In der Sommerfrische.
diese optimistischen Empfindungen nicht. Es roch sehr ländlich und
immer ländlicher, penetrant, scharf, unangenehm, zuletzt geradezu
ekelhaft! Vorsichtig steckte Hulda das Köpfchen zum offenen Fenster
hinaus; ein eigenthümlicher Schwalm umfing sie und benahm ihr
fast den Athem. Sie erschrack bis in ihr Innerstes hinein, denn
das, was sie nun erblickte, stürzte sie jählings von der Höhe ihres
Entzückens herab. Welche Schweinerei! Da lag unter dem Fenster,
sich sonnend, an der Mauer eine riesige Schweinemutter sammt acht
unmündigen Kindern, kaute an einem undefinirbaren Funde und
sandte dabei die entsetzlichsten Düfte empor. Hulda war fassungslos.
Eine solche Gemeinheit war ihr während ihrer langen Pilgerfahrt
auf Erden noch nicht vorgekommen! Noch vor wenigen Minuten
dünkte ihr die ganze Umgebung ein entzückendes, idyllisches Bild
voll Poesie und nun legte ein neidisches Geschick eine Sau darauf
— o, wie häßlich!
Hulda sann nach. Draußen sangen die Vögel und summten
die Bienen — ach, sie haben keine Nasen! Blumen und Blüthen
leuchteten und schimmerten und dazu roch die Sau immer erbärm-
licher — das war nicht auszuhalten. Entweder gehen oder die Sache
ändern! Da durchzuckte eine Idee ihr Gehirn. In ihrem Reisekoffer
barg sie eine große Flasche mit Patschouli, die sie wohlweislich für
alle Fälle mitgenommen
hatte. Rasch nahm sie die
Flasche zur Hand, beugte
sich zum Fenster hinaus,
hielt das Spitznäschen zu
und sandte die wohl-
riechende Fluth auf den
Leib der nichts ahnenden
Schweinemutter hinab.
Aufs. höchste indignirt,
sprang diese auf und trollte,
gefolgt von ihrer Nach-
kommenschaft, fluchend von
dannen. Hulda trium-
phirte; der bestialische Ge-
ruch schien beseitigt und
doppelt zuftieden setzte sie
sich an's Fenster, um die
Gaben der Natur zu be-
wundern und zu genießen.
Als Mittags der
Schmarren fertig war,
kam der Hutzelhofer nach
Hause. Sein Weib setzte
die Pfanne auf den Tisch
und sich selbst daneben;
kummervollen Blickes ver-
schmähte sie, die leckere Speise zu berühren. Der Hutzelhofer bemerkte
dies sofort, als er sich satt gegessen hatte und fragte: „Was D'
ebbern hast, Nannei, daß D' net ißt?" — „Ah met’", entgegnete
diese, „es is halt was .. aber es werd scho' wieder umageh'n!" —
Von schlimmer Ahnung gepackt, fuhr der Bauer auf. „Was hat's
denn 'geben? Sag's nur glei' — is 'leicht d' Basen in Lichtenthal
in die ewige Ruah 'ganga?" — „Wenn's blos dös wär'", seufzte die
brave Frau, „aber 's Unglück wann suachen will, sucht scho' in der
Famili!" — „Oho!" — „Ja, paß' auf! D'Sau frißt net!" —
„Was thuat f net??" — „Net fressen thuat s', und i' Hab' ihr 's beste
Sach 'geben — nix rührt s' an!" — „Ja, dös waar' do' aus!" —
Rasch sprang der Hutzelhofer auf und eilte, gefolgt von der sorgenden
Hausfrau, in den Stall. Da stand die Schweinemutter in der Ecke
und sah mißmuthig vor sich hin; das herrliche Mittagmahl im
Barren lag unberührt vor ihr. Lange blickten sie sich gegenseitig an,
der Bauer und die Sau. Keines sprach ein Wort. Endlich kehrte
sich der Hutzelhofer kopfschüttelnd um und ging. „D' Sau g'fallt
mir nimmer, Nannei", sprach er beklommen, „am End' hat f a'
hitzige Krankheit. A' Dunst geht von ihr weg — so hat f no' nia
net g'schmeckt! I' geh' iatz glei' zum Zangerl ume; kann sei', daß
der helfa ko' — fünft is g'fehlt!" Der Bauer eilte fort, und seine
Hälfte begab sich in den Schweinestall, um dort, ihrer Pflicht ein-
gedenk, der leidenden Sau beizustehen und ihr Muth einzusprechen.
Der Dorfbader Zangerl rasirte eben aus Barmherzigkeit einen
armen Handwerksburschen, als der Hutzlhofer seine augenblickliche
Hilfe heischte. Zangerl ließ den halbrasirten Wandergesellen sofort
laufen, schlüpfte in seinen Sonntagsrock, den er jedesmal anzog,
wenn er zu einer ärztlichen Funktion gerufen wurde und ging mit.
Der Hutzelhofer führte ihn an das Lager der Patientin. Haltung
und Mienenspiel des Zangerl wurden immer ernster und gravitätischer.
„So, so — dös is also die Sau?"
