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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Öffentliche Kunstpflege - Luxussteuern
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Kurth, W.: Hans Purrmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0208

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Öffentliche Kunstpflege. Luxussteuern — Hans Purrmann

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liehen Phrase beschlossen ist, »die Künstler sollten
mit der Nachahmung undeutscher Fremdkunst auf-
hören«. Wer so ahnungslos von Fremdkunst fabelt,
beweist nichts anderes als seine eigene Kunstfremd-
heit. Jedenfalls zeugt es aber nicht gerade davon, daß
unsere Volksvertreter sehr tief in die Materie einge-
drungen sind, die sie verhandeln, wenn ihr Interesse an
moderner bildender Kunst einzig und allein durch einen
zur Sensation aufgebauschten Sonderfall absorbiert wird.

Darf man angesichts des Niveaus dieser Verhand-
lungen im preußischen Abgeordnetenhause von den
Herren im Reichstage Verständnis für die Notwendig-
keiten der Kunst erwarten? Man wagt nicht viel
zu hoffen. Aber man darf darum nicht schweigen.
Und jeder, der das kommende Unheil sieht, ist ver-
pflichtet, seine Stimme zu erheben gegen die Er-
drosselungssteuer, mit der dem Kunsthandel der Garaus
gemacht werden soll.

Wir haben hier kürzlich gegen den absurden
Plan einer Besteuerung des Kunstbesitzes protestiert.
Jetzt erfährt man, daß in den Kommissionsberafungen
die Luxussteuer auf Kunstverkäufe der für Gold und
Juwelen gleichgestellt und auf 20 Proz. erhöht worden
ist. Daß damit das erträgliche Maß weit überschritten
wird, daß der ehrliche Kunsthandel vernichtet werden
würde, bedarf kaum einer Erklärung. Es würden
dem Schleichhandel mit Kunstwerken, der jetzt schon
zur Genüge in Blüte steht, Tür und Tor geöffnet
werden, und statt der Gesundung, die man erzielen
zu wollen vorgibt, würde man nur eine völlige Ver-
rottung des Handels erreichen.

Aber das nur nebenher. Wir wollen nicht auf
die Folgen eines Gesetzes eingehen, das hoffentlich
niemals Wirklichkeit wird, wir wollen nur seine Un-
gerechtigkeit und einseitige Kunstfeindlichkeit zeigen
und die gesetzgebenden Faktoren auf andere und viel
ertragreichere Steuerquellen hinweisen. Es ist schon
mehrfach betont worden, daß eine Luxussteuer, die
Gegenstände unter 300 Mark freiläßt, geradezu als
Begünstigung des Kitsches wirken muß und zugleich
ohne Grund sich die reicheren Erträge verschließt.
Daß soziale Gründe dafür sprechen sollten, den Luxus
des kleinen Mannes freizulassen, ist ein ganz ver-
kehrter Gesichtspunkt, da es einerseits viel wichtiger
wäre, die wahren Kulturgüter zu schütten, anderseits
jede Luxusausgabe, d. h. jede Ausgabe, die den eigent-
lichen Bedarf des Lebens überschreitet, in gleichem
Maße abgabefähig ist. Exzellenz v. Bode hat in einem
sehr beachtenswerten Aufsatze in der Vossischen Zeitung
diesen Gesichtspunkt betont und ebenso mit Recht
eine Ausdehnung der Besteuerung auf Verkäufe Privater
sowie auf die der Künstlervereine vorgeschlagen.

In der Tat zeugt es von Kurzsichtigkeit, wenn man
immer nur an die doch nur ausnahmsweisen Riesenge-
winne einzelner Kunsthändler denkt, wenn die Blicke
wie gebannt an einem Sonderfalle wie der Auktion
Kaufmann haften, wie in den Verhandlungen des Ab-
geordnetenhauses an dem Falle Paul Cassirer. Auch
hierin offenbart sich die gleiche Kunstfremdheit, die
in Kunstfeindschaft auszuarten droht. Warum in aller
Welt denkt man immer nur an die Werke bildender

Kunst? Werke der Dichtkunst und der Musik sind
nicht minder Gegenstände des Handels, und trotz der
Vorliebe des Herrn Dr. Heß für das Dreimäderlhaus
sehen wir keinen Grund, warum die Autoren und
Theaterdirektoren in einem solchen Falle frei aus-
gehen sollten. Es ist sehr begreiflich, daß die Herren
fürchten, mit ihrer Luxussteuer zu kleine Beträge zu
erzielen. Aber wir sagen ihnen voraus, daß sie mit
der mechanischen Verdoppelung des Steuersatzes nicht
eine Erhöhung, sondern auf die Dauer im Gegenteil
eine Verminderung des Steuerertrages bewirken würden.
Sie sollten sich stattdessen zu einer Herabsetzung des
Satzes entschließen, dafür aber gleichmäßig alle Kunst-
erzeugnisse einbeziehen, wenn nun einmal Geld her-
beigeschafft werden muß, und es zu dem Zwecke
unerläßlich ist, die Kunst als Luxus zu besteuern.
Jedes Druckwerk, Literatur wie Musik, jede öffentliche
Aufführung, Theater wie Konzert, sollte und müßte
von der Luxussfeuer erfaßt werden. Oder ist es
unseren Gesetzgebern entgangen, daß auch auf diesen
Gebieten die Preise außerordentlich gestiegen und
sehr große Gewinne erzielt worden sind? Es ist auch
keineswegs notwendig, vor den Erzeugnissen lebender
Künstler halt zu machen. Zum Ausgleich aber stände
es dem Staate frei, die Rechte verstorbener Autoren
für sich in Anspruch zu nehmen. Es ist eine oft
gehörte Klage, daß die tantiemefreien Werke der
Toten für die Lebenden eine unerträgliche Konkurrenz
bilden. Und die Klassikeraufführungen gewisser
Bühnen verdanken ihr Dasein durchaus nicht ledig-
lich dem Idealismus der Direktoren. Hier sind Steuer-
quellen, die es zu erfassen gilt. Ebenso wie auf
Werke fremder Autoren eine Sondersteuer gelegt
werden könnte, wenn überhaupt von einem Kunst-
einfuhrzoll die Rede sein soll. Nicht die paar Bilder
französischer Maler, mit denen wir vor dem Kriege
unseren nationalen Kunstbesitz in sehr erfreulicher
Weise vermehrten, rechtfertigen diesen Einfuhrzoll,
wohl aber die zahllosen französischen Schwänke und
Ehebruchskomödien, mit denen unsere Bühnen über-
schwemmt wurden. Und welche Steuer die höheren
Erträge verheißt, bedarf kaum der Erwähnung.

Wir verlangen keine Ausnahmebegünstigung für
die bildende Kunst in einer Zeit, in der alles und
jeder bereit sein muß, Opfer zu bringen. Aber wir
protestieren gegen eine Ausnahmebesteuerung, die
ebenso kunstfeindlich wie ungerecht wäre. Darum
erheben wir immer wieder unsere Stimme, und wir
hoffen, daß dieser unser Ruf nicht ungehört verhallt.

HANS PURRMANN

Das Glück eines freien Talentes ist in der letzten
Zeit wenig gewertet worden. Wo Wille und Problem
das künstlerische Temperament zu höheren Energien
aufrufen möchten, geraten Anlage und Erfahrung
leicht in die bloß äußerlichen Schichten der künst-
lerischen Struktur. Vor der Kunst Hans Purrmanns,
die in einer Kollektivausstellung im Salon Cassirer-
Berlin zum ersten Male ihre Entwicklung in fünfzehn
Jahren aufzeigt, könnte ein schwankendes Vertrauen
 
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