Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

DOI Artikel:
Kurth, W.: Ausstellung in der freien Sezession Berlin
DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0190

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
355

Ausstellung der Freien Sezession Berlin — Nekrologe —

Personalien

356

müht, vermag die wirksamere Note Hübners nicht zu
befriedigen. Daß dieser Gruppe, zu der auch Kar-
dorf u. a. noch hinzutreten, W. Rösler genommen
worden ist, ruft wieder aufrichtiges Bedauern hervor.
In ihm war wirklich ein Stück Tradition frei und
selbstbestimmend geworden. Sein »Weg im Grünen«
darf das einfache Rodin-Citat der Geleitworte für sich
in Anspruch nehmen: »Der Künstler .sieht': sein Auge,
in engster Verbindung mit seinem Herzen, dringt tief
in den Schoß der Natur.« Von Liebermann selbst
sieht man neun Porträts: ein schönes Selbstporträt von
ruhiger, fast skeptischer Gelassenheit in einem fahlen
weißgrauen Licht, das ausdrucksvoll die Stimmung
begleitet. Wenn er den Ausdruck der Menschen nicht
in einem überraschenden Moment seiner ganzen Hal-
tung zu fassen vermag, will sich für seine Porträt-
kunst nicht allemal der zwingende Eindruck einstellen.
Nur in der Haltung des Kopfes des Generalfeldmar-
schalls Bülow, der wie ein Adler vorstößt, und in
der eigentümlichen Versunkenheit des Herrn H. mit
den flackernden Augen genießt man die ganze Stärke
eines unmittelbaren Erlebnisses. In Farbe und Licht
geht dieser letzte Stil mehr auf tonale Bindung aus,
so daß die Farbe oft nur wie ein Nachtrag zur Form
aussieht. Nur in einer Gartenansicht seines Hauses
in Wannsee lebt die ganze Frische seines Malerauges.
In dieser Umgebung vermag die anspruchslosere Natur-
empfindung des alten Hagen aus Weimar ihre Reize
nicht voll zu entfalten. Von einem anderen, nun bald
Achtzigjährigen, wie sich Thoma selbst in dem wohl-
wollend ausgleichenden Dankesbrief auf die Ernennung
zum Ehrenmitglied der Freien Sezession nennt, sieht
man die großen Bilder aus dem Jahre 1887, die »Mu-
sikanten« und das »Beschauliche Dasein«, welche einen
Raum in Frankfurt schmückten. Bei aller Absichtlosig-
keit auf dekorative Bindung stimmt Form und Farbe
vortrefflich zusammen. Besonders ist die Einfachheit
der Zeichnung in den Köpfen von einer lockeren
Freiheit, die jedem Stilzwang dekorativer Wirkung
ausweicht. Und die Schilderung der deutschen Klein-
stadtfamilie auf dem großen Altan des Hauses, wie
der Vater raucht, die Mutter strickt, die Kinder sich
erzählen und Katz und Hund nicht fehlen, rückt von
der spießigen Genremalerei ganzer Jahrzehnte meilen-
weit ab, nicht nur durch die anschauliche Gestaltung,
mit der die Einheit dieser Gruppe gefühlt ist, son-
dern auch durch die Aufrichtigkeit der Gesinnung.

Am Schluß aber kehrt man zu dem zurück, dessen
Kunst den Besucher am Eingang grüßt. Wilhelm
Trübner ist dort ein Saal gegeben worden, um seinet-
willen hat die Ausstellung ihren Wert. Zur selben
Stunde steht beim Auktionshaus Lepke - Berlin sein
Nachlaß mit hundertundsiebzig Bildern zur Schau,
der noch besser als dieser Saal das gesamte Werk
und dessen Entwicklung übersehen läßt (dessen Be-
sprechung der Leser im Kunstmarkt dieser Nummer
findet). Hier in der Sezession hängt ein Selbstbildnis
in Rüstung. Es wirkt wie das Titelblatt zu seiner
Biographie. Von vorn gesehen, mit unbeweglichen
Mienen, festen Blicks geradeaus sehend. Eine Glut
glimmt hier unter der Asche: Die Leidenschaft, die

