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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Tietze, Hans: Gustav Klimt
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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXIX. Jahrgang 1917/1918 Nr. 21. 1. März 1918

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 10 Mark.
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leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. IIa.
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GUSTAV KLIMT f

Schwerer noch, als wenn es sonst galt, das Un-
ersetzliche und Unvergleichliche eines Menschen- und
Künstlerdaseins in die Summe seines Lebenswerks
umzurechnen, wird es mir heute, die Trag- und Wirk-
weite der künstlerischen Arbeit Gustav Klimts zu er-
messen. Uns Wienern der Generation, die nach ihm
kam, ist er viel gewesen; aber war es sein künstlerischer
Eigenwert oder war es der Umstand, daß er in einem
entscheidenden Augenblick an der Spitze eines stür-
mischen Jugendaufruhrs stand, wodurch sein Name
uns durch Jahre hindurch zum Banner geworden ist?
Und ist sein Ruhm nicht überhaupt eine Angelegen-
heit von rein örtlicher Bedeutung? Diese zwei für
die Beurteilung Klimts so wesentlichen Fragen wider-
setzen sich einer bestimmten und eindeutigen Ant-
wort; scheiden wollen, was von seinem Schaffen nichts
als wienerisch ist, was der ganzen deutschen Kunst
angehört und was ein Teil der großen und unteilbaren
Kunst unserer Zeit überhaupt ist, scheint so unmög-
lich, wie den menschlichen und künstlerischen Wert
eines solchen Daseins rein von einander lösen zu
sollen. Aus seiner Ganzheit muß ein Künstler begriffen
werden; wer dürfte dies mehr fordern als ein Klimt,
in dessen persönlichem Wesen schon so viele Wider-
sprüche ineinandergleiten. Wie seltsam steht sein
Bild — von der verehrenden Liebe einer kleinen Ge-
meinde überstrahlt, vom verständnislosen Haß eines
großen Haufens umschattet — vor der Erinnerung!
Ein altmeisterlicher Revolutionär, ein verfeinerter Natur-
mensch, ein Gemisch von Satyr und Asket, von Welt-
mensch und Mönch; ein großmütiger Egoist, mächtigen
Instinkten und äußerstem Raffinement hingegeben, ein
sinnlich übersinnlicher Freier auch um seine Kunst.

Ein Teil dieser Widersprüche stammt aus der
Eindringlichkeit, mit der Klimt, Deutschböhme von
Abstammung, Wiener Wesen in sich aufgenommen
hat und aus dem Abschnitt Wiener Malerei, in den
seinen Wirken fällt. Sein Jugendstil geht in der
gleißenden Dekorationsweise auf, der das wirkungsvolle
Blendwerk der Hasenauerschen Bauten den entsprechen-
den Rahmen bot; er hätte ein Virtuos dieser Epigonen-
kunst werden können, in der eine ermattete Tradition
schwächlich stagnierte, zog es aber vor, der Führer
der Künstler zu werden, die sich 1897 gegen diesen
jammervollen Stillstand erhoben. Was dieser Sezession
in ihren Jugendtagen die überraschende Kraft verlieh,
war der gierige Lufthunger, das tiefe Bedürfnis nach
innerer Erneuerung; bei keinem war es stärker als
bei Klimt, der alles Fremde inbrünstig an sich riß
und sich in raschem Wechsel mit zahlreichen Vor-
bildern und Anregungen aus der jählings entdeckten

internationalen Kunst auseinandersetzte. Raffinierte
Linienkunst und die farbige Verfeinerung des Impres-
sionismus locken den aus seiner früheren Bahn ge-
hobenen Künstler und verbinden sich in naturalistischen
Porträts anmutiger Mädchen und Frauen, in Landschaften,
zarten Naturstudien aus dem Salzkammergut, und in
allegorischen Darstellungen voll schwüler Symbolik
zu einem gärenden Übergangsstil, in dem die frühere
dekorative Sicherheit den neuen nicht völlig ange-
glichenen Idealen preisgegeben wird.

Seinen persönlichen Stil fand Klimt im Verlauf
der Arbeit an den Deckenbildern für die Universität,
dem einzigen großen offiziellen Auftrag, den er jemals
erhalten hat und der zu einer tiefen Kränkung für
den Künstler, zu einer gründlichen Schande für Auf-
traggeber und Empfänger, für Presse und Publikum
von Wien geworden ist. Vor dem höhnenden Pöbel-
geschrei um diese Bilder ist Klimt tief verletzt zurück-
gewichen, sie sind niemals an den Ort ihrer Bestimmung
gelangt; aber sie bleiben Marksteine seiner künstlerischen
Entwicklung. Die ersten beiden, die Medizin und die
Philosophie, gehören noch jener Stufe des Tastens an,
das dritte, die Jurisprudenz, zeigt den reifen Klimt; die
impressionistischen Anwandinngen sind überwunden,
die Aufgabe der Flächenfüllung wird mit erstaunlicher
Klarheit erfaßt. Nun braucht er die größte Kraft der
plastischen Erscheinung nicht mehrzu scheuen; die Leiber
verschwimmen nicht mehr im farbigen Nebel, sondern be-
sitzen eine scharfe Präzision, die aber nicht die Illusion
der Körperlichkeit erweckt; auf raumloser Fläche erblüht
die neue Wunderwelt Klimtscher Farben, deren bizarre
Leuchtkraft und mysteriöse Phantastik mit der impressio-
nistischenjagd nach Nuancen nichts mehr zu schaffen hat.

Diesen Stil hat Klimt in .der Folgezeit immer
zielbewußter ins Dekorative ausgebaut; immer hiera-
tischer wurde die Haltung der Figuren, immer toller
die bunte Pracht der Hintergründe, die wie ein Mosaik
aus Gold und schimmernden Kleinodien die Körperlich-
keit der Menschengestalt aufzehren; um dieselbe Zeit löst
sich auch in den Landschaften die Luft zwischen den
schlanken Stämmen zu rhythmisch rieselndem Gold-
regen auf und gleichen die Baumkronen den Zauber-
grotten juwelenschürfender Gnomen. Die Gefahr
dieser Richtung, ins Kunstgewerbliche zu verfallen,
war groß; vielleicht nicht so sehr für den Meister
selbst, der mit seinen allerletzten Werken zu größerer
Einfachheit zurückgekehrt ist und in ihnen zwingenden
Natureindruck mit dem aufs äußerste geläuterten de-
korativen Geschmack zwanglos verschmilzt, als für den
großen Kreis geringerer Begabungen, auf die er Ein-
fluß gewonnen hat. Der kunstgewerblichen Rührigkeit,
die in der Wiener Kunstgewerbeschule ihre Pflanzstätte
und in der Wiener Werkstätte ihr gewerbliches Zentrum
 
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