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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Schumann, Paul: Kunstakademien und Kunstgewerbeschulen
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0036

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Kunstakademien und Kunstgewerbeschulen — Nekrologe

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ein Gebiet für sich, die Maler malten nur Staffelbilder,
und die Architekten wurden nicht angeleitet, Malerei
und Plastik in ihre Schöpfungen als untrennbare ein-
gewachsene Bestandteile aufzunehmen. Daß dagegen
der Bildhauer Wrba ein Meister der architektonischen
Plastik ist und seine Schüler in diesem Sinne mit Er-
folg ausbildet, sei ausdrücklich festgestellt. Ebenso hat
Otto Gußmann die architektonisch-dekorative Malerei
früher gepflegt.

Es ist bemerkenswert, daß man in Düsseldorf ge-
rade jetzt den umgekehrten Weg beschreitet. Der
dortigen Kunstakademie soll von der Kunstgewerbe-
schule aus eine Abteilung für Architektur und Kunst-
handwerk oder dekorative Kunst angegliedert werden.
In Stuttgart bereitet sich, gefördert durch einen Neu-
bau, der Kunstakademie und Kunstgewerbeschule zu-
sammenbringt, ein ähnlicher Vorgang vor. Wie man
hört, soll für die neue Warschauer Kunstschule eben-
falls die Vereinigung von Kunstakademie und Kunstge-
werbeschule vorgesehen sein.

Man sieht aus alledem, daß die Bewegung für
eine Vereinheitlichung des künstlerischen Unterrichts
weite Kreise zieht; und diese Bewegung verdient in
der Tat alle Förderung. Die künstlerische Erziehung
muß wieder so einheitlich werden, wie sie es vor dem
19. Jahrhundert und der Trennung der Künste gewesen
ist. In die neue Gesamtkunstschule dürften fortan
als Schüler nur Leute mit technischer Vorbildung auf-
genommen werden, die also bereits die Baukunst oder
die Malerei, die Stein- oder Holzbildhauerei, die Litho-
graphie usw. in praktischer Handwerkslehre erlernt
haben. Selbstverständlich muß es dabei werden, daß
Architekten, Bildhauer und Maler zusammenarbeiten,
daß die Architektur aus ihrer abgesonderten Stellung
heraus und in den Mittelpunkt des Unterrichts tritt.
Der Architekt, der Künstler der Raumgestaltung muß
wiederum auch in der farbigen und plastischen Ge-
staltung des Raumes unterrichtet werden. Der Maler
und der Bildhauer müssen entsprechend vor allem lernen,
wie Kunst am Hause und im Hause zu gestalten ist,
Kunst, die sich einfügt in das Gesamtkunstwerk. Die
Lehrer der Malerei und der Plastik müssen demge-
mäß mit den Architekten zusammenarbeiten. Es müssen
Aufgaben bearbeitet werden, an denen alle mitarbeiten:
die Architekten wie die Maler und die Bildhauer, die
in diesem Sinne eben Kunsthandwerker höherer Art
sein werden. Das Staffeleibild und das freie plastische
Werk soll dabei nicht ausgeschaltet werden, soweit
die Begabungen dafür vorhanden sind. Doch sollen
auch diese Künstler lernen, für einen bestimmten Raum
und Platz zu schaffen. Eine solche strenge Zucht
wird dem gesamten künstlerischen Schaffen zu gute
kommen und uns wieder einen Stil schaffen helfen,
der bei dem gegenwärtigen schrankenlosen Individua-
lismus im künstlerischen Schaffen jämmerlich in die
Brüche gegangen ist. Auf welchen Wegen man aus
dem gegenwärtigen Zustand des geteilten Kunstunter-
richts zu der neuen Einheitlichkeit gelangen wird, muß
der Zukunft und eingehender Beratung vorbehalten
bleiben. In Düsseldorf und Stuttgart hat man offen-
bar die geeigneten Wege gefunden, in Warschau wird

man hoffentlich die neue Gesamtschule mit einem
Schlage ins Leben rufen, auch in Berlin ist ein gewisser
Anhaltpunkt gegeben, in Dresden werden die geeigneten
Wege für das Zusammengehen von Kunstakademie und
Kunstgewerbeschule noch zu suchen und bei gutem
Willen auch zu finden sein. PAUL SCHUMANN.

NEKROLOGE

In Barmen ist der Bildhauer Wilhelm Giesecke im
Alter von 64 Jahren gestorben. Er war früher an der
Hamburger und zuletzt an der Barmer Kunstgewerbe-
schule tätig. Der Fries an der Barmer Ruhmeshalle und
das Standbild Heinrichs III. am Hamburger Rathause
stammen von seiner Hand.

Maxime Collignon f. Wir vernehmen mit Bedauern
den Tod des ausgezeichneten französischen Archäologen
Maxime Collignon, der im 68. Lebensjahre zu Paris ver-
schieden ist. Collignon ist einer der wenigen französischen
Vertreter der Altertumswissenschaft, deren Arbeitsweise den
deutschen Gelehrten durchaus sympathisch und kongenial
war. Er hatte den ganzen Ernst, die Gewissenhaftigkeit
und Sicherheit in seinen wissenschaftlichen Veröffent-
lichungen, die wir von unsern Vertretern der Altertums-
wissenschaft verlangen; dabei verfügte er noch über den
schönen und würdigen Stil der besten französischen
Tradition. So sind auch einige seiner hervorragendsten
Publikationen ins Deutsche übersetzt worden, wie seine
»Geschichte der griechischen Plastik« (durch Thraemer
und Baumgarten) und sein »Handbuch der griechischen
Archäologie« (von Friesenhahn). Auch die größten deut-
schen gelehrten Gesellschaften, wie das Kaiserlich Deutsche
Archäologische Institut und die Göttinger Akademie,
hatten ihn zum korrespondierenden Mitglied gewählt.
Daß der in Verdun geborene Gelehrte mit in das große
Horn der Verleumdung der deutschen Wissenschaft ge-
stoßen hat gleich der übrigen französischen Spitzen der
Wissenschaft, ist wohl nicht zu bezweifeln. — Collignon
war am 2. November 1849 zu Verdun geboren, hat auch
das Metzer, damals französische Gymnasium besucht, war
von 1873 bis 1876 Mitglied der französischen Schule in
Athen, lehrte 1876 bis 1883 in Bordeaux griechische und
lateinische Altertümer und hat auch daselbst das Studium
der klassischen Archäologie erstmalig eingeführt. 1886
wurde er zuerst provisorischer, dann definitiver Nachfolger
von Perrot für den Lehrstuhl der Archäologie an der
Sorbonne und hatte diese Professur für Archäologie an
der »Faculte des Iettres de l'universite de Paris« bis in die
neueste Zeit inne. Er war Mitglied des obersten Museums-
rates und fast aller großen französischen Gelehrtengesell-
schaften und auch anderer europäischer wissenschaftlicher
Körperschaften außer den schon genannten deutschen.
Seine durch Gewissenhaftigkeit und Klarheit sich aus-
zeichnenden Publikationen sind außerordentlich zahl-
reich. Er hat, abgesehen von den schon erwähnten,
den Vasenkatalog der großen Athenischen Sammlungen,
zuletzt den des Nationalmuseums in Athen (zusammen
mit Louis Couve) verfaßt; zusammen mit Rayet, dessen
bedeutendster Mitarbeiter er auch für die »Monuments
de l'art grec« war, schuf er eine Geschichte der
griechischen Keramik; zahlreiche mythologische Arbeiten
(»Psyche-Darstellungen« und »Die figürliche Mythologie
der Griechen«) zeugen auch von seiner philologischen
Schulung; er hat in frühen Jahren die französische archäo-
logische Mission in Kleinasien geschildert, und noch in
neuerer Zeit sind große Folio-Bände über Pergamon und
den Parthenon erschienen, die durch hervorragende Ab-
 
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