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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Dülberg, Franz: Die Ausstellung österreichischer und ungarischer Kunst im Amsterdamer Stadtmuseum
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0067

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXIX. Jahrgang 1917/1918 Nr. 11. 14. Dezember 1917

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 10 Mark
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DIE AUSSTELLUNO ÖSTERREICHISCHER
UND UNGARISCHER KUNST
IM AMSTERDAMER STADTMUSEUM

Von Franz Dülbero

Kein geringes Wagstück fürwahr, eine Ausstellung
moderner bildender Kunst eines Reiches, das seit langer
Zeit vor allem wegen der Musiker, die es der Welt
schenkte, gepriesen wird, in der Hauptstadt des Landes
zu veranstalten, das mit Recht vor allen andern Ländern
als die wahre Malerheimat gilt! Noch dazu mitten
im Kriege, in dem die Sympathien der nach einem
gerecht ausgleichenden Standpunkt suchenden Hol-
länder durch eine erregte Propaganda und durch un-
vermeidliche Begleiterscheinungen des großen Welt-
ringens beständig von der einen nach der anderen
Seite und dann wieder zurück geworfen werden!

Eine Kunstausstellung der habsburgischen Lande,
in der, wohl infolge notgedrungener Kriegsbeschrän-
kungen, mancher erste und mancher umstrittenste
Name fehlt, eine Ausstellung ohne Klimt, Czeschka,
Moll, Vlastimil Hofmann und Kokoschka als unmittel-
bare Nachbarin der Elitesammlung heutiger hollän-
discher Malerei, nur durch Vorhänge getrennt von
der feinen silbergrauen Armeleutelyrik eines Israels,
der Mesdagschen Meeresepik, der gewaltig zugreifenden
Straßenwahrheit Breitners und den nachtblauen Orient-
träumen Marius Bauers.

Und dennoch — ein ganz überraschendes Ge-
lingen ist auf den ersten Blick zu verzeichnen. Ge-
rade das, worin man im Hinblick auf die geteilten
Amsterdamer Stimmungen eine Gefahr hätte sehen
können, die Unterbrechung zeitloser Darstellungen
durch den harten Rhythmus der Kriegsbilder, ver-
mochte dieser in dankbarer Anerkennung zum Besten
des niederländischen roten Kreuzes veranstalteten Kunst-
schau einen ganz besonderen und — so merkwürdig
es klingt — gewinnenden Reiz zu geben. Freilich
liegt die Ursache hier wohl vor allem in der Richtung
und in der Qualität der Kriegsmalereien. Die aus-
gestellten Werke dieses Stoffgebiets sind nämlich nicht
auf lautes Rot—Blut, Schlachten und Stöhnen — sondern
auf lichtes Stahlgrau — unerbittliche Pflichterfüllung
— gestimmt. Wenn hier nicht eine unerhört psycho-
logische Auswahl seitens der Ausstellungsleiter vor-
liegt und vielmehr der Durchschnitt dessen gegeben
ist, was in Österreich seit Kriegsbeginn gemalt wurde,
so wird mancher Beurteiler sein bisheriges Vorurteil
gegen jede Art von Kriegsmalerei revidieren müssen.

Es war doch ein echter Sieg der Kunst, daß ich
heute ein französisch sprechendes älteres belgisches
Ehepaar beobachten konnte, das vor den meisterlichen
Flieger- und Schützengrabenbildern Karl Sterrers der

Bewunderung der sieghaften Zeichnungssicherheit kein
Ende wußte.

Sterrer ist denn auch für mich mit seinem großen
Bilde Böhm-Ermollis vor dem zurückeroberten Lem-
berg der eigentliche Triumphator der Ausstellung.
Der Künstler hat sich die einheitliche Wirkung be-
wußt erschwert, indem er den General, nur durch
eine schmale Balustrade getrennt, vor die fast gleich
großen Köpfe seiner einziehenden Getreuen und vor
einen ausführlichen Ausschnitt des Stadtbildes setzte.
Fast ein Wunder ist es, wie trotzdem der Blick zu-
sammengezogen wird auf das durchfurchte Denker-
gesicht des Feldherrn, das mit einem seltsamen Natur-
spiel bei aller Verschiedenheit der Rasse und Lebens-
führung deutliche Verwandtschaftszüge mit einem
Großen auf ganz anderem Gebiet, mit — Max
Liebermann aufweist.

Am nächsten kommt diesem meisterhaften Historien-
bild das viel einfacher auftretende Kövess-Bildnis von
Josef Jost. Wie ungemein gewinnend wirkt hier der
tiefe Leidenszug in dem frischen, mit reichster Plastik
hervorgearbeiteten Gesicht, dessen Eindringlichkeit
von den wundervoll verstandenen Händen fast noch
überlroffen wird!

Es ist das Verdienst solcher Bilder, von denen
noch Victor Hammers nachdenklich treu. zu uns
sprechender Erzherzog Josef und Schattensteins vor-
nehm, hoch und schlank vor uns stehender Hötzendorf,
ein milderer, doch nicht weicherer Bruder Hindenburgs,
im Vorbeigehen genannt sein sollen, daß sie den
Heerführer unter dem Eindruck seines schweren ab-
wägenden Amtes darstellen als den Menschen, dtr mit
Seelen rechnet und in die Tiefen des Erdreichs blickt.

In die Reihe der Kriegsbilder fügt sich noch Franz
Windhagers Rovereto: das köstliche Prachtgewand
dieses Gebirgstales ist hier mit einer an den teuren
deutschen Meister Caspar David Friedrich erinnernden
Schärfe und Klarheit nachgesiickt, und heiliger Zorn
muß den Beschauer ergreifen, der diese rührend
liebenswürdige Landschaft von den überall aufsteigen-
den Kanonenwölkchen verpestet sieht.

Weit von der bedrängenden und zu Taten rufenden
Gegenwart führen uns Märchenbilder, wie die Heiligen
Drei Könige von Max von Poosch, in der besonnien
Winterlandschaft vom alten Brueghel abhängig, in
der Durchführung aber selbst erarbeitet und in der
erfahren lächelnden Gesprächsgeste des ältesten Königs
von festhaltender Novellenwirkung, und Woytkiewicz'
Gänsehirtin, voll slawischer dunkler Heimlichkeit im
starren Blick des Überfallenen Mädchens. Zu den
viel erzählenden und Rätsel aufgebenden Stücken mag
man auch Oskar Laskes Franziskuspredigt und sein
Golgatha rechnen, die in ihrer Gestaltenfülle an die
 
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