Bestrafter Geiz.
179
Der Privatier Knicker war ein leidenschaftlicher
Jäger, aber seinem Namen machte er nichts desto-
weniger alle Ehre. Bei Trinkgeldern und ähnlichen
freiwilligen Leistungen wußte er sich in der Regel
um die Ecke zu drücken, und wenn es galt, den ihn
treffenden Antheil für eine auf gemeinschaftliche Kosten
arrnngirte Partie zu bezahlen, legte Herr Knicker regel-
mäßig ein außerordentlich schwaches Gedächtnis; an den
Tag. Das ward nun endlich seinen Freunden und
Jagdgenossen zu bunt, und sie beschlossen, ihm eine ge-
bührende Lektion zu geben.
Eines schönen Tages sitzt die ganze Jagdgesellschaft,
bestehend aus vier flotten Waidmännern tind Herrn
Knicker, in einem Eisenbahncvupp III. Classe. Einer
von ihnen, das Haupt der Verschwörung, hatte wie ge-
wöhnlich die Fahrkarten besorgt. Das Zeichen zur
Abfahrt war schon gegeben und der Zug setzte sich in
Bewegung.
„Darf ich die Herren bitten, die Billets gleich zu
bezahlen!" begann der Veranstalter der Partie, und
alle, auch Herr Knicker, zogen die Geldbörsen hervor,
dieser letztere nicht ohne nach dem ohnehin längst be-
kannten Betrage der Fahrkarte zu fragen. „Für Sie, Herr
Knicker, habe ich kein Billet gelöst, Sie sind mir noch
... „Was?" rief Herr Knicker, „kein Billet?! Da muß
ich ja Strafe bezahlen!" — „Thut mir leid — aber
ich habe nur vier Karten!"
Aussteigen war nicht mehr möglich. Die reglement-
mäßige Strafe zu zahlen, hätte Herr Knicker nicht über's
Herz bringen können. Aber was beginnen? Jeden
Augenblick mußte der Condukteur kommen, um die
Fahrkarten zu controlliren — es bleibt nichts übrig, als
dem Rathe eines der Genossen zu folgen und sich unter
das Sitzbrett zu verstecken. Herr Knicker war nicht
mager und der Raum unter der Sitzbank nicht weit,
doch es ging. Die Luft da unten tvar freilich entsetzlich
— aber was blieb sonst übrig? Herr Knicker streckt
wenigstens den Kopf so weit als möglich in die Höhe,
um nicht den Athem zu verlieren.
„Der Condukteur"! ruft jetzt einer der Genossen und
versetzt dabei Herrn Knicker mit dem Stiefelabsatz einen
Stoß, daß dieser hätte laut aufschreien mögen. Knicker
zieht den Kopf zurück und rührt sich nicht. — „Es
war nichts"! beginnt nach einiger Zeit tröstend ein
Anderer, „strecken Sie den Kopf nur wieder heraus,
Herr Knicker!"
Der Kopf Knicker's kommt wieder zum Vorschein.
Er ringt nach Luft. Heller Schweiß rinnt von seiner
Stirne.
Da tont wieder der Ruf: „Der Condukteur!" Und
wieder mahnt ein kräftiger Fußtritt zur Vorsicht, und
so wiederholt sich dieselbe Procedur, bis endlich nach
einer guten halben Stunde kurz vor der Station, wo
die Jäger aussteigcn wollen, wirklich der Condukteur
erscheint und um die Fahrkarten bittet.
„Jetzt gilt es", flüstert Einer. Herr Knicker, unter
der Bank, traut sich kaum zu athmen. — „Wie kommt's,
meine Herren" — so wird jetzt die laute Stimme des
Condukteurs vernehmbar — „Sie sind nur zu Viert
und geben mir fünf Billets?" — „Der fünfte
Herr hat hier unter der BankPlatz genommen",
antwortet das Haupt der Verschwörung. „Kommen Sie
nur heraus, Herr Knicker — es ist Alles in Ordnung!" —
Wenige Minuten später hält der Zug. Die Jagd-
gesellschaft steigt aus, Herr Knicker auch. Mit wüthenden
Blicken verläßt er sofort die Jagdgenossen auf Nimmer-
wiedersehen — aber den Betrag für die Fahrkarte hat
er heute noch nicht bezahlt.
