Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Hirt, Aloys Ludwig
Die Baukunst nach den Grundsätzen der Alten (Text) — Berlin, 1809

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.1740#0228
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
— 206 —

Zn öffentlichen, oder Gemeintreppen eigne» sich hauptsächlich die .gerade laufenden;
doch sind diesfalls die gebrochenen mit Ruheplätzen denen, welche in Einer Richtung, und
ohne Ruheplatz von einem Stockwerke zu dem andern laufen, vorzuziehen. Die Treppen
letzterer Art, da ihre ganze Höhe dem Auge auf einmal erscheint, ermüdet schon durch ihre
Ansicht; und gleitet man aus, so wird der Fall um so viel gefährlicher, je mehr der sich fol-
genden Stufen sind. Besser sind also die in mehrere Arme mit Ruheplätzen abgetbeilten,
und nach abwechselnden Richtungen laufenden Treppen (I. K. L.); doch mufs man sich
hüten die Arme nicht von zu wenig Stufen zu machen. Besonders vermeide man die Ab-
sätze von ein, zwey und drey Stufen, weil man sie leicht übersieht, und dadurch zu Fall
kommt. Eine volle Beleuchtung solcher Treppen ist ein Hauptbedürfnifs, und zwar am be-
sten durch Fensteröffnungen in den Seitenwänden; wo nicht; durch ein einfallendes Eicht
von oben vermittelst einer sogenannten Laterne.

§. 6. Eine gut angelegte Treppe ist eine so wesentliche Bequemlichkeit, dafs man dem
Architekten die genaueste Sorgfalt bey der Treppenanlage nicht genug empfehlen kann. Es
giebt bey dem Bauwesen keine schlechtere Oekonomie, als diejenige., worunter die passende
Anlage einer guten Treppe leidet; und doch begegnet man schlechten Treppen so häufig. .

Anderseits bin ich aber sehr entfernt, denjenigen beyzutreten, welche einen besondem
Prachtaufwand bey dem Treppenbau suchen. Wir haben Gebäude, wo der bewundertste
Theil des Ganzen das Treppenhaus ist. Man sieht Treppen, wo Säulen anstatt der gewöhn-
lichen und viel schicklichem Treppenpfeiler aufgestellt sind, und wo man die Stufen zwi-
schen einem Säulengang hinansteigt. Säulen sind immer eine mifsverstandene Zierde der
Treppen. Ferner sieht man nicht selten auf Treppenabsätzen Statuen aufgestellt, die Wän-
de mit Reliefs bedeckt, und die Decken mit Prachtstücken bemalt. Aber warum alles dies
auf einer Treppe? Wer mag sich an dem unbequemsten Platze eines Gebäudes, auf einer
Treppe, aufhalten, um Werke der bildenden Künste zu bewundern? Dergleichen geht wohl
in der Beschreibung eines Feenschlosses an; aber in der Wirklichkeit sollte man solchen un-
passenden Zierden auf Treppen nicht begegnen.

Die Schönheit einer Treppe besteht nicht in kunstreichen Auszierungen, sondern in ei-
ner dem Bau gemäfsen geräumigen Anlage, in der bequemen Einrichtung des Antritt- und
Austrittraumes, der Ruheplätze zwischen den Armen, in dem bequemen Verhältnifs der Stu-
fenhöhe zu ihrer Breite, in der guten Beleuchtung, in einem dauerhaften und nettgearbeite-
ten Material, sey es von Stein oder von Holz. Ueberhaupt kann die Materialpracht die
Schönheit einer Treppe sehr erhöhen; doch mufs eine solche Pracht nie auf Unkosten der
Abtheilungen, zu denen die Treppe leitet, gesucht werden.

eun zehntel* Abschnitt.

Von den Dachungen.

§. i. Die Dachung bildet den obersten Uebersatz, der über den ganzen Raum eines
Baues wegreichet, um ihn gegen Unwetter, Regen und die Sonne zu schützen. Die Dachung
vollendet den äufsern Bau.

Die Dachungen werden nach dem Himmelstrich, nach dem Bedürfnifs, nach dem Mate-
rial, nach der Form und nach der Stärke der Spannung mehr oder weniger kunstreich con-
struirt. Man machet sie bald ganz flach, bald giebt man ihnen eine mehr oder weniger
steile Höhe entweder in schräg laufender, oder in bogenförmiger Gestalt. In der Regel bil-
den Decke und Dachung zwey verschiedene Theile; doch sind die Fälle auch nicht selten,
wo die Decke zugleich die Dachung ausmachet.
 
Annotationen