- „Ja!" - „Hm, hm!. . Was hat s'
denn g'fressen?" — „Ja, nixen!" —
,,J' moan, was s' g'fressen hat, ehvor f
nix g'fressen hat?" — „Dasselb' woaß
i' aa' net!" — „Hm, hm!.. Wia steht's
sonst mit'n Durst und mit der Oeffnung,
Hutzelbauer?" — „Gott sei Dank, all's
in schönster Ordnung!" — ,,J' moan'
ja net Di' — d' Sau!" — „Ha so! Hab'
nix g'merkt! Aber desselb' is mir auf-
fälli', daß s' so g'spaßi'
schmecka thuat! Schmeckst
nixen?"
Der Bader schnüffelte
mit seiner Nase sorgsam
nach der Sau hin, dann
rief er plötzlich: „Jetz'
Hab' i's! Pfui Deifi! Ja
Hutzelhofer, dös is a' recht
ung'sunde Krankheit, die
kann ma' nur hintrepath-
isch kurir'n!" — „Dös
werd a' schön's Geld
kosten!" — „Bei Leib', dös is am billigsten! Z'erst thuast d' Sau
am ganzen Körper bürsten und kaltwass'rig abreiben; wenn f nach-
her trocken is, legst D' f in d' Mistlacka 'nei', daß s' wieder den
natürlichen Gusto kriagt. Dös is das Gleiche, wia a' Moorbad bei
die Leut' — dees ziagt die bösen Flüß' außa!.. So, jetz' krieg' i' zwoa
Mark sünfundsiebzig Pfennig'— nachher kannst an d' Sau geh'n!"
Der Hutzelhofer vollzog gewissenhaft den ärztlichen Rath des
Baders. Anfangs sträubte sich die arme Schweinemutter gegen die
ungewohnte Behandlung und schrie Zeter und Mordio; als man sie
in das Moorbad setzte, wurde sie ruhiger und äußerte schließlich
sogar ihr volles Wohlbehagen. Abends that sie dem Vorgesetzten
Diner alle Ehre an — sie war gerettet! — —
Als am andern Morgen Fräulein Hulda dem lieblichen Lenz-
knaben ihre Kemnate öffnete, lag das Schwein, wie am Tage
vorher, unter dem Fenster und verbreitete noch viel unerträglichere
Düfte. Hulda war in Verzweiflung und wollte eben ihren Vorrath
an Haaröl opfern, als der Hutzlhofer mit dem Bader auf der Bild-
fläche erschien und ihr Vorhaben durchkreuzte. Die beiden Männer
diese optimistischen Empfindungen nicht. Es roch sehr ländlich und
immer ländlicher, penetrant, scharf, unangenehm, zuletzt geradezu
ekelhaft! Vorsichtig steckte Hulda das Köpfchen zum offenen Fenster
hinaus; ein eigenthümlicher Schwalm umfing sie und benahm ihr
fast den Athem. Sie erschrack bis in ihr Innerstes hinein, denn
das, was sie nun erblickte, stürzte sie jählings von der Höhe ihres
Entzückens herab. Welche Schweinerei! Da lag unter dem Fenster,
sich sonnend, an der Mauer eine riesige Schweinemutter sammt acht
unmündigen Kindern, kaute an einem undefinirbaren Funde und
sandte dabei die entsetzlichsten Düfte empor. Hulda war fassungslos.
Eine solche Gemeinheit war ihr während ihrer langen Pilgerfahrt
auf Erden noch nicht vorgekommen! Noch vor wenigen Minuten
dünkte ihr die ganze Umgebung ein entzückendes, idyllisches Bild
voll Poesie und nun legte ein neidisches Geschick eine Sau darauf
— o, wie häßlich!
Hulda sann nach. Draußen sangen die Vögel und summten
die Bienen — ach, sie haben keine Nasen! Blumen und Blüthen
leuchteten und schimmerten und dazu roch die Sau immer erbärm-
licher — das war nicht auszuhalten. Entweder gehen oder die Sache
ändern! Da durchzuckte eine Idee ihr Gehirn. In ihrem Reisekoffer
barg sie eine große Flasche mit Patschouli, die sie wohlweislich für
alle Fälle mitgenommen
hatte. Rasch nahm sie die
Flasche zur Hand, beugte
sich zum Fenster hinaus,
hielt das Spitznäschen zu
und sandte die wohl-
riechende Fluth auf den
Leib der nichts ahnenden
Schweinemutter hinab.
Aufs. höchste indignirt,
sprang diese auf und trollte,
gefolgt von ihrer Nach-
kommenschaft, fluchend von
dannen. Hulda trium-
phirte; der bestialische Ge-
ruch schien beseitigt und
doppelt zuftieden setzte sie
sich an's Fenster, um die
Gaben der Natur zu be-
wundern und zu genießen.
