das fromme Kind sprach: „Ich
will's, bis nn's End', das wohl nit fern mehr ist. Mir ist
hier herum gar so viel weh'!" Und das Annele drückte seine
Hand auf das Herz.
Wie wir bei den Vorposten wieder anlangten, stand der
Hanns da und sagt' zum Annele: „Hab'mich nun der schönen
Miriam mit Leib' und Seel' verschrieben und Die verhieß mir
Lieb' und Treu' besser zu entlohnen als Du! Für die Miriam
will ich dem Junker frisch an's Leben. Doch Du fahr' hin.
Du stolze Dirn'! Mußt doch noch mit dem Balthes!"
Und mit einem bösen Lachen geleitete uns der Jüngling
über das Lager hinaus.
V. Welches Ende der Balthes nimmt und wie die vom Bundschuh
Fersengeld geben.
Unser gnädigster Herr und sein Neffe, da wir unverrichteter
Dinge zurückkamen, entschlossen sich, ritterlich auszuharren. Aber
man wollt' Sukkurs von auswärts sich verschaffen. Und der
Dorn mußt' eilends noch in selber Stund' über den Jochpaß
gen Schattwald und Thannheim zu den kaiserlichen Bezirks-
hauptlcuten. War es doch des ganzen heiligen Römischen
Reiches Sache, die Rebellen niederzuwerfen, und Seine Kaiser-
liche Majestät, dazumalen zu Innsbruck residircnd, hielt zu
jeder Stund' den Tyroler Landsturm bereit und konnte solcher
noch vor Tagesanbruch in Hindelang eintreffen.
Zu mir aber sprach des Fürstbischofs Gnaden: „Du er-
zähltest mir, daß der Politter die Bauern vor Sonthofen
wider mich gehetzt. Such' den Doktor jetzt aus. Sag' ihm,
ich will ihn wieder in Gnaden ausnehmen, wenn er mir die
Bauern vom Leibe hält!" — Und ich gehorchte und ging noch in
selber Nacht auf den Politterhof, wo ich den Doktor wieder
antraf, heimgegangcn vom Sonthosencr Bauernlager. Er empfing
mich gar hochmüthig und weigerte sich, den Bischof zu retten.
„Gott gibt den Augspurger endlich in meine Hand", sprach
er. „Schon vor drei Jahren, da er mich von seinem Hofe
gebannt, Hub ich an, mit Thomas Münzer in Bund, den
Aufstand der Bauern in Oberschwaben zu schüren. Wisse nur,
Münzer schrieb mir schon um Sylvester vorigen Jahres, es
leb' in Mühlhausen ein Weib, das dem Allgäu vor langer
Zeit entwanderte, vertrieben durch den Büttel, weil ein reicher
Bürger aus Hindelang, der sie entehrt, ihrer ledig sein wollte.
Und bei diesem Weibe leb' ihr Sohn, der Sproße jenes Bürgers;
der Bursch taug' gut als Verbreiter des neuen Evangeliums;
und es woll' nun jenes Weib, siech und sterbensnahe, heim-
zieh'n in ihre väterlichen Berge. Der Balthes ist dieser Sohn!
Sieh', so kam der Balthes mit der Mutter hieher und nach
Münzers Lehren that er frisch und keck. Und als des Jägers
Kind ihn frei gebeten, da ging der Balthes mit meinem Rath-
schlage jüngst nach Memmingen zum großen Bnuernconvent.
Durch mich endlich weiß der Waldlics' Sohn seit heut auch,
wer sein Vater ist. Es ist der alte Göhl, der selbst nit ahnt,
daß seine einstige Buhlin nun wieder ihm nahe weilet. Nun
aber wird der Balthes Gericht über den Sünder halten. Und
auch den Bischof wird, noch eh' der Tag graut, der Arm des
Herrn ereilen!"
von Hindelang. 139
Mit solcher Kunde, die der Feind des Bischofs frech und
höhnend mir eröffnet, ging ich heim. Der gnädigste Herr und
der Tratzberger stiegen nun auf die hohe Burg und nahmen
zweenhundert Gewaffnete mit hinauf und schlossen sich ein. Ich
aber gedachte nun, mich geistig zu sammeln für all das Bevor-
stehende, und ging in meine Stube und betete. Bald ertönte
die Hausglocke, und wie meine Hauserin öffnet', erkannte sie
das Annele. Die Maid verlangte zu mir und sagt' mir, daß
sie des Balthes' Mutter ausgesucht Hab', auf daß die den Sohn
zurückhalte von Mord und Brand. Doch Hab' sie die Alte
siecher gefunden denn je und sie fühle sich dem Tode nah' und
begehr' nach dem Pfarrer. Und so sei denn sie, das Annele,
gelaufen, mich noch geschwind zu holen. — Ich aber nahm das
heilige Ciborium und ging eilends mit dem Annele, und hofft'
bald wieder zurück zu Fein. Als wir aber kaum auf der Ostrach-
brücke angelangt waren, da hörten wir von der Sonthofener
Gegend her gar gräuliches Getöse.
(Schluß folgt.)
Das kleine Leiden.
„Lieber Freund, ich bedaure recht sehr, Deine freundliche Ein-
ladung nicht annehmen zu können, da ich mir ein Leiden zugezogen
habe, welches allerdings nur klein, aber doch chronisch geworden
ist. Eben dieses Leidens wegen bin ich im Begriff, nach der Schweiz
zu reisen. Vielleicht sehe ich Euch auf der Rückreise. Grüße die
alten Kameraden!
Dein Wilhelm."
