Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

DOI Artikel:
Schottmüller, Frida: Die Moden der italienischen Renaissance
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0223

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
421

Die Moden der italienischen Renaissance

422

sonders zwischen den Geschlechtern, und eine größere
oder geringere Betonung der Standesunterschiede. Durch
solche Erkenntnis ward die Mode, als Herrscherin
freilich auf einem anderen Gebiete, dem Stil gleich-
gestellt. Dann erschien sie auch dem Kunsthistoriker
bedeutsam. Denn nach Wölfflin »ist die Kleidung der
unmittelbare Ausdruck, wie man den Körper auffaßt,
und wie man sich bewegen will« (Die Klassische Kunst).
Für das Schönheitsideal einer Epoche ist demnach
Tracht und Mode eine wichtige Quelle; und in Blüte-
zeiten der bildenden Kunst sind auch sie von be-
sonderer Schönheit gewesen.

Schon Jacob Burckhardt hatte in der gewählten
reichen Tracht der italienischen Renaissance ein Merk-
mal »äußerer Verfeinerung des Lebens« gesehen, da
das Auftreten des Einzelnen »zum freien bewußten
Kunstwerk« wurde. »Die Nation war und ist eitel;
außerdem aber rechneten auch ernsthafte Leute die
möglichst schöne und günstige Kleidung mit zur Voll-
endung der Persönlichkeit« (Kultur der Renaissance).
So war es längst an der Zeit, eine gute Darstellung
der italienischen Tracht zu schreiben. Hanns Floerke1)
und Rudolf Heyne, dessen Name der Titel versehent-
lich nicht nennt, haben es unternommen, uns eine
solche zu schenken. Auf breiter Basis soll es ge-
schehen; denn wie sich aus gelegentlichen Andeutungen
ergiebt, sind mindestens vier Bände vorgesehen. Der
zweite soll von dem Schönheitsideal der Renaissance
nach Dichtern und Schriftstellern, der dritte von den
Typen der Renaissance handeln. Der erste, der jetzt
vorliegt, vermittelt ein Bild von dem Reichtum und
der Manigfaltigkeit der Trachten zwischen 1250 und
1550, den gelegentlichen Einflüssen anderer Länder
und dem Interesse, das die Gesellschaft, die städtischen
Behörden und die Priesterschaft an der Kleidung der
eigenen Zeit bekundete. Der Begriff Renaissance ist,
wie es hier zweckmäßig war, sehr weit gefaßt, wenn
auch die Gewandung bis ins fünfzehnte Jahrhundert
hinein durchaus gotisches Stilgefühl verrät. Anderer-
seits muß dem flüchtigen Leser, der die kurzen Hin-
weise auf den Inhalt der folgenden Bände übersah,
der erste durchaus lückenhaft erscheinen. Denn sehr
vieles fehlt, was zur Trachtenkunde und Trachtenge-
schichte einer Epoche gehört. Ob das abgeschlossene
Werk diese Wünsche erfüllen, oder nur weitere inter-
essante Beiträge zum Thema »der Mensch der Renais-
sance und seine Kleidung« bringen wird, bleibt ab-
zuwarten. Doch läßt die eingehende Behandlung des
hier zur Diskussion gestellten Kapitels auf gute Fort-
setzungen hoffen.

Floerke hat vor etlichen Jahren die Künstlernovellen
der Renaissance — gut übersetzt und kommentiert —
in einer hübschen, nur ein wenig zu pretenziösen
Aufmachung herausgebracht. Daß er die weltliche
Literatur der Zeit sehr gründlich kennt, kommt auch dem
vorliegenden Werk zugute. Nicht nur gegenständlich,
sondern es ward auch ein geschmackvoll behaglicher

1) Der Mensch der Renaissance und seine Kleidung.
Erster Band. Die Moden der italienischen Renaissance,
herausgegeben von Hanns Floerke. 1917. München. Bei
Qeorg Müller. 112 Seiten und 137 Lichtdrucktafeln. 4°.

