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Abschied.
So wisse, Geliebte, es ist vorbei!
Ich singe die schaurigste Melodei,
Wie Du so grausam, wie Du so hart; —
Zerraufen mochte ich meinen Bark-
Ach, wenn ich nur einen hätte!
Ich löse das Band, ade, ade —
Ich löse das Band, ich geh', ich geh'!
In meiner Seele da tobt der Schmerz.
O, sprich, mein Liebchen, klopft nicht Dein Herz? —
Ach, wenn Du nur eines hättest!
Der Sturmwind brüllet das Abschiedslied —
Wie Deine Hand in der meinen doch glüht!
Doch horch! ... Es klinget ein gellender Ruf
Es stampfet im Sande des Rosses Huf-
Ach, wenn ich nur eines hätte!
Den Wanderstab in der schwieligen Hand,
So ivill ich nun ziehen von Land zu Land.
Nur eine Frage sei noch gestellt:
Sprich, hast Du für mich nicht ein Reisegeld?!
Ach, wenn Du nur eines hättest! SosKalio.
Zn der Blumen-Ausstellung.
„Nun. gnädigste Baronin, wie gefällt Ihnen denn die
prächtige Blumenausstellung?"
„Fi donc! ganz detestable! Nicht einmal Blechmusik ist
dabei. Und dann Hab' ich drei Loose genommen und im Glücks-
hafen Nichts gewonnen. Die Blumenausstellungen sind heut-
zutage ein veralteter Begriff — sie haben sich überlebt!"
Ein Vorschlag.
Hiemit mache ich dem gebildeten Deutschland die Mittheilung,
daß ich soeben einen dreibändigen Sensations-Roman bis auf
die letzten Kapitel fertig geschrieben habe. — Wenn mich bei
diesem meinen, großen Werke einerseits nur, aber auch nur
die edlen Prinzipien der wahren Kunst geleitet haben, so möchte
ich doch anderseits auch dem berechtigten Geschmacke des hoch-
geehrten Publikums entgegen zu kommen suchen. Es scheint
mir doch evident, daß das hochverehrte Publikum, welches die
Ein Vorschlag,
hohen Abonnementspreise der Leihbibliotheken zahlt, auch berechtigt
ist, von seinen Schriftstellern Rücksichten aus die individuellen
Geistesrichtungen der geschätzten Leser zu verlangen. Leider aber,
und ich bcdau're das von Herzen, kann auch der gewissenhafteste
Dichter nicht jedem Einzelnen der liebenswürdigen Leser ganz
zu Gefallen arbeiten. Ich hoffe aber, daß der folgende Com-
promiß-Vorschlag mir ein für alle Mal die Sympathien des
vernünftigen Theilcs des verehrten Lesepublikums zuwenden wird.
Ich stelle also für das Ende meines Romans die folgenden
! Schlußereigniffe zur Auswahl und werde diejenigen davon in
| Anwendung bringen, welche in den mir vom hochverehrten
j Publikum bis zum 1. April einzusendenden Wünschen die Majorität
i erlangt haben. Es kommen in meinem Roman drei verschiedene
! Liebespaare vor, und ich bitte zunächst um gesällige Abstimmung.
' ob diese, respckt. welche dieser Paare sich kriegen sollen.
1. Paar: Ein geheimnißvollcr Drehorgel-Virtuos und
eine sehr geistreiche Gräfin.
2. Paar: Ein sehr hochstehender Fürst und eine baum-
wollene Strnmpffabrikantens-Tochter.
3. Paar: Ein entsprungener Galcerensträsling und ein
immer verschleiertes, höchst edles Mädchen.
Sollte etwa gewünscht werden, daß einige dieser Personen
! sich kreuzweise kriegen, z. B. die baumwollene Strunipssabrikantcns-
i Tochter den geheimnißvollen Drehorgel-Virtuosen u. s. w., so
! bitte ich das besonders anzugeben. Aber ich kann die Bc-
! merkung nicht unterdrücken, daß, im Falle dieser Beschluß die
! Majorität erlangen sollte, meinem Werke dadurch leicht etwas
! Gezwungenes, unnatürlich Gekünsteltes anhasten könnte.
Ferner ist eine der Hauptpersonen in meiner Dichtung
ein niederträchtiger Böscwicht, der durch eine besondere, sehr
spannende Verkettung von Umständen seine eigene Schwieger-
mutter geheirathet hat. Soll ihm nun dieses als genügende
' Strafe angerechnet werden? Oder soll er, natürlich auf un-
angenehme Weise, sterben?
Für den letzteren Fall stelle ich wieder drei Eveutualitütc»
zur Auswahl.
Genügt dem geneigten Leser eine ordentliche Krankheit?
Ist das verehrte Publikum mit Cholera, Typhus oder einer
! langsamen Blutvergiftung zufrieden? Wenn nicht, so möge cs
! sich für eine der beiden folgenden, extraordinären Todesarten
entscheiden, die ich dann mit besonderem Vergnügen herbci-
j sühren werde.
■ Also: Flucht im Luftballon, Sturz aus der Gondel, Auf-
spießung an einer Kirchthurmspitzc.
Oder: Flucht durch einen Schornstein, Steckenbleiben.
langsame Erräucherung.
Hiermit glaube ich. allen irgendwie billigen Wünschen
gerecht werden zu können und bitte um Uebersendung der ver-
schiedenen Meinungsäußerungen an nachstehende Adresse zum
Albert Roderich
Rappelshauscn, Ulkgasje Nr. 1001.
Abschied.
So wisse, Geliebte, es ist vorbei!
