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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Friedländer, Max J.: Zu dem Aufsatze des Herrn Hans Curjel
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Schottmüller, Frida: Die Moden der italienischen Renaissance
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0222

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419

Zu dem Aufsatze des Herrn Hans Curjel — Die Moden der italienischen Renaissance

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Ausscheidung der Veronika von 1510 — in wirklich
kleinem Format gearbeitet; um so weniger will es
uns eingehen, daß die kleinen Schnitte sogar noch
dicht neben den ganz großen Blättern aus den letzten
Jahren des 15. Jahrhunderts stehen sollen.

Der Nürnberger Salus Animae und seine Schnitte
hat sich als eine Abart oder neue Redaktion des Straß-
burger Hortulus Animae und seiner Schnitte erwiesen.
Auch die von Friedländer Dürern zugeschriebenen
Brigitten-Schnitte (erste Auflage des Buches in Nürn-
berg 1500), sind zum Teil keine originalen Werke;
für eine Reihe von ihnen, die durchaus den in Frage
stehenden Stil zeigen, haben Lübecker Schnitte der
Revelationes von 1492 als Vorbild gedient. Ob aber
Dürer, der mit der Apokalypse endgültig zum eigenen
Stil durchgedrungen war, zur Zeit der Apokalypse
oder kurz nachher überhaupt noch so zeichnen konnte,
wie die zur Frage stehende Gruppe von Schnitten
(Revelationes von 1500 bis zum Gebetbuch von 1503)
gezeichnet ist, wollen wir vorerst offen lassen.

Die Verschiedenheit im ganzen Aufbau und in
der künstlerischen Handschrift fällt doch bei der Zu-
teilung wohl gerade so schwer ins Gewicht, wie die
formale Übereinstimmung ganzer Kompositionen oder
einzelner Teile, die mit Hilfe der Typen des damaligen
Kunstbetriebes restlos erklärt werden kann.

Diese Tatsachen und Überlegungen bekräftigen das
von Wölfflin auf stilkritischem Weg gewonnene Re-
sultat. *)

Das (zwar eindeutige) Wort Doppelgänger trifft das
Wesen des fraglichen Meisters nicht im wesentlichen
Punkt; alle in seine Nähe gehörenden Werke unter-
scheiden sich zu deutlich von Dürers Art. Richtiger
wäre es den — vielleicht gar besser d i e noch namen-
losen Zeichner und Maler nur Genossen oder Freunde
Dürers zu nennen.2) HANS CURJEL.

ZU DEM AUFSATZE
DES HERRN HANS CURJEL

Voreilig wäre es und ungerecht, gegen die unvoll-
ständigen und aus einem Zusammenhange gerissenen
Aufstellungen Curjels zu polemisieren; Zeit dazu wird
sein, nachdem er seine These in der Arbeit über
Baidungs Jugendzeit ausführlich begründet haben wird.

Nur, daß ich nicht bis dahin als allzu unwissend
dastehe, bemerke ich: die Tatsachen, die er vorbringt,
waren mir bekannt. Ich nannte das von C. Dodgson
publizierte Gebetbuch »das erste« im Hinblick auf
die sich daran anschließende Nürnberger Produktion.
Im weiteren ist dieses Gebetbuch freilich nicht das

1) Wie auch Wölfflins Hinweis auf die Ausführungen
Max Herrmanns über die Basler Terenzzeichnungen (Da-
tierung auf frühestens 1496) wohl zu beachten ist.

2) Weiteres über die Schnitte des Gebetbuches und
über den Kreis um Dürer zu Anfang des 16. Jahrhunderts
hoffen wir nächstens in einer Arbeit über Baidungs Jugend-
zeit beibringen zu können.

erste, ebensowenig wie der Straßburger Hortulus von
1498, sondern jenes von Koegler entdeckte Gebet-
buch, das um 1494 zu Basel erschien oder erscheinen
sollte. Und dieses »erste« hat wieder Meister X ge-
schaffen. Die Jugendentwicklung Dürers, wie ich sie
sehe, kann gar nicht besser veranschaulicht werden,
als wenn die Linie von den Baselern Gebetbuchblättern
zu den entsprechenden, die um 1499 in Nürnberg
geschaffen wurden, gezogen wird.

Daß die Brigittenschnitte Dürers mit den Lübecker
Illustrationen dieses Gegenstandes zusammenhängen,
ist mir nicht neu. Nur glaube ich, daß Dürer ebenso
wie seine Genossen und Freunde im Auftrage von
Buchhändlern Dinge gemacht hat, die man als »un-
original« bezeichnen kann. Daß die Nürnberger
Brigittenschnitte nach der Apokalypse entstanden
seien, steht nicht fest. Hier, wie stets, ist das Buch-
datum nichts als ein terminus ante quem.

Daß das Fehlen Josephs in einer Anbetung der
Könige »beispiellos« wäre, habe ich nicht behauptet,
nur erzählt, dieses Fehlen in Dürers Bild von 1504
wäre so beispiellos erschienen, daß Übermalung der
Figur angenommen worden sei.

Meine Gegenüberstellung der drei Figürchen hat
auf C. nicht den Eindruck gemacht, den ich erzielen
wollte. Ich wünschte zu demonstrieren, daß diese Ge-
stalten nicht voneinander kopiert wären, auch nicht auf
eine gemeinsame Vorlage zurückgehen könnten, viel-
mehr drei gleichwertige Hervorbringungen einer
Phantasie wären. »Beweisen« kann ich dies freilich
nicht, ebensowenig wie ich jemanden zwingen kann,
zu sehen, daß die von Pauli publizierte Zeichnung
zu dem Dresdener Gemälde der Kreuznagelung eine
Naturaufnahme ist. MAX J. FRIEDLÄNDER.

DIE MODEN DER ITALIENISCHEN
RENAISSANCE

Im Stil offenbart sich das" Lebensgefühl einer Epoche
und das aus solchem erwachsene Verhältnis der Ge-
sellschaft wie des einzelnen Menschen zur Umwelt.
Beides verändert sich im Ablauf der Zeiten, und mit
ihnen wandelt sich der Stil. Man hat den Begriff Stil
von jeher ernst genommen, und manche wissenschaft-
liche Untersuchung unternahm es, die Ursache seiner
wechselnden Erscheinung klar zu stellen. Anders war
bis vor wenigen Jahrzehnten unser Verhältnis zur Mode.
Sie hat im Leben von jeher größesten Einfluß gehabt,
denn sie bestimmt Rhythmus und Proportionierung
der Gestalt. Nicht die ungewohnte Einzelform (und
wie rasch gewöhnt sich das Auge bei häufigem Sehen)
stört an dem unmodernen Kleide, sondern durch sie
ist die Teilung und die partielle Betonung der mensch-
lichen Figur verändert; ja, diese erscheint bei starker
Abweichung beinahe fehlerhaft. Die Mode ist der All-
gemeinheit im Grunde viel fühlbarer als der Stil; und
doch haben Gelehrte und Publikum bis vor wenigen
Jahrzehnten ihren Sinn und ihre Bedeutung kaum
beachtet. Zuerst geschah es im Interesse der Kultur-
und Sittengeschichte. Man entdeckte in der Tracht den
Ausdruck der besonderen Gefühlsweise einer Zeit, be-
 
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