18 *
dafern Du ausharrest." Und das fromme Kind sprach: „Ich
will's, bis nn's End', das wohl nit fern mehr ist. Mir ist
hier herum gar so viel weh'!" Und das Annele drückte seine
Hand auf das Herz.
Wie wir bei den Vorposten wieder anlangten, stand der
Hanns da und sagt' zum Annele: „Hab'mich nun der schönen
Miriam mit Leib' und Seel' verschrieben und Die verhieß mir
Lieb' und Treu' besser zu entlohnen als Du! Für die Miriam
will ich dem Junker frisch an's Leben. Doch Du fahr' hin.
Du stolze Dirn'! Mußt doch noch mit dem Balthes!"
Und mit einem bösen Lachen geleitete uns der Jüngling
über das Lager hinaus.
V. Welches Ende der Balthes nimmt und wie die vom Bundschuh
Fersengeld geben.
Unser gnädigster Herr und sein Neffe, da wir unverrichteter
Dinge zurückkamen, entschlossen sich, ritterlich auszuharren. Aber
man wollt' Sukkurs von auswärts sich verschaffen. Und der
Dorn mußt' eilends noch in selber Stund' über den Jochpaß
gen Schattwald und Thannheim zu den kaiserlichen Bezirks-
hauptlcuten. War es doch des ganzen heiligen Römischen
Reiches Sache, die Rebellen niederzuwerfen, und Seine Kaiser-
liche Majestät, dazumalen zu Innsbruck residircnd, hielt zu
jeder Stund' den Tyroler Landsturm bereit und konnte solcher
noch vor Tagesanbruch in Hindelang eintreffen.
Zu mir aber sprach des Fürstbischofs Gnaden: „Du er-
zähltest mir, daß der Politter die Bauern vor Sonthofen
wider mich gehetzt. Such' den Doktor jetzt aus. Sag' ihm,
ich will ihn wieder in Gnaden ausnehmen, wenn er mir die
Bauern vom Leibe hält!" — Und ich gehorchte und ging noch in
selber Nacht auf den Politterhof, wo ich den Doktor wieder
antraf, heimgegangcn vom Sonthosencr Bauernlager. Er empfing
mich gar hochmüthig und weigerte sich, den Bischof zu retten.
„Gott gibt den Augspurger endlich in meine Hand", sprach
er. „Schon vor drei Jahren, da er mich von seinem Hofe
gebannt, Hub ich an, mit Thomas Münzer in Bund, den
Aufstand der Bauern in Oberschwaben zu schüren. Wisse nur,
Münzer schrieb mir schon um Sylvester vorigen Jahres, es
leb' in Mühlhausen ein Weib, das dem Allgäu vor langer
Zeit entwanderte, vertrieben durch den Büttel, weil ein reicher
Bürger aus Hindelang, der sie entehrt, ihrer ledig sein wollte.
Und bei diesem Weibe leb' ihr Sohn, der Sproße jenes Bürgers;
der Bursch taug' gut als Verbreiter des neuen Evangeliums;
und es woll' nun jenes Weib, siech und sterbensnahe, heim-
zieh'n in ihre väterlichen Berge. Der Balthes ist dieser Sohn!
Sieh', so kam der Balthes mit der Mutter hieher und nach
Münzers Lehren that er frisch und keck. Und als des Jägers
Kind ihn frei gebeten, da ging der Balthes mit meinem Rath-
schlage jüngst nach Memmingen zum großen Bnuernconvent.
Durch mich endlich weiß der Waldlics' Sohn seit heut auch,
wer sein Vater ist. Es ist der alte Göhl, der selbst nit ahnt,
daß seine einstige Buhlin nun wieder ihm nahe weilet. Nun
aber wird der Balthes Gericht über den Sünder halten. Und
auch den Bischof wird, noch eh' der Tag graut, der Arm des
Herrn ereilen!"
von Hindelang. 139
Mit solcher Kunde, die der Feind des Bischofs frech und
höhnend mir eröffnet, ging ich heim. Der gnädigste Herr und
der Tratzberger stiegen nun auf die hohe Burg und nahmen
zweenhundert Gewaffnete mit hinauf und schlossen sich ein. Ich
aber gedachte nun, mich geistig zu sammeln für all das Bevor-
stehende, und ging in meine Stube und betete. Bald ertönte
die Hausglocke, und wie meine Hauserin öffnet', erkannte sie
das Annele. Die Maid verlangte zu mir und sagt' mir, daß
sie des Balthes' Mutter ausgesucht Hab', auf daß die den Sohn
zurückhalte von Mord und Brand. Doch Hab' sie die Alte
siecher gefunden denn je und sie fühle sich dem Tode nah' und
begehr' nach dem Pfarrer. Und so sei denn sie, das Annele,
gelaufen, mich noch geschwind zu holen. — Ich aber nahm das
heilige Ciborium und ging eilends mit dem Annele, und hofft'
bald wieder zurück zu Fein. Als wir aber kaum auf der Ostrach-
brücke angelangt waren, da hörten wir von der Sonthofener
Gegend her gar gräuliches Getöse.
(Schluß folgt.)
Das kleine Leiden.
„Lieber Freund, ich bedaure recht sehr, Deine freundliche Ein-
ladung nicht annehmen zu können, da ich mir ein Leiden zugezogen
habe, welches allerdings nur klein, aber doch chronisch geworden
ist. Eben dieses Leidens wegen bin ich im Begriff, nach der Schweiz
zu reisen. Vielleicht sehe ich Euch auf der Rückreise. Grüße die
alten Kameraden!
Dein Wilhelm."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Das kleine Leiden"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1883
Entstehungsdatum (normiert)
1878 - 1888
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 79.1883, Nr. 1997, S. 139
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg