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Die Rache der Leibkutscher.

^ndiges^ Räuschchen ^

kälte!" meinte Johann, „und Unsereiner friert sich die Fuße ab,
während die gnädige Herrschaft sich d'rin den Grog schmecken
läßt; na, ich möchte wissen, wie die Beiden sich da d'rin
vertragen. Sie hocken da, wie ei» paar bissige Hunde!" setzte
er, durch das Fenster blickend, hinzu.

„Ra, Meiner," entgegncte Heinrich, „hat heute'mal wieder
'ne Laune, als hütt' ihn der Teufel geritten; Grobheit über
Grobheit muß man des bischen Brods wegen hinunterwürgen.
Abe^ warte nur!" fügte er grimmig hinzu, „geschenkt wird
Dir's nicht!"

„Wenn ich nur wüßte," meinte Johann, „wie ich Meinem
'mal einen Streich spielen könnte, daß er 'ne Zeit lang mürbe
würde!"

Ihr Zwiegespräch wurde hier durch Lehmann unterbrochen,
welcher in einem seligen Zustande zur Thür hcrauswankte.
Ein teuflischer Gedanke blitzt durch Johanns Hirn. Er raunte
seinem College» einige Worte zu, fuhr dann so weit vor, daß
Herr Lehniann, den Wagen für den scinigcn haltend, sich in
denselben setzte, und eilte nun mit seinem Pseudo-Herrn,

welcher trotz dcS kalten Wetters im Wagen cingenickt war, nach
Hause. Dort lag Alles im tiefsten Schlafe. Er brachte daher
seinen Passagier mit boshafter Schadenfreude in das Schlafe
zimnier seines Herrn, entkleidete ihn, legte ihn in das Bett
seines Feindes und überließ den Bewußtlosen seinem Geschick.

Unmittelbar nachdem Lehmann das Wirthshaus verlaßen,
war Körten, welcher seinem Gegner im Trinken nichts nachgcgebcn
hatte, ebenfalls herausgcwankt und setzte sich in den noch da-
stehenden Wagen.

Dank der ihm von Johann zugeflüstcrtcn Worte, erkannte
Heinrich in seinem Passagier den Feind seines Herrn ebenfalls

> nicht und brachte denselben bei dessen Zustand in derselben
l Weise unter, wie wir es von seinem Freunde Johann sahen;
Heinrich brauchte jedoch noch die Vorsicht, die Läden des Schlaf-
zimmers zu schließen, damit Körten die fatale Verwechslung
nicht zu früh merken sollte. —

Es mochte gegen Morgen sein, als Körten aufwachte und
! ein kolosialer Brand cs ihm wünschcnswerth erscheinen ließ, einige
Gläser Wasser zu sich zu nehmen; er tastete daher wankenden
! Schrittes im Dunkeln nach der Wasserflasche; da seine Hände
j jedoch nicht wollten wie er, hatte er das Unglück, mehrere schwere
! Gegenstände vom Tisch zu werfen, ohne das Gesuchte zu finden;
! er drehte sich brummend um und fiel ans das Bett zuriick, wo
j er sofort wieder einschlief.

j Er mußte schon lange geschlafen haben, als er aberinals cr-
j wachte; cs war jedoch noch alles stockdunkel — in der Stube sowohl,
als in seinem Kopfe. Ein Kater der rasfinirtesten Art hatte
es sich darin bequem gemacht und stimmte den armen Körten
! derart, daß er bald anfing, auf die Wirthschaft zu fluchen und
I nach der Thür tastete, um Johann zu rufe», welcher zu gleicher
j Zeit sein Kammerdiener war, und demselben die üblichen Grob-
! heilen zum Morgengruß zu sagen. Endlich fand er die Thür,
z Tageshelle strömte ihm entgegen. Er reibt sich geblendet die
Augen. Doch was ist das? Wo ist er denn? Er zwickt sich
in die Rase, um sich zu überzeugen, daß er nicht träume,
i Dann schlug er die Thür zu und warf sich stöhnend auf sein
Lager. O Schmach und Schande! Er hat nur zu gut er-
! kaiinl, wo er sich befindet. Das Haus seines Todfeindes
war ihm ja bis in den kleinsten Winkel
bekannt. Er versuchte den Laden zu offnen,
was ihm auch gelang.

War er vorher durch die Erkenntniß
seiner Lage schon tief gedcmüthigt, so wurde
er durch den Anblick, welcher sich seinem, jetzt
mit einem Male so nüchtern blickenden
Auge bot, säst zu Boden geschmettert. Eine
wundervolle Kugellampe lag in tausend
Scherben am Boden, und das ihr cnt-
strömte Petroleum mifchtc sich in inniger
Freundschaft mit dem Inhalt eines ebenfalls
hcruntergcworsenen Tintenfasses; beide
Flüssigkeiten versuchten nun in treuem Zu-
samnicnwirkcn de» bunten Blumen des kost-
baren persischen Teppichs eine andere Cou-
! leur beizubringen. Alle Rcgcnbogensarbcn tanzten ihm vor den
Augen und er warf sich ächzend aus einen Stuhl.

Endlich fand er Zeit, seine Gedanken zu sammeln und
ein Plan zur Flucht reiste in ihm. Die Fenster des Zimmers
j gingen nach dem Garten zu und er brauchte nicht zu fürchten,

j Jemand' um diese Zeit in demselben zu begegnen. Er ordnete

| seinen Anzug, so gut es ging und wagte trotz seines be-

trächtlichen Körpergewichtes den Sprung aus dem ziemlich
j hohen Fenster in den Garten. Er kam glücklich herab und

i stand basf! — vor dem alten Heinrich, welchen das Abenteuer und
j die Neugierde so früh herausgctriebcn hatten und der nun
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Rache der Leibkutscher"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Nagel, Ludwig von
Entstehungsdatum
um 1884
Entstehungsdatum (normiert)
1879 - 1889
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 80.1884, Nr. 2020, S. 114

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