Ton für das anmutige Thema gefunden; daß sich diese
Offenbarungen menschlicher Eitelkeit von Anfang bis
zu Ende selbst wie eine lustige Novelle lesen. Eine
große Rolle spielen die städtischen und priesterlichen
Verordnungen gegen Putz und Prunk wie gegen an-
stößige Moden, so die tief ausgeschnittenen Kleider.
Übrigens sind die deutschen Trachten der Epoche noch
weit weniger dezent.

Die ältesteii derartigen »Tagesbefehle« stammen
aus dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts, und die
vielfachen Wiederholungen wie auch die Androhung
von Strafen lassen erkennen, daß diese Verbote sehr
wenig beachtet wurden. Da werden den Schneidern
Preise und eine gewisse Stoffmenge vorgeschrieben.
Auf dem Marktplatz von Modena ward 1327 ein Maß
angebracht, um die Länge der Schleppen nachzuprüfen.
Mancherlei Luxus, wie bestimmte Pelzarten, goldge-
stickte Borten, die oft auch mit Perlen und edlen
Steinen verziert waren, wurden zu Zeiten verboten,
oder nur einzelnen Ständen als Vorzug gewährt. Aber
die Frauen haben jederzeit listige Auswege gefunden.
Von erquicklichem Humor sind die Ausreden, die
verbotenen Knöpfe seien ja »boutons«, da Ösen und
Knopflöcher fehlten, und der einigen Ständen vor-
behaltene Hermelin sei »Weißbauch« (lattizio). Denn
die Absicht jener Damen, prächtigen Eindruck durch
knopfartige Verzierung und weißen edlen Pelz zu er-
reichen, war ja gelungen.

Der erstaunliche Luxus, der schon im späten Mittel-
alter aufkam, wird durch die Beschreibung prachtvoller
Seidenstoffe mit sehr verschiedenartigen eingewirkten
und eingestickten Mustern, von denen einige sogar an
ostasiatische erinnern (türkische und arabische hat man
sicher in Menge gehabt), besonders deutlich. — Hier
hätte neben älterer Literatur Falkes Geschichte der
Seidenweberei, die über Italien viel Wertvolles enthält,
zitiert werden müssen. — Dazu kommt eine erstaun-
liche Stoff menge, die zu Zeiten für die langen, weiten
Ärmel und die faltenreichen Kleider nötig waren. Gern
wüßte man, wieviel nach heutigem Maße damals eine
Elle war, und wie hoch ein Florin und ein Dukaten
nach unserem Gelde zu bewerten ist. — Volkswirt-
schaftlich interessieren auch die Verbote, fremde Stoffe
statt der einheimischen zu tragen, um die Industrie
der eigenen Stadt oder Provinz zu heben.

Die prächtigsten Kleider haben natürlich die Fürstin-
nen aus reichen Häusern — und die Kurtisanen be-
sessen, so Isabella d'Este, Lucrezia Borgia und die
Römerin Kleopatra, die 1550 achtzehn kostbare Ge-
wänder hinterließ. Fast alle wurden von Walletta, einer
anderen Kurtisane, gekauft. — Schon damals verachtete
es die Modedame, sich allzu oft in demselben Kleide
sehen zu lassen oder auch durch Veränderungen ihm
den Anschein eines neuen zu geben. — Unter der
Wäsche spielten die Hemden, zumal wenn sie am Aus-
schnitt und in den Schlitzen der Ärmel zu sehen waren,
die größeste Rolle. Sie waren mitunter aus Seide und
reich mit Perlen und Gold gestickt. Die Tochter
Alexanders VI. hatte zweihundert kostbare Hemden,
von denen manches 100 Dukaten wert war; Paolo
Gonzaga brachte hingegen nur zwanzig in die Ehe mit.
 
Annotationen