Ich singe die schaurigste Melodei,
Wie Du so grausam, wie Du so hart; —
Zerraufen mochte ich meinen Bark-
Ach, wenn ich nur einen hätte!
Ich löse das Band, ade, ade —
Ich löse das Band, ich geh', ich geh'!
In meiner Seele da tobt der Schmerz.
O, sprich, mein Liebchen, klopft nicht Dein Herz? —
Ach, wenn Du nur eines hättest!
Der Sturmwind brüllet das Abschiedslied —
Wie Deine Hand in der meinen doch glüht!
Doch horch! ... Es klinget ein gellender Ruf
Es stampfet im Sande des Rosses Huf-
Ach, wenn ich nur eines hätte!
Den Wanderstab in der schwieligen Hand,
So ivill ich nun ziehen von Land zu Land.
Nur eine Frage sei noch gestellt:
Sprich, hast Du für mich nicht ein Reisegeld?!
Ach, wenn Du nur eines hättest! SosKalio.
Zn der Blumen-Ausstellung.
„Nun. gnädigste Baronin, wie gefällt Ihnen denn die
prächtige Blumenausstellung?"
„Fi donc! ganz detestable! Nicht einmal Blechmusik ist
dabei. Und dann Hab' ich drei Loose genommen und im Glücks-
hafen Nichts gewonnen. Die Blumenausstellungen sind heut-
zutage ein veralteter Begriff — sie haben sich überlebt!"
Ein Vorschlag.
Hiemit mache ich dem gebildeten Deutschland die Mittheilung,
daß ich soeben einen dreibändigen Sensations-Roman bis auf
die letzten Kapitel fertig geschrieben habe. — Wenn mich bei
diesem meinen, großen Werke einerseits nur, aber auch nur
die edlen Prinzipien der wahren Kunst geleitet haben, so möchte
ich doch anderseits auch dem berechtigten Geschmacke des hoch-
geehrten Publikums entgegen zu kommen suchen. Es scheint
mir doch evident, daß das hochverehrte Publikum, welches die
Ein Vorschlag,
hohen Abonnementspreise der Leihbibliotheken zahlt, auch berechtigt
ist, von seinen Schriftstellern Rücksichten aus die individuellen
Geistesrichtungen der geschätzten Leser zu verlangen. Leider aber,
und ich bcdau're das von Herzen, kann auch der gewissenhafteste
Dichter nicht jedem Einzelnen der liebenswürdigen Leser ganz
zu Gefallen arbeiten. Ich hoffe aber, daß der folgende Com-
promiß-Vorschlag mir ein für alle Mal die Sympathien des
vernünftigen Theilcs des verehrten Lesepublikums zuwenden wird.
Ich stelle also für das Ende meines Romans die folgenden
! Schlußereigniffe zur Auswahl und werde diejenigen davon in
| Anwendung bringen, welche in den mir vom hochverehrten
j Publikum bis zum 1. April einzusendenden Wünschen die Majorität
i erlangt haben. Es kommen in meinem Roman drei verschiedene
! Liebespaare vor, und ich bitte zunächst um gesällige Abstimmung.
' ob diese, respckt. welche dieser Paare sich kriegen sollen.
1. Paar: Ein geheimnißvollcr Drehorgel-Virtuos und
eine sehr geistreiche Gräfin.
2. Paar: Ein sehr hochstehender Fürst und eine baum-
wollene Strnmpffabrikantens-Tochter.
3. Paar: Ein entsprungener Galcerensträsling und ein
immer verschleiertes, höchst edles Mädchen.
Sollte etwa gewünscht werden, daß einige dieser Personen
! sich kreuzweise kriegen, z. B. die baumwollene Strunipssabrikantcns-
i Tochter den geheimnißvollen Drehorgel-Virtuosen u. s. w., so
! bitte ich das besonders anzugeben. Aber ich kann die Bc-
! merkung nicht unterdrücken, daß, im Falle dieser Beschluß die
! Majorität erlangen sollte, meinem Werke dadurch leicht etwas
! Gezwungenes, unnatürlich Gekünsteltes anhasten könnte.
Ferner ist eine der Hauptpersonen in meiner Dichtung
ein niederträchtiger Böscwicht, der durch eine besondere, sehr
spannende Verkettung von Umständen seine eigene Schwieger-
mutter geheirathet hat. Soll ihm nun dieses als genügende
' Strafe angerechnet werden? Oder soll er, natürlich auf un-
angenehme Weise, sterben?
Für den letzteren Fall stelle ich wieder drei Eveutualitütc»
zur Auswahl.
Genügt dem geneigten Leser eine ordentliche Krankheit?
Ist das verehrte Publikum mit Cholera, Typhus oder einer
! langsamen Blutvergiftung zufrieden? Wenn nicht, so möge cs
! sich für eine der beiden folgenden, extraordinären Todesarten
entscheiden, die ich dann mit besonderem Vergnügen herbci-
j sühren werde.
■ Also: Flucht im Luftballon, Sturz aus der Gondel, Auf-
spießung an einer Kirchthurmspitzc.
Oder: Flucht durch einen Schornstein, Steckenbleiben.
langsame Erräucherung.
Hiermit glaube ich. allen irgendwie billigen Wünschen
gerecht werden zu können und bitte um Uebersendung der ver-
schiedenen Meinungsäußerungen an nachstehende Adresse zum
Albert Roderich
Rappelshauscn, Ulkgasje Nr. 1001.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"In der Blumen-Ausstellung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1884
Entstehungsdatum (normiert)
1879 - 1889
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 80.1884, Nr. 2009, S. 27
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg