Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

DOI Artikel:
Die Bronzedenkmäler
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0257

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXIX. Jahrgang 1917/1918 Nr. 43. 20. September 1918

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 10 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. IIa.
Abonnenten der Zeitschr. f. bild. Kunst erhalten Kunstchronik u. Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 40 Pf. für die dreigespalt. Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

DIE BRONZEDENKMÄLER

Als die ersten Nachrichten von der bevorstehenden
Einschmelzung der Bronzedenkmäler die Runde durch
die Presse machten, vernahm man von vielen Seiten
den Ausruf der Erleichterung, daß nun die Kriegsnot
auch einmal eine erwünschte Wirkung gezeugt habe.
Es erwies sich, daß unsere Denkmäler ganz im all-
gemeinen sich keines guten Rufes erfreuten, und es
schien, als sollten ihnen nicht viele Tränen nachge-
weint werden.

Nun, da es ernst zu werden beginnt, erheben sich
aber doch manche Bedenken, und hie und da ent-
steht ein häßliches Gezänk, nicht um den künstlerischen
Wert, wohl aber um die symbolhafte Bedeutung; und
wenn der einen Gruppe oder Partei ihr Wahrzeichen
mit dem Standbilde eines ihrer Großen genommen
werden soll, so will sie es nicht dulden, daß das der
anderen erhalten bleibe. Um Denkmäler, die kaum
jemand beachtete, solange sie nicht bedroht waren,
beginnt man sich plötzlich zu sorgen, als hinge an
ihnen das Heil der Seele. Und es erheben sich Stim-
men, die die ganze Maßnahme rückgängig gemacht
wissen wollen, da der materielle Gewinn zu gering
sein werde, um den ideellen Verlust aufzuwiegen.

Wird die Frage so gestellt, wie sie allein an dieser
Stelle erörtert werden kann, als Frage nach dem künst-
lerischen Besitz der Nation, so kann leider die Ant-
wort kaum zweifelhaft sein. All unser emsiger Denk-
mälerbetrieb in den Jahrzehnten des Deutschen Rei-
ches hat diesen Besitz kaum wesentlich vermehrt; und
wenn hie und da ein Verlust wird in den Kauf ge-
nommen werden müssen, so wird es im ganzen nur
ein Gewinn sein, wenn unsere Städte von den allzu
vielen Bildsäulen befreit werden. Kann man etwas
bedauern, so nur dies, daß nicht der ausgleichenden
Gerechtigkeit zuliebe auch die Marmordenkmäler ent-
fernt werden. Denn wenn etwa in Berlin die Jagd-
gruppen am Großen Stern, die so ziemlich den Gipfel
der Möglichkeit ästhetischer Verirrung bedeuten, nun
glücklich verschwinden, und zwar hoffentlich auf
Nimmerwiedersehen, so sähe man gern zur gleichen
Zeit die unglücklichste aller Denkmalsanlagen, die vor
dem Brandenburger Tor, wieder beseitigt.

Leider muß dies ja ein frommer Wunsch bleiben,
aber ernstlich wünschen möchte man, daß der Ge-
danke, die jetzt entfernten Denkmäler nach dem Kriege
wieder neu entstehen zu lassen, nur in seltensten Aus-
nahmefällen zur Tat werden möchte, nur dann näm-
lich, wenn es sich um wirklich schwer ersetzliche
künstlerische Werke und um ein Standbild handelt,
das innerhalb einer architektonischen Situation zu einem
notwendigen Gliede geworden ist. Wie wenig solche

Denkmäler wir besitzen, wird jedem klar werden, der
unter diesen Gesichtspunkten allein die Standbilder
seiner Stadt vor seinem geistigen Auge vorüberziehen
läßt. Große Männer aber zu ehren braucht es nicht
notwendig Bildsäulen an der Straße. Goethes Ruhm
ward nicht erhöht, und der Heines nicht geschmälert,
weil dem einen Denkmäler in großer Zahl errichtet
wurden, die man dem anderen hartnäckig verweigerte.

Unser deutsches Vaterland ist bis auf wenige
Grenzstriche von den Zerstörungen des Krieges ver-
schont geblieben, die in Frankreich der Gang der
Schlachten, in Rußland die Revolution im Gefolge
hatte. Wir mögen also diesen kleinen Eingriff wohl
ertragen und möchten nur hoffen, daß nicht nach dem
Kriege ein um so wilderer Denkmälerbetrieb wieder
einsetze. Der Hang danach scheint ja dem Menschen
tief eingeboren, da selbst die junge russische Republik,
die, wie man meinen sollte, doch einstweilen noch
dringendere Sorgen hat, mit einem ganzen Denk-
mälerprogramm an die Öffentlichkeit getreten ist, das
sie mit einer Eile durchzuführen plant, als handle es
sich dabei um eine wichtigste Staatsaktion.

Als der Krieg noch in seinen Anfängen war, als
noch nicht die ungeheure Zerstörung aller Werte be-
gonnen hatte, deren Wiedererzeugung in den ersten
Friedensjahren alle Kräfte der Nation in Anspruch
nehmen wird, mochte man auch bei uns in Sorge
sein vor der kommenden Denkmälerflut, die in den
unseligen Nagelfiguren ihre Vorboten über das Land
geschickt hatte. Jetzt weiß man, daß es nach dem
Kriege andere Sorgen geben wird, als die Denkmals-
pläne zu verwirklichen, die mehr oder minder Be-
rufene seit langem vorbereitet haben. Man kann hoffen,
daß dem Zobtenberge bei Breslau das Schicksal er-
spart bleiben wird, in ein Kriegsdenkmal umgewandelt
zu werden, gegen das das Leipziger Völkerschlacht-
denkmal, das denn doch als Warnung für alle Zeiten
genügen sollte, ein Kinderspiel wäre. Aber das rus-
sische Beispiel zeigt, daß in dieser Hinsicht auch das
Ungeahnte Ereignis zu werden vermag, und Einsich-
tige sollten die Lehre daraus ziehen, daß es niemals
früh genug ist, gegen kommendes Unheil vorzubauen.

Wenn das künstlerische Deutschland jetzt gern
und ohne Zögern seine Denkmäler auf dem Altare
des Vaterlandes opfert, so sollte es zum Entgelt doch
die Forderung aufstellen, daß nicht noch einmal die
gleichen und nicht noch größere Fehler begangen
werden, wenn nach dem Kriege die alten durch neue
Standbilder ersetzt werden sollen. Unsere Städte sind
größtenteils so überfüllt, daß die Entlastung nur ein
Segen sein kann. Darum sollte nicht jeder frei ge-
wordene Platz, wenn nur die Umstände es erlauben,
 
Annotationen