Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

DOI Artikel:
Schumann, Paul: Wilhelm Trübner
DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0079

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
137

Wilhelm Trübner f — Nekrologe

138

wo Trübner mit Vorliebe gemalt hat. Süddeutschland
war seine Heimat, nirgends sonst hat er s eh auf sei-
nen Reisen gedrängt gefühlt, die Landschaft im Bilde
festzuhalten, nicht in Italien, nicht auf Rügen, im Harz,
noch viel weniger in England oder in Frankreich.
Und in Süddeutschland hat bald der heimische Oden-
wald, bald die herbere bayerische Seenlandschaft seiner
Malerseele nähergestanden. Und nicht die »großen Mo-
tive« haben ihn angezogen, sondern die örtliche Stim-
mung hat er mit immer frischem Auge in ihrer gan-
zen Kraft aus der Natur herauszuholen versucht und
verstanden. In der effektfeindlichen natürlichen Schlicht-
heit der Auffassung, in der festen Haltung der Far-
bengebung, vor allem in dem tiefen, saftigen Grün
des Laubes und des Rasens haben wir seine unver-
kennbare Eigenart schätzen und bewundern, haben
wir mit seinen klar blickenden Augen die Natur in
ihrer Einfachheit und farbigen Tiefe sehen und lie-
ben gelernt. Nicht minder malerisch bedeutsame Lei-
stungen finden wir in seinen Blumen-, Frucht- und
Tierstücken; vielleicht hat ihn auf diesem Gebiete sein
Schüler Karl Schuch noch übertroffen, aber der Geist
köstlich ausgeglichener Tonschönheit beherrscht auch
seine eigenen Schöpfungen dieser Art, die nur einen
Teil seines Lebenswerkes ausmachen, während sie bei
Schuch das einzige Sondergebiet sind.

Trübners Lebenswerk ist nun abgeschlossen. Ob
und wie das Urteil der Kunstgeschichte sein Werk
sichten und endgültig beurteilen wird, bleibt der Zu-
kunft vorbehalten. Augenblicklich sind wir geneigt,
seine Jugendwerke aufs höchste zu schätzen; dafür
zeugen wenigstens die Käufe der Kenner.

Unantastbar hoch steht Trübner in seiner künst-
lerischen Gesinnung. Aus seinem Grundsatze, die
Schönheit aus dem wesentlichen Mittel der Malerei,
aus der Farbe zu gewinnen, aus seiner Hoch-
achtung vor der Natur, die er nie durch koketten
Geistreichtum oder vordringliche Betonung einer
bestimmten Richtung vergewaltigt sehen wollte, er-
kennen wir den ernsten deutschen Künstler, einen
Künstler von herber männlicher Kraft, voll aufrechten
Stolzes und selbständigen Sinnes. Immer weniger
werden der großen Meister, die den künstlerischen
Geist unserer Zeit bisher bestimmt haben. Was der
gärende Geist der Kunst unserer Tage neues Lebens-
fähiges gebären wird, wissen wir noch nicht. Die
Entwicklung wird auch über Trübner fortschreiten.
Aber sein Werk ist unveräußerlicher Besitz unserer
deutschen Kunst geworden, und daß seine hohe künst-
lerische Gesinnung nicht minder dauernder Besitz
deutscher Kunst unserer Zeit bleibe, das dürfen wir
ohne Widerspruch auch den Jungen und Jüngsten
wünschen. PAUL SCHUMANN.

NEKROLOGE

Karl Voll t- Am 1. Weihnachtsfeiertage ist in München
Karl Voll an einer Herzlähmung gestorben. Sein Tod
kommt selbst denen überraschend, die wußten, daß die
Gesundheit dieses Mannes seit einem vor zwei Jahren er-
littenen Schlaganfall sehr wankend geworden war. Nur
wenig über 50 Jahre wurde der am 18. Juli 1867 zu Würz-

burg Geborene alt. Wer den Verstorbenen in den letzten
Jahren sah, erkannte in dem abgemagerten, sich mühsam
Fortbewegendem kaum jenen Mann wieder, zu dessen voller,
gedrungener Gestalt der tiefe, langsam und gewichtig
tönende Baß dieses heiterster Lebensfreude wie scharfem
wissenschaftlichen und auch menschlichem Streit (der ihm
nicht minder als den Gegnern bittere Stunden verursacht
hat) zugetanen Menschen so ausgezeichnet paßte.