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Der Privatier Knicker war ein leidenschaftlicher
Jäger, aber seinem Namen machte er nichts desto-
weniger alle Ehre. Bei Trinkgeldern und ähnlichen
freiwilligen Leistungen wußte er sich in der Regel
um die Ecke zu drücken, und wenn es galt, den ihn
treffenden Antheil für eine auf gemeinschaftliche Kosten
arrnngirte Partie zu bezahlen, legte Herr Knicker regel-
mäßig ein außerordentlich schwaches Gedächtnis; an den
Tag. Das ward nun endlich seinen Freunden und
Jagdgenossen zu bunt, und sie beschlossen, ihm eine ge-
bührende Lektion zu geben.
Eines schönen Tages sitzt die ganze Jagdgesellschaft,
bestehend aus vier flotten Waidmännern tind Herrn
Knicker, in einem Eisenbahncvupp III. Classe. Einer
von ihnen, das Haupt der Verschwörung, hatte wie ge-
wöhnlich die Fahrkarten besorgt. Das Zeichen zur
Abfahrt war schon gegeben und der Zug setzte sich in
Bewegung.
„Darf ich die Herren bitten, die Billets gleich zu
bezahlen!" begann der Veranstalter der Partie, und
alle, auch Herr Knicker, zogen die Geldbörsen hervor,
dieser letztere nicht ohne nach dem ohnehin längst be-
kannten Betrage der Fahrkarte zu fragen. „Für Sie, Herr
Knicker, habe ich kein Billet gelöst, Sie sind mir noch
... „Was?" rief Herr Knicker, „kein Billet?! Da muß
ich ja Strafe bezahlen!" — „Thut mir leid — aber
ich habe nur vier Karten!"
Aussteigen war nicht mehr möglich. Die reglement-
mäßige Strafe zu zahlen, hätte Herr Knicker nicht über's
Herz bringen können. Aber was beginnen? Jeden
Augenblick mußte der Condukteur kommen, um die
Fahrkarten zu controlliren — es bleibt nichts übrig, als
dem Rathe eines der Genossen zu folgen und sich unter
das Sitzbrett zu verstecken. Herr Knicker war nicht
mager und der Raum unter der Sitzbank nicht weit,
doch es ging. Die Luft da unten tvar freilich entsetzlich
— aber was blieb sonst übrig? Herr Knicker streckt
wenigstens den Kopf so weit als möglich in die Höhe,
um nicht den Athem zu verlieren.
„Der Condukteur"! ruft jetzt einer der Genossen und
versetzt dabei Herrn Knicker mit dem Stiefelabsatz einen
Stoß, daß dieser hätte laut aufschreien mögen. Knicker
zieht den Kopf zurück und rührt sich nicht. — „Es
war nichts"! beginnt nach einiger Zeit tröstend ein
Anderer, „strecken Sie den Kopf nur wieder heraus,
Herr Knicker!"
Der Kopf Knicker's kommt wieder zum Vorschein.
Er ringt nach Luft. Heller Schweiß rinnt von seiner
Stirne.
Da tont wieder der Ruf: „Der Condukteur!" Und
wieder mahnt ein kräftiger Fußtritt zur Vorsicht, und
so wiederholt sich dieselbe Procedur, bis endlich nach
einer guten halben Stunde kurz vor der Station, wo
die Jäger aussteigcn wollen, wirklich der Condukteur
erscheint und um die Fahrkarten bittet.
„Jetzt gilt es", flüstert Einer. Herr Knicker, unter
der Bank, traut sich kaum zu athmen. — „Wie kommt's,
meine Herren" — so wird jetzt die laute Stimme des
Condukteurs vernehmbar — „Sie sind nur zu Viert
und geben mir fünf Billets?" — „Der fünfte
Herr hat hier unter der BankPlatz genommen",
antwortet das Haupt der Verschwörung. „Kommen Sie
nur heraus, Herr Knicker — es ist Alles in Ordnung!" —
Wenige Minuten später hält der Zug. Die Jagd-
gesellschaft steigt aus, Herr Knicker auch. Mit wüthenden
Blicken verläßt er sofort die Jagdgenossen auf Nimmer-
wiedersehen — aber den Betrag für die Fahrkarte hat
er heute noch nicht bezahlt.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Bestrafter Geiz"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1883
Entstehungsdatum (normiert)
1878 - 1888
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 79.1883, Nr. 2001, S. 179
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg