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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Galeriefreunde
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Öffentliche Kunstpflege - Luxussteuern
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0207

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Galeriefreunde — Öffentliche Kunstpflege. Luxussteuern

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liehen Satzungen errichteter Bund hat sich in Bremen
zusammengeschlossen. Nur daß in diesem Falle die
erworbenen Kunstwerke im Besitz der Vereinigung
bleiben und an die Mitglieder verlost werden sollen
mit der Maßgabe, daß der Galerie das Recht verbleibt,
nach Ablauf von zehn Jahren jedes Werk, das sie
wünscht, zum Einstandspreise für sich zu erwerben.

Der Grundgedanke ist beide Male der gleiche.
Es soll ein Vorrat geschaffen werden, aus dem im
Laufe der Jahre ein Museum moderner Kunst ent-
stehen kann. Es soll der öffentlichen Galerie, die
immer schwerer beweglich sein wird als die Privat-
sammlung, eine Möglichkeit eröffnet werden, beizeiten
zuzugreifen und sich Werke zu sichern, die nach Ab-
lauf einiger Jahre erfahrungsgemäß weniger leicht und
nur um einen unverhältnismäßig höheren Preis zu
erreichen sind. Es soll zu dem Zwecke einerseits dem
Galerieleiter die Last der Verantwortung vor der Öffent-
lichkeit abgenommen oder doch erleichtert, und ander-
seits ihm ermöglicht werden, durch endgültige Nach-
prüfung, für die ein Spielraum von einigen Jahren
belassen wird, etwaige Irrtümer auszuscheiden.

Von extremer Seite will man in dieser Vorsicht
eine Art Feigheit sehen. Aber man vergißt dabei, daß
die öffentliche Galerie sich in der Tat der modernen
Kunst gegenüber nicht in der gleichen Lage befindet
wie der Privatsammler. Es ist nicht immer möglich,
unter den vielfältigen Erscheinungen des Tages mit
Sicherheit sogleich das Wertvolle von dem minder
Wichtigen zu scheiden. Wie es vorkommen wird, daß
die neuere Produktion eines Künstlers seine früheren
Werke in den Schatten stellt, so kann es sich ergeben,
daß die wesentliche Erscheinung innerhalb einer Gruppe
erst im Verlaufe der Jahre klarer sich herausstellt.
Nur unverbesserliche Optimisten und Besserwisser
werden behaupten wollen, daß Irrtümer ausgeschlossen
sein sollten und könnten.

Der Privatsammler hat es verhältnismäßig leicht,
begangene Fehler wieder gut zu machen. Er ist in
der Lage, ständig auszuscheiden, um das Niveau seiner
Sammlung zu heben. Eine öffentliche Galerie kann
und darf das nicht, und es wäre falsch, ihr in dem
besonderen Falle diese Befugnis zu erteilen, da ein
ständiges Kommen und Gehen der Kunstwerke die

Folge wäre, und jeder neue Leiter in die Versuchung
käme, wieder zu zerstören, was sein Vorgänger auf-
gebaut hat.

Aus diesem Grunde ist es wohl ein guter Ge-
danke, die endgültige Entscheidung über die Aufnahme
noch problematischer Werke auf eine Reihe von Jahren
hinauszuschieben. Es scheint uns, daß nach den
Erfahrungen der letzten Zeiten der weite Spielraum
von zehn Jahren durchaus notwendig ist. Dagegen
hat das System, das man in Bremen gewählt hat,
gewisse Schattenseiten. Es ist entschieden vorteil-
haft, die Tätigkeit der Vereinigung von Anfang an
auch dem Urteil der Öffentlichkeit zu unterbreiten
und gleichzeitig damit eine ständige Ausstellung
moderner Kunst zu schaffen, anstatt die Ankäufe zu-
nächst in Privaträumen verschwinden zu lassen. Auch
bedeutet es eine empfindliche Härte, wenn der, der
das gute Los gezogen hatte, nach zehn Jahren ge-
zwungen sein soll, einen lieb gewordenen Besitz
wieder herzugeben. Uneigennütziger sind die Statuten
der Dresdner Vereinigung. Aber vielleicht verbürgt
der Anreiz des Mitbesitzes an den Erwerbungen den
Satzungen des Bremer Bundes die stärkere Werbekraft.

Beide jedenfalls dürfen als glückliche Versuche
begrüßt werden, die wohl der Nachahmung auch an
anderen Stellen wert sind. Daß hierbei in erster Reihe
an Berlin gedacht werden muß, bedarf kaum der Er-
wähnung. Die Schwierigkeilen für den Leiter der
Nationalgalerie sind, wie jedermann weiß, noch größer,
als sie jedem Direktor einer Sammlung zeitgenössischer
Kunst erwachsen müssen. Und daß gerade die Ga-
lerie der Reichshauptstadt ins Hintertreffen geraten
ist, bleibt ebenfalls kein Geheimnis. Eine Auffrischung
täte dringend not. Gewiß ist der Platz beschränkt,
und es ist kaum abzusehen, wo innerhalb des immer
enger werdenden Hauses noch Raum für die Jüng-
sten geschaffen werden soll. Aber das darf auf die
Dauer kein Grund sein, an einer selbstgewählten
Grenze halt zu machen und sich neu auftretenden
Erscheinungen zu verschließen. Die Raumfrage kann
ohne Schaden einer späteren Lösung vorbehalten
bleiben. Nicht ebenso die Frage der Sammlung
selbst. Und für diese dürfte das Beispiel von Bremen
und Dresden wohl zur Nachahmung locken.

ÖFFENTLICHE KUNSTPFLEGE
LUXUSSTEUERN

Es ist nicht leicht, den notwendigen Ernst zu be-
wahren, wenn unsere Volksvertreter von Kunst zu
reden glauben. Man ist in Versuchung, eine Satire
zu schreiben. Aber man soll dieser Versuchung wider-
stehen, da es sich doch um Dinge handelt, die nicht
gar zu leicht genommen werden dürfen. Aber wenn
einer der Herren im gleichen Atem die Berliner
Musikkritik von der Rednertribüne des Abgeordneten-
hauses aus in Bausch und Bogen der Oberflächlich-
keit zeiht und behauptet, »es werfe ein gutes Licht
auf den gesunden Kern unseres Volkes«, wenn das
— sage und schreibe »Dreimäderlhaus« in Berlin
hintereinander 850 Aufführungen erlebte, so hat man

allerdings nur die Wahl, entweder zu lachen oder zu
weinen. Der Zentrumsabgeordnete Dr. Heß hat seinen
Namen durch dieses Kunsturteil unsterblich gemacht.
Aber auch von den übrigen Herren hörte man nicht
gerade Worte, die von einem Verständnis für das,
was unserer Kunst frommt und nottut, zeugten. Ob
in dem Falle Paul Cassirer ein Mißgriff vorlag, wollen
wir nicht entscheiden, da über die Einzelheiten noch
immer keine Klarheit herrscht. Jedenfalls sind wir
überzeugt, daß er besser geeignet war, eine Aus-
stellung deutscher Kunst in der Schweiz zu organi-
sieren, die der deutschen Sache dienlich sein konnte,
als Herren, deren Standpunkt in der ganz unsach-
 
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