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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 15.1894

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Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Elfenbeinsättel des ausgehenden Mittelalters
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https://doi.org/10.11588/diglit.5906#0290
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ELFENBEINSÄTTEL DES AUSGEHENDEN MITTELALTERS.

Von

Julius von Schlosser.

I. Der Sattel Königs Wentel I.

n der Waffensammlung des Allerhöchsten Kaiserhauses befindet sich in dem nach
Maximilian I. benannten Saale (XXV, Nr. 56) ein mittelalterlicher Elfenbeinsattel,
der nicht nur als ein merkwürdiges Glied einer grossen Gruppe der Elfenbein-
plastik von Bedeutung ist, sondern auch dadurch, dass er wahrscheinlich mit einem
deutschen Herrscher des ausgehenden Mittelalters in Verbindung steht, an Inter-
esse gewinnt. Da die folgenden Blätter zum Theile als Nachträge zu der von
mir im vorjährigen Bande dieses Jahrbuches veröffentlichten Studie über die
Bilderhandschriften Königs Wenzel I. zu betrachten sind, so hat der Vorstand der Waffensammlung,
Custos W. Boeheim, mir das genannte Object freundlichst zur Publication überlassen.

Der Sattel, der auf den beifolgenden heliographischen Tafeln XXVII und XXVIII von beiden
Seiten aufgenommen ist (die Hinteransicht als Schlussvignette), misst ungefähr 57 Cm. in der Länge,
in der Breite 27 Cm. an der Vorder-, 35 Cm. an der Rückseite. Das Gestelle ist aus Holz; die reliefirten
Elfenbeintheile sind unmittelbar daraufgesetzt. Leider ist der Sattel durch eine barbarische, ganz
moderne Restauration1 ergänzt, zum Theile verdorben worden. Der Grund ist durchgängig mit
kobaltblauer Farbe dick überschmiert. Auch der alte Grund war übrigens blau und hat jetzt in Grün
umgeschlagen, wie man noch an einigen unversehrten Stellen, z. B. unter dem Sattelknaufe, sehen
kann. Dann sind aber ganze Stücke der Elfenbeinbekleidung neu, die allerdings sofort durch die
Farbe des verwendeten Materials (Bein) wie durch die plumpe Arbeit auffallen. Es sind dies neben
einzelnen grösseren und kleineren Ornamenttheilen: die radförmige Verzierung mit dem kleinen
Wappen an der Schnecke des Sattelknaufes, der roh ergänzte leere Wappenschild auf der anderen
Seite, eine Frauenfigur in der Georgslegende, die ungeschickt nach dem Muster der Gegenseite ange-
fertigte Gruppe der Waldleute und des Basilisken auf der rechten Sattelseite, dann die ganz roh nach-
copirte Figur des Cavaliers mit der Blume auf der rechten Backe des Hintersteges (Rückseite).

Der Sattel, der durch seine graziöse geschwungene Form eines der besten Exemplare seiner
Gattung ist, zeigt über die Sitzfläche verstreut eine Musterung von wehenden Tüchern oder Schärpen,
die rechts und links in den untersten Ecken des Vordersteges einerseits aus den Händen einer Halbfigur
mit Lockenkopf, anderseits von einem kentaurenartigen Fabelwesen mit Pferdefüssen und bärtigen
Menschengesicht ausgehen. Dieses Schärpenmotiv hängt gewiss mit der Turnierbahn zusammen; es
sind Decken oder Schleier, wie sie den Helm zierten, und die an einem Ende eingeschnürte Form
dieser Schleier scheint dies zu bestätigen; vielleicht spielt auch die Minneerotik herein: wir wissen,
dass seit dem XIII. Jahrhunderte die langen Prunkärmel der Damen, die manchmal ein gesondertes

1 Sie fällt in die Sechzigerjahre, in die Zeit der Aufbewahrung des Sattels in der Hofsattelkammer; der betreffende
Bildhauer lebt noch in Wien.
 
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