auch jeder grandiosen herben Einseitigkeit innewohnt.
Ein Damenporträt mit Rose hängt zur Seite. Auch
hier spricht der Mensch nicht mit uns, obwohl die
Augen uns durchbohren wollen. Wie sein Handwerk
nie seinem Material irgendwie geschmeichelt hat, so
hat er seinen Menschen nie erlaubt, sich auf die weichen
Reflexe innerer Stimmungen zu betten. So stand er
auch vor der Natur. Wo andere mit holder Schwärmerei
vom lustigen Spiel eines jungen Buchenwaldes gesungen
haben und das Schauen zum Träumen werden ließen,
bleibt er der fest und Geradausblickende, wie auf dem
Selbstbildnis. Und noch seine Stilleben haben seinen
festen, unbeirrbaren Blick. Neben dem Früchtestilleben
in diesem Saal wirkt ein Stilleben von Schuch wie
feiner Kunstgesang neben Naturgesang. Nicht eine
Sekunde hat er der Palette erlaubt, ein Witzchen zu
machen, sei es noch so geistreich. Wie andere einen
Freskostil ohne Formenstilisierung hatten, so hatte
dieser männliche Charakter einen Malstil ohne male-
rischen Stil. W.KURTH.

NEKROLOGE
In Wilhelm Grohmann, dem viele Freunde am
Mittwoch das letzte Geleit gaben, hat das traditionelle
Berlin eines seiner letzten Originale verloren. 1835 in
Berlin geboren, wuchs er als Kupferstecher in die großen
Jahrzehnte des einst so gefeierten Reproduktionsstiches
hinein, die ihn selbst aber nicht mit emportrugen. Erst
sein Duzfreund Anton v. Werner setzte ihn als Bibliothekar
an der akad. Hochschule an die Stelle, die ihn zu einem
der wunderlichsten Originale werden ließ, die die Jüngeren
aus dem nachmärzlichen Berlin noch kennen lernen konnten.
Er verwaltete sein Amt mit allen jenen Tugenden, die nur
der schätzen kann, der eine Bibliothek für eine schöne
Sammlung ohne Lesezweck hält. Den jüngeren Akade-
mikern rief er spöttisch lächelnd zu: »Wollen Sie denn
wirklich das Buch lesen, na nehmen Sie man, Bilder sind
ja auch noch drin«. Oft mag dieser Spott richtig gesessen
haben. Er brauchte nicht zu lesen. Zwei Generationen
hatte er an sich vorübergehen sehen, war Freund von
Menzel, Skarbina. Und wenn die Lexika Thieme-Becker,
Müller-Singer versagten, bei ihm Auskunft über einen
Berliner Maler zu erhalten, konnte man sicher sein — aber es
war kein leichter Gang. Im alten Berlin in der Linien-
straße wohnte er im dunklen Zimmer: eine Type von
Hasenclever. Wenn er Memoiren geschrieben hat, so
könnten sie den ganzen genrehaften Reiz der Zeiten haben,
die er durchlebt hat. w.K.

Der Maler Adolf Fischer-Gurig ist am 22. Mai in

Dresden gestorben. Er war 1860 in Ober-Gurig bei
Bautzen geboren, besuchte von 1880—83 die Dresdener
Kunstakademie und arbeitete bis 1887 als Meisterschüler
bei dem berühmten Gebirgslandschafter Karl Ludwig in
Berlin. Später hat sich dann der Künstler in Dresden
niedergelassen und hier seinen Wirkungskreis gefunden.
Seine Gemälde sind in verschiedenen sächsischen Samm-
lungen anzutreffen.

Der Düsseldorfer Maler Richard Hoffmann ist bei den
letzten Kämpfen im Westen im Alter von 37 Jahren gefallen.

PERSONALIEN

Der Münchener Bildhauer Ludwig Giß ist als Lehrer
für Kleinplastik an die Kunstgewerbeschule in Berlin be-
rufen worden.
 
Annotationen