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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Kurth, W.: Lovis Corinth, Ausstellung der Berliner Sezession
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0134

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243 Lovis Corinth. Ausstellung der Berliner Sezession — Mitteilungen aus ausländischen Kunstzeitschriften 244

selbst aber hat er stets die Form der ruhenden Energie
gegeben. Sein Malertemperament entspringt nicht der
bloßen sensiblen Reizung der Sinne; mehr als ein
Element überschüttet es die Dinge, wirkend aus eigenem
Drang. So zwingt uns das schöne Selbstbildnis mit
dem Modell 1898 durch die breite Ruhe der Erschei-
nung, die nicht durch die Laune des Modells gestört
werden kann. Menschlich aber ergreifen die beiden
letzten Selbstbildnisse aus den Jahren 1917 und 1918
am meisten. Der Maler Corinth ist sparsam geworden,
er will dem tiefeindringenden Menschengestalter nicht
Hindernisse in den Weg legen und reißt sich die
Sinnenfreude selbst aus dem Herzen. Stumpfe Farbe
und kühles Licht; so scheint sich ein Altersstil anzu-
kündigen, der zur Verstärkung seiner Absichten auch
die übernatürliche Größe wählt. Der Pinsel streicht
imperativisch die Form herunter, die Summe eines
reichen Könnens ziehend. Wenn Max Liebermann ihn
bei der Eröffnung der Ausstellung von 1913, die
Corinth in der alten Sezession gewidmet war, den
Stolz des metier genannt hat, so kann dem Wort doch
nur bedingte Geltung zugesprochen werden. Über-
haupt hat das Wort für die Berliner Kunst nie eine
besondere Geltung gehabt — oft zum Schaden. Gewiß
hat Corinth ein metier wie nur wenige, aber sein
besonderer Vorzug ist, daß das metier nicht ihn
hat. Pinsel- und Palettengeschmack hat er nie son-
derlich gepflegt. Um des Raffinements willen hat
er nie Farben oder Oberflächen arrangiert. Hierin
ist er freier und redlicher als manchmal Slevogt.
Seine Sicherheit, zu modellieren mit der Farbe, hat
er nicht von irgendeinem System von Pinsellagen
abhängig gemacht, mit denen man den opaken
Schimmer einer besonderen Farbenhaut erzielen kann.
Wenigstens hat er alle diese Vorzüge eines metier
aufgegeben, als er in Berlin eintrat und den Mut
fand, ehrlich zu sein. Sein Malhandwerk liegt nicht
in der Reihe der Feinarbeiter. Schlachten hat man
es genannt, wobei man gut täte, nicht den Nachdruck
auf die Wucht des Hiebes zu legen, als auf die Lust
an hellen saftigen Tönen und einem irisierenden Spiel
von farbigen Reflexen. Nie ist es ihm so sehr dar-
auf angekommen, seine Farbenskala impressionistisch
einzubinden, so sehr er auch den silbrigen Ton oft
geliebt hat. Er ist mehr Meister der kleinen Takte.
Große Harmonien werden oft leer oder fallen aus-
einander. Aber jener oder dieser Teil wird von einer
Meisterschaft getragen, die ganz selten im 19. Jahr-
hundert ist. Als Ganzes will sich z. B. das Bild von
der Riviera 1911 nicht binden. Das Spiel der Re-
flexe auf dem Putz des Hauses aber geht weit über
Menzel hinaus in dem unmerklichen Spiel flüchtiger
Reflexe. Die Nuancen der Mitteltöne, das ist sein
eigentlichstes Register; wenn er starkfarbig wird, wird
er oft bunt und dekorativ, wie in dem großen Blumen-
stilleben mit der Maske des sterbenden Sklaven von
Michelangelo, so bedeutend auch der Wurf des Ganzen
sein mag. Von diesen freudigen Schönheiten wendet
er sich in seinem letzten Selbstporträt von der Staf-
felei 1918 ganz ab. Er wird monochrom. Soll man
hier an den Spätstil von Franz Hals denken. Auch die

seelische Vertiefung ist vorhanden. Wünschen wir ihm,
daß es ihm gelingt, die große Note eines souveränen
letzten Stils zu erreichen, wünschen wir ihm die feste
Hand für den Pinsel, der den Mut hat, das heitere sinn-
liche Spiel reicher Mittellagen zu übergehen. Das Auge,
das einst mit reinster Sinnenfreude die Dinge ergriff,
scheint weitere Fernen zu suchen. w. KURTH.

MITTEILUNGEN AUS AUSLÄNDISCHEN
KUNSTZEITSCHRIFTEN

Die Juli-Nummer des Studio eröffnet ein Aufsatz
von Arthur Finch über Joseph Southhall, einen modernen
englischen Maler, der verschiedene Wandmalereien ge-
macht hat; und auch für seine Tafelbilder benutzt er
Temperafarbe. Seine Arbeit ist sehr vielseitig: teils gibt
er mythologische oder anekdotische Szenen im Stile
Rossettis und Burne-Jones; daneben stehen moderne
Stadtansichten, Genrebilder und Landschaften. Der
Schwarz-und Weiß-Reproduktion nach ist der »Hafen«
ein Bild von außerordentlicher Schönheit, das in
seiner dekorativen Wirkung an die japanische Kunst
denken läßt. Sieht man aber die beiden farbigen
Reproduktionen an, so fühlt man sich wieder ent-
täuscht. Im allgemeinen sind seine Gemälde zu flach
und entbehren der Tiefe. Southhall hat seine Arbeiten
mehrere Male im »New English Club« ausgestellt, in
Paris scheint er aber doch mehr bekannt zu sein als
in seinem eigenen Lande.

Man hat die Absicht, in Antananarivo, Hauptstadt
der Insel Madagaskar, ein Monument für General
Gallieni, ehemaligen Gouverneur der Insel, zu er-
richten. Die Spesen sollen aus freiwilligen Spenden
bezahlt werden. Bis ein Jahr nach Friedensschluß
kann dafür subkribiert werden.

Die neunte Ausstellung schottischer Kunst, die
dritte, die während des Krieges abgehalten wird, hat
nach A. Eddington bessere Gemälde aufzuweisen, als
es gewöhnlich der Fall ist. Die reproduzierten Werke
von Lawton Wingate, Sir James Guthrie, W. S. Mag-
george, E. A. Walton, Fiddes Watt, John Duncan
machen zwar einen angenehmen und vornehmen Ein-
druck, aber etwas Neues zeigen sie nicht.

George C. Williamson setzt die Reihe seiner Auf-
sätze über Miniaturbildnisse in der Sammlung Pierpont
Morgan fort. Diesmal wird das Porträt des Schrift-
stellers Leigh Hunt besprochen und abgebildet, das
Morgan mit noch einigen anderen Miniaturen von
der Familie Hunt gekauft hat. Der Maler des Stückes
ist unbekannt. Man hat es dem Maclise zugeschrieben,
und nach der Meinung des Verfassers sieht es dessen
Arbeiten auch wohl ähnlich.

Die Pennsylvania Academy hat ihre 112. Ausstellung
in Philadelphia abgehalten. Im Studio sind reproduziert:
ein Selbstbildnis des verstorbenen Malers William M.
Chase, das Porträt von Mrs. K. von Sargent, »Miß
Gladys Wiles« von Irving R. Wiles, ein »Wintermorgen«
von Jonas Lie, eine Ansicht von New York von
Leon Kroll, und von Plastiken die »Alpenblume«, eine
Frauenfigur von Attilio Piccirilli und eine Porträtbüste
des Bildhauers Bartlett von Charles Grafiy.
 
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