Als Mittags der
Schmarren fertig war,
kam der Hutzelhofer nach
Hause. Sein Weib setzte
die Pfanne auf den Tisch
und sich selbst daneben;
kummervollen Blickes ver-
schmähte sie, die leckere Speise zu berühren. Der Hutzelhofer bemerkte
dies sofort, als er sich satt gegessen hatte und fragte: „Was D'
ebbern hast, Nannei, daß D' net ißt?" — „Ah met’", entgegnete
diese, „es is halt was .. aber es werd scho' wieder umageh'n!" —
Von schlimmer Ahnung gepackt, fuhr der Bauer auf. „Was hat's
denn 'geben? Sag's nur glei' — is 'leicht d' Basen in Lichtenthal
in die ewige Ruah 'ganga?" — „Wenn's blos dös wär'", seufzte die
brave Frau, „aber 's Unglück wann suachen will, sucht scho' in der
Famili!" — „Oho!" — „Ja, paß' auf! D'Sau frißt net!" —
„Was thuat f net??" — „Net fressen thuat s', und i' Hab' ihr 's beste
Sach 'geben — nix rührt s' an!" — „Ja, dös waar' do' aus!" —
Rasch sprang der Hutzelhofer auf und eilte, gefolgt von der sorgenden
Hausfrau, in den Stall. Da stand die Schweinemutter in der Ecke
und sah mißmuthig vor sich hin; das herrliche Mittagmahl im
Barren lag unberührt vor ihr. Lange blickten sie sich gegenseitig an,
der Bauer und die Sau. Keines sprach ein Wort. Endlich kehrte
sich der Hutzelhofer kopfschüttelnd um und ging. „D' Sau g'fallt
mir nimmer, Nannei", sprach er beklommen, „am End' hat f a'
hitzige Krankheit. A' Dunst geht von ihr weg — so hat f no' nia
net g'schmeckt! I' geh' iatz glei' zum Zangerl ume; kann sei', daß
der helfa ko' — fünft is g'fehlt!" Der Bauer eilte fort, und seine
Hälfte begab sich in den Schweinestall, um dort, ihrer Pflicht ein-
gedenk, der leidenden Sau beizustehen und ihr Muth einzusprechen.
Der Dorfbader Zangerl rasirte eben aus Barmherzigkeit einen
armen Handwerksburschen, als der Hutzlhofer seine augenblickliche
Hilfe heischte. Zangerl ließ den halbrasirten Wandergesellen sofort
laufen, schlüpfte in seinen Sonntagsrock, den er jedesmal anzog,
wenn er zu einer ärztlichen Funktion gerufen wurde und ging mit.
Der Hutzelhofer führte ihn an das Lager der Patientin. Haltung
und Mienenspiel des Zangerl wurden immer ernster und gravitätischer.
„So, so — dös is also die Sau?"
- „Ja!" - „Hm, hm!. . Was hat s'
denn g'fressen?" — „Ja, nixen!" —
,,J' moan, was s' g'fressen hat, ehvor f
nix g'fressen hat?" — „Dasselb' woaß
i' aa' net!" — „Hm, hm!.. Wia steht's
sonst mit'n Durst und mit der Oeffnung,
Hutzelbauer?" — „Gott sei Dank, all's
in schönster Ordnung!" — ,,J' moan'
ja net Di' — d' Sau!" — „Ha so! Hab'
nix g'merkt! Aber desselb' is mir auf-
fälli', daß s' so g'spaßi'
schmecka thuat! Schmeckst
nixen?"
Der Bader schnüffelte
mit seiner Nase sorgsam
nach der Sau hin, dann
rief er plötzlich: „Jetz'
Hab' i's! Pfui Deifi! Ja
Hutzelhofer, dös is a' recht
ung'sunde Krankheit, die
kann ma' nur hintrepath-
isch kurir'n!" — „Dös
werd a' schön's Geld
kosten!" — „Bei Leib', dös is am billigsten! Z'erst thuast d' Sau
am ganzen Körper bürsten und kaltwass'rig abreiben; wenn f nach-
her trocken is, legst D' f in d' Mistlacka 'nei', daß s' wieder den
natürlichen Gusto kriagt. Dös is das Gleiche, wia a' Moorbad bei
die Leut' — dees ziagt die bösen Flüß' außa!.. So, jetz' krieg' i' zwoa
Mark sünfundsiebzig Pfennig'— nachher kannst an d' Sau geh'n!"
Der Hutzelhofer vollzog gewissenhaft den ärztlichen Rath des
Baders. Anfangs sträubte sich die arme Schweinemutter gegen die
ungewohnte Behandlung und schrie Zeter und Mordio; als man sie
in das Moorbad setzte, wurde sie ruhiger und äußerte schließlich
sogar ihr volles Wohlbehagen. Abends that sie dem Vorgesetzten
Diner alle Ehre an — sie war gerettet! — —
Als am andern Morgen Fräulein Hulda dem lieblichen Lenz-
knaben ihre Kemnate öffnete, lag das Schwein, wie am Tage
vorher, unter dem Fenster und verbreitete noch viel unerträglichere
Düfte. Hulda war in Verzweiflung und wollte eben ihren Vorrath
an Haaröl opfern, als der Hutzlhofer mit dem Bader auf der Bild-
fläche erschien und ihr Vorhaben durchkreuzte. Die beiden Männer
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"In der Sommerfrische"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 95.1891, Nr. 2397, S. 2
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Erschließung
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CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg