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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 15.1894

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Abhandlungen
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Modern, Heinrich: Paulus van Vianen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5906#0070
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Heinrich Modern.

ist und in Ansehung seines Nachlasses als begüterter Mann zu bezeichnen war. Während unseres
Paulus jüngerer Bruder Adam ständig in seinem Heimatslande verblieben zu sein scheint, wo er bereits
I5g3 in den Ehestand trat, ging Paulus auf die Künstlerwanderschaft. Ihn zog es wie damals so viele
seiner Landsleute in die ewige Stadt der Kunst, nach Rom. Nur Sandrart berichtet uns über diese
künstlerische Pilgerfahrt; wäre sie uns aber auch nicht literarisch bezeugt, die von Paulus van Vianen
geschaffenen Goldschmiedewerke legen für dieselbe classisches und unwiderlegliches Zeugniss ab.

So wenig als über seine Jugendzeit wissen wir von seinem Leben und Wirken in Rom. Es darf uns
nicht Wunder nehmen, dass er als ein holländischer Protestant und überaus geschickter Künstler bei
den in Italien und insbesondere in Rom unter den Künstlern jener Zeiten im Schwange gewesenen In-
triguen, die wir aus Cellini's Biographie sattsam kennen, mit der Inquisition eine glücklicher Weise
nur vorübergehende Bekanntschaft machte. Actenmässiges liegt hierüber aber nicht vor; A. Bertolotti,
der für sein Buch: »Artisti Belgi et Olandesi a Roma nei secoli 16 et 17« gerade vorzugsweise Criminal-
archive benützt hat, kennt diesen Fall nicht; die Acten dieses im Inquisitionsstadium unterdrückten
Processes existiren wohl nicht mehr.

Vianen ist längstens bis 1596 in Italien geblieben. Wir müssen zweifellos einen längeren Aufent-
halt in Italien annehmen; denn gross und mächtig war der Einfluss, den^die italienischen Meister der
Renaissance, insbesondere aber Michel Angelo. auf unseren Meister ausübten, so bedeutend, dass die
Arbeiten Vianen's als Werke Benvenuto Cellini's oder dessen Schule ausgegeben werden konnten. Es
muss auch angenommen werden, dass Paulus van Vianen einen längeren Aufenthalt in Florenz genom-
men hat; denn insbesondere die Medicäergräber von San Lorenzo nehmen unseren Meister gefangen
und wirken durch seine ganze Schaffenszeit nach.

. Sicher unrichtig ist es, wenn Marc Rosenberg (Der Goldschmiede Merkzeichen) Vianen .erst nach
1599. nach Rom gehen lasst. Von 1596 ab gewinnen wir in der Laufbahn Vianen's festen Boden; es
findet sich kein grösserer Zeitabschnitt mehr, den er zu einer längeren Italienreise benützt haben konnte;
im Uebrigen weisen gerade die in München vorhandenen Goldschmiedewerke Vianens auf den noch
übermächtigen Einfluss Michel Angelo's, folglich auf bereits zurückgelegte italienische Studien- und
Wanderjahre hin.

Im Jahre 1596 ist Paulus van Vianen urkundlich in München nachweisbar; doch ist es wahr-
scheinlich, dass er bereits früher dort gelebt und gearbeitet habe; denn in den königl. bayrischen Hof-
zahlamtsrechnungen finden wir bereits im Rechnungsbande des Jahres 1596 in der Rubrik: »Ainzige
ausgaben« die Post: »Paulusen von Viana, goldschmied allhie, per arbeit für ire durchlaucht den alten
herrn etc. bezalet 60 fl.« Wir sehen also Paulus van Vianen 1596 bereits in München etablirt und mit
einem Hofauftrage »für den alten Herrn« betraut. Zweifellos ist dies Herzog Wilhelm V., der 1594
seinen Sohn Maximilian zum Mitregenten angenommen hatte. Das erwähnte Werk Vianen's ist bei dein
Mangel jeder näheren Bezeichnung nicht nachweisbar; halten wir uns jedoch die Gemüths- und Geistes-
disposition Herzogs Wilhelm V. zu dieser Zeit vor Augen, so ist anzunehmen, dass . ein Gegenstand
religiöser Kunst bestellt und angefertigt wurde.

Wieder in den bayrischen Hofzahlamtsrechnungen im königl. Kreisarchive von Oberbaiern in
München finden wir Paulus van Vianen im Rechnungsbuche des Jahres 1601; hier heisst es: »Item
Paulus van Vianen, goldschmidt, per machung kaiser Heinrichs bildnis über daran empfangenes bruch-
silber der rest mit 3og fl. 42 kr.«1 Auch dieses Werk Vianen's ist heute nicht mehr nachweisbar; es
scheint ein Relief bild oder Votivbild Kaisers Heinrich II. des Heiligen gewesen zu sein, der, ein Sohn
des bayrischen Herzogs Heinrich des Zänkers, nach dem Ableben Otto III. zum deutschen König gewählt
wurde; von ihm erworbene Goldschmiedearbeiten werden heute noch in der Reichen Kapelle zu München
aufbewahrt. An eine Medaille zu denken, ist ausgeschlossen; der für die Arbeit gezahlte Preis von 309 fl-
42 kr. nebst Bruchsilber übersteigt zu sehr den damaligen Preis einer Medaille (etwa 20 bis 25 fi.).

1 Diese Stelle der Hofzahlamtsrechnung ist bereits von Westerrieder, Beiträge zur vaterländischen Historie, München
1792—1814, IV. Bd., S. 199, publicirt worden.
 
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