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Ganz, David
Barocke Bilderbauten: Erzählung, Illusion und Institution in römischen Kirchen 1580 - 1700 — Petersberg, 2003

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https://doi.org/10.11588/diglit.13166#0295

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ACHTES KAPITEL

DIE MACHT DER SYMBOLE. SUPER-ZEICHEN ALS „INSTITUTE

Als Menschen aus Fleisch und Blut, die tatsächlich gelebt
hatten, waren die Heiligen primär in der irdischen Sphä-
re beheimatet, in der sich Heilsgeschichte als zeitlicher
Verlauf einmaliger Ereignisse konkretisierte. Komple-
mentär dazu verhält es sich mit den Gegenständen des fol-
genden Kapitels: Sie vergegenwärtigten primär die himm-
lische Sphäre, in der sich Heilsgeschichte als überzeitliche
Ordnung universaler Ergebnisse verallgemeinerte. Die
Aufgabe einer Repräsentation solcher Universalien fiel in
der christlichen Kultur einer eigenen Klasse von „Super-
Zeichen" zu.748 „Super-Zeichen" in diesem Sinne spielten
eine wichtige Rolle in Kulthandlungen, etwa beim Vollzug
des Messopfers: Hostie und Kelch ließen im Moment der
Wandlung die Substanz Christi für die Messteilnehmer
gegenwärtig werden. Im Bereich der Bildpraxis trat dieses
Potential der Präsenz zugunsten von Aufgaben narrativer
Repräsentanz in den Hintergrund: Seit den Anfängen der
Kirche hatte es eine eigene Menge von „Super-Zeichen"
gegeben, welche Ergebnismomente der Heilsgeschichte in
extremer Aufladung repräsentierten: das Kreuz, das Buch,
das Lamm, der Thron, der Tetramorph, die Paradiesflüs-
se usw. Jüngere Forschungen zur frühchristlich-mittelal-
terlichen Kunst haben gezeigt, wie solche Symbole inner-
halb komplexer „Bildsysteme" Verwendung fanden: als
Teil einer „thematischen" Ordnung traten sie komple-
mentär zum Register der historischen Ereignisse in Er-
scheinung.749

Auch in den neuzeitlichen Bilderbauten sind symbo-
lisch aufgeladene Bildgegenstände zentrale Bestandteile
eines solchen komplementären Registers: Personifikatio-
nen von Tugenden (oder wie zuletzt von Kontinenten) mit
spezifisch zusammengestellten Attributen, Autoritäten
der Bibel und der Patristik mit zur Schau gestellten
Schriftstücken oder aber emblematische Elemente. Cha-
rakteristischerweise sind diese Symbolträger in Vierer-
gruppen am Rand himmlischer Erscheinungen angeord-
net, unter denen sie Wache halten. In einer kleinen, aber
sehr prominent besetzten Gruppe von Bilderbauten rü-
cken „Super-Zeichen" selbst ins Zentrum der erzählten
Geschichte.750 Zwei dieser Zyklen möchte ich in diesem
Kapitel analysieren.

Im Zuge des Early Christian Revival war es auch zu einer
neuen Auseinandersetzung mit der Symbolpraxis der pri-
mitiva ciüesa gekommen. Gerade die thematische Ord-
nung an Triumphbögen und Absiden stand im Fokus von
Wiederherstellungskampagnen ä la Santi Nereo ed Achil-
leo. Allerdings hatten die „Super-Zeichen" der alten Aus-
stattungen einen vornehmlich eschatologischen Einschlag,
von dem in den Bilderbauten wenig zu spüren ist. In den
Symbolgeschichten, um die es im folgenden gehen soll,
kommen die letzten Dinge entweder gar nicht vor (Santo

252. Santo Spirito in Sassia, Grundriss

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