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Die Rache der Leibkutscher.

dem Herrn Baron mit halb schadenfrohem, halb gutmüthigem
Lächeln einen schönen gute» Morgen bot. — Körten war so
verblüfft und beschämt, daß er kein Wort hcrvorbringen
konnte. Heinrich benützte die niedergeschlagene Stimmung
desselben, um ihm mit echt kutscherlichcr Geradheit sein Unrecht
i wegen der Feindschaft vorzuhalten, ivas sich ein alter Diener
in solch einem Falle wohl einmal erlauben darf. Schließlich ver-
sprach er zu schweigen und ihn ungesehen in's Freie zu be-
fördern, wenn der Herr Baron die Feindschaft vergessen und
auch dem jungen Herrn und dem gnädigen Fräulein Nichts
mehr in den Weg legen ivürde. Als Körten in seiner Noch
Alles versprochen hatte, brachte ihn Heinrich durch ein Pförtchen

Doch sehen wir jetzt, was indcß ails Lehmann geivorden
ist. Kaum hatte ihn Johann in das Bett seines Herrn ge-
legt, als er in einen tiefen Schlaf verfiel und erst erwachte,

! als die Sonnne hell durch's Fenster schien. Wirr ivaren seine
Gedanken. Alles kam ihm so ftemd vor, und er war fast
geneigt, an phantastische und boshafte Träume zu glauben, j
welche ihn ärgern wollten, indem sic ihm das Schlafgemach |
Dessen vor Augen führten, welchen er von allen Menschen am
meisten haßte. Doch bald überzeugte er sich, daß es kein
Traum, sondern nackte Wirklichkeit war. Er schaute sich immer
noch im Zimmer um und hätte in den Boden sinken mögen,

! als er schließlich das Belt ansah. Das sah allerdings nett aus.

I Seine kothigen Jagdstiefel hatten, während ihr Besitzer im tiefen
Schlummer lag, so intime Bekanntschaft mit den feinen Bett-
überzügen des feindlichen Lagers gemacht, daß letztere den ersteren
j von der schweren Last des Schmutzes redlich die Hälfte ab-
j genommen hatten.

Lehmann war auf das äußerste bestürzt und stand da, als
säße ihm der Kops nicht auf dem rechten Flecke. Diese Schande
! glaubte er nicht überleben zu können. Mit seinem Todfeinde
hatte er unter einem Dache und gar in dessen Bett geschlafen,
dasselbe total verdorben, und jeden Augenblick konnte der Be-
sitzer kommen und ihm zum Tempel hinausjagcn!

Da plötzlich klopft cs an die Thür und eine Helle sreund-
[ liche Stimme ruft: „Papachen, bist Du wach? Darf ich Dir
den Kaffee bringen?"

„Potz Donnerwetter! Auch da? »och! Was ist nun zu !
i 11)1111?" Er antwortet natürlich nicht und die Klopserin, :

I seines Feindes rosiges Töchterlcin, welche ihrem vermeintlichen j

! Papa den Kaffee bringen wollte, entfernte sich wieder. End- |

I lich öffnete sich die Thürc zum zweiten Male und Johann

trat ein, aus das äußerste, wie cs schien, erstaunt, den Feind
j des Hauses im Hcrrngcmach zu erblicken. Jetzt endlich fand

: der arme Lehmann Worte. Er beschwor den ihn schadenfroh

i anblickcnden Johann, ihm zu sagen, durch welch' höllische

Künste er hieher gekommen sei, und versprach ihm goldene
! Berge, wenn er ihn ungesehen herausbringen wolle.

Dieser zuckte die Achseln und meinte, daß dies nicht wohl
ginge; er wolle jedoch versuchen, dieser fatalen Angelegenheit
eine glückliche Wendung zu geben, wenn er, Lehmann, ihn

handeln ließe, wie er wolle und mit Allem einverstanden sei.
Und was blieb diesem übrig, als „Ja" zu sagen? Johann
verschwand und suchte die gnädige Frau Baronin auf, welcher
er dann mitlheilte, daß die beiden alten Herren sich gestern
gänzlich ausgcsöhnt hätten und zum Zeichen der ewigen Freund-
schaft diese Nacht die Lager getauscht hätten; Herr Lehmann
brenne vor Ungeduld, der gnädigen Frau seine Aufwartung zu
machen. Dieser kam dies Alles zwar etwas seltsam vor, jedoch
der Umstand, daß Lehmann wirklich in ihres Mannes Zimmer
übernachtet hatte, benahm ihr jeden Zweifel. Und cs währte
nicht lange, so saß Lehmann, wenn auch anfangs etwas be-
treten, aber sich in seine Lage schickend, in dem ihm jo srcmd
gewordenen und doch lieben Kreise bei einem behaglichen Früh-
stück, welches Annchen mit aller Kunst und in der Freude ihres
Herzens über die Wiedervcrsöhnung bereitet hatte.

Johann war indcffen gegangen, um seinen Herrn zu suchen !
und vorzubcrciten. Er fand diesen noch ziemlich niedergeschlagen
auf dem Wege nach Hause; anfangs etwas zögernd, dann
immer beredter, stellte er ihm die Sachlage auseinander und
bat seinen Herrn, doch auch einmal seinem alten Diener zu
folgen und das frühere gute Berhältniß wieder herzustellen.

Der Herr sagte nichts, verdoppelte jedoch seine Schritte I
dermaßen, daß Johann kaum folgen konnte. Wenige Minuten
später stand er vor seinem Todfeinde. Stumm reichten sie
einander die Hände; dann aber lagen sic sich in den Armen,
und wieder ein stummer Händedruck sagte ihnen, daß Alles
vcrgeffen sei. Aus welche Art und Weise die Versöhnung bc
werkstelligt war. verriethen sie den Ihrigen nicht; als jedoch
Franz und Anna Hochzeit hielten, gab der Baron die Ge-

schichte zum Besten, und am meisten amüsirten sich die beiden

Bcthciligtcn hierüber.

Die eigentlichen Urheber
des Glückes jedoch, Johann
und Heinrich, gingen noch oft
zusammen zur Waldschenke
und leerten dort noch manches
Glas auf das Wohl des
gnädige» jungen Herrn und
der gnädigen jungen Frau.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Rache der Leibkutscher"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Nagel, Ludwig von
Entstehungsdatum
um 1884
Entstehungsdatum (normiert)
1879 - 1889
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 80.1884, Nr. 2020, S. 115

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