In Karl Voll ist ein hervorragender Universitätslehrer
dahingeschieden, ein ungewöhnlich kluger und gebildeter
Mann, ein scharfer Kritiker, ein feinsinniger Sammler. Voll
war zuerst Reallehrer in Freising, verließ dann diesen
Dienst, habilitierte sich an der Münchener Universität,
wurde Kunstreferent der Münchener »Allgemeinen Zeitung«
und 1902 Nachfolger Bayersdorfers an der Pinakothek.
Dieses Amt gab er auf, als er 1907 die Kunstgeschichts-
professur an der Technischen Hochschule übernahm.
Voll hatte eine besondere Begabung zum Lehrberuf, es
war ihm gegeben, weit über die engeren Kreise hinaus,
anregend, aufklärend und geschmacksbildend zu wir-
ken. Dies beweisen auch die beiden aus Seminar-
übungen hervorgegangenen Bände der »Vergleichen-
den Gemäldestudien« und seine dreibändige »Entwick-
lungsgeschichte der Malerei in Einzeldarstellungen«.
Was Meister- und was Schülerhand ist, was schärfster Bild-
kritik standhält und was haltlose Attributionen sind, das
lernte der junge Student bei Voll in ganz ausgezeichneter
Weise. Und es machte auch nichts, daß Voll hyperkritisch,
in seinen Urteilen oft zu scharf war. Die Gefahr für den
Studenten begann erst da, wo er nur auf Voll und seine
Art sich verließ und die gleichen Wege einschlug. Aber
es ist heute, wo über dem Theoretisieren nur allzuoft die
für alles die Grundlage bildende Kennerschaft vernach-
lässigt wird, wirklich von Not, die Vollsche Methode in
ihrem ganzen Umfang weiterzupflegen, denn seine oft allzu
scharfe Kritik ist nicht nur von größerem wissenschaftlichen,
sondern in ganz anderem Maße von allgemeinem Wert als
jene Art von Kunstwissenschaft zu treiben, die glaubt, sich
eine gründliche Kenntnis des eigentlichen Materials er-
sparen zu können.

Voll hat sich oft geirrt und doch werden seine Bücher
wie seine Arbeit über Van Eyck, seine »Entwicklungsge-
schichte der altniederländischen Malerei von Eyck bis
Memling« stets lesenswerte Werke voller Anregungen und
gescheiter Bemerkungen bleiben; das gleiche gilt von
seinem »Führer durch die Alte Pinakothek«. Wohl eine
seiner gelungensten Arbeiten ist der »Memling«Band in den
»Klassikern der Kunst«. (Der »Hals«Band, den er gleich-
falls übernommen hatte, ist vor allem durch den Krieg
nicht mehr zum Abschluß gelangt.)

Voll war in München ein tapferer Vorkämpfer des
Impressionismus und überhaupt ein unentwegter Ver-
fechter guter Kunst, namentlich in dem ersten Jahrzehnt
dieses Jahrhunderts, bevor Tschudi nach München kam.
Ebensowenig wie er sich seiner Zeit scheute, über die
Kunst des damals allverehrten und mächtigen Lenbach
ungeschminkt seine Meinung zu sagen, ist er stets mit
großer Wärme für seinen Jugendfreund Slevogt eingetreten,
dem er neben verschiedenen Aufsätzen auch eine Mono-
graphie (1912) gewidmet hat.

Seine ganze Liebe galt den Zeichnern und Illustratoren
des 19. Jahrhunderts. Hier war Voll begeisterter Sammler
und liebenswürdiger Fürsprecher. All die großen und die
kleinen deutschen wie französischen Meister, Daumier wie
Menzel, Pocci wie Schwind haben in ihm einen vorzüg-
lichen Interpreten gefunden. Volls Buch »Frankreichs
klassische Zeichner« war wohl nur als eine Art mehr
populärer Vorarbeit für ein größeres Werk über dieses
 
Annotationen