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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Der Verkauf eines Rembrandt an das Ausland durch die Stadt Colmar
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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXIX. Jahrgang 1917/1918 Nr. 38/39. 19. Juli 1918

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 10 Mark.
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Das nächste Heft der »Kunstchronik« (Nr. 40) wird Ende August erscheinen

DER VERKAUF EINES REMBRANDT AN DAS AUSLAND
DURCH DIE STADT COLMAR

Aus Schweden kommt uns die Nachricht, daß ein
bekannter Stockholmer Sammler Rembrandts Frauen-
bildnis mit dem Hunde, das dem Colmarer Museum
gehörte, erworben hat. Es kann leider kein Zweifel
an der Richtigkeit dieser beinahe unglaubhaft klingen-
den Kunde bestehen. Das herrliche Spätwerk des
Rembrandt, das zu den schönsten des Meisters in
deutschem Besitz zählte, ist uns für immer verloren.
Wer einmal nach Colmar gereist ist, um den Isen-
heimer Altar des Orünewald zu bewundern, erinnert
sich der Überraschung, die er angesichts dieses Bild-
nisses dort erlebte, das so fremd in seiner Umgebung
stand und vielleicht gerade darum doppelt eindrucks-
voll berührte.

Wie es möglich war, daß dieses Werk veräußert
werden konnte, ist eine Frage, die nicht nur die
Museumsleitung, nicht nur die Colmarer Bürgerschaft,
die vielmehr die gesamte Öffentlichkeit in Deutschland
angeht, und auf die eine Antwort gefordert werden
muß. Es soll mit dieser Frage keineswegs ein Zweifel
an dem rechtlich einwandfreien Wege des Verkaufs
geäußert werden. Aber einmal sind die Besitzverhält-
nisse des Colmarer Schongauer-Museums, das einem
lokalen Kunstverein untersteht, an sich zweideutiger
Natur, da unmöglich zugegeben werden kann, daß
wertvollste nationale Kunstschätze, zu denen doch
nichts geringeres als der Altar des Grünewald zählt,
der Willkür eines Vereinsvorstandes oder auch nur
einer Gemeindeverwaltung preisgegeben sind, die sie
nach Gutdünken zu veräußern in der Lage wäre.
Zum anderen hätte wohl in einem solchen Falle, wenn
denn zwingende Gründe vorgelegen haben sollten,
zum Verkaufe zu schreiten, der Versuch gemacht werden
müssen, das Werk für Deutschland wenigstens zu er-
halten. Man hat gesehen, wie in England durch öffent-
liche Subskription Meisterwerke besonderen Ranges vor
der Abwanderung nach dem Auslande bewahrt wurden,
und es hätten sich wohl auch in diesem Falle Mittel
und Wege finden lassen, einen unersetzlichen Rem-
brandt für Deutschland zu retten.

Es ist jetzt so viel die Rede von einem Ausfuhr-
verbot für Kunstwerke. Wir sind die letzten, einem
solchen Gesetze das Wort zu reden, das in seinen
Folgen zu einer Stagnation des Kunstbesitzes führen
müßte, die keineswegs günstig für Deutschland wäre.
Aber der Fall des Colmarer Rembrandt ist wohl ge-
eignet, denen als Argument zu dienen, die für das Gesetz
eintreten. Wir betonen noch einmal, daß wir selbst I

| keineswegs daran denken, diese Konsequenz aus der
Angelegenheit zu ziehen. Aber die Öffentlichkeit hat
ein Recht, sich zu beunruhigen, wenn ihr ohne ihr Wissen
und Zutun ein Besitz entzogen wird, an den sie ein
wohlbegründetes Anrecht zu haben glaubt.

Das Colmarer Museum ist geschlossen, weil die
Stadt in der unmittelbaren Gefahrzone des Krieges
gelegen ist. Sein Besitz wird in den Vorratsräumen
der Münchener Pinakothek verwahrt und steht so zur-
zeit außerhalb jeder öffentlichen Kontrolle. Diese
Umstände begünstigten die Veräußerung, denn man
hätte es schwerlich unternommen, aus einem öffent-
lichen Museum eines Tages ein Hauptwerk zu ent-
fernen, um es nach dem Auslande zu verkaufen. Man
hätte mit Recht die entrüsteten Proteste der Öffent-
lichkeit gefürchtet. Unter den jetzigen Verhältnissen
war man vor solchen sicher. Um so schlimmer aber,
daß man in aller Heimlichkeit einen so schwerwiegen-
den Entschluß faßte. Es wird wohl das billige Ar-
gument ins Feld geführt werden, ein Rembrandt sei
in einem Museum, dessen Aufgabe es sei, den lokalen
Kunstbesitz zu bergen, nicht recht an seinem Platze,
und man wird sich damit rechtfertigen, daß es so er-
möglicht wurde, zwei Holzfiguren, die zum Isenheimer
Altar gehörten, für Colmar zu sichern. Aber beide
Gründe sind nicht stichhaltig. Und wenn man sie
gelten läßt, so bleibt immer noch der schwerwiegendste
Vorwurf, daß nicht der Versuch gemacht wurde, um
jeden Preis doch dieses Werk für Deutschland zu er-
halten, sondern daß es mehr oder minder heimlich
auf den Weg ins Ausland gebracht wurde.

Darum ist es notwendig, den Fall in aller Öffent-
lichkeit zu erörtern, und auch um zu warnen, daß
anderwärts ähnliches geschehe. Für manche Gemeinde,
die an den Lasten des Krieges schwer zu tragen hat,
mag es ein verlockender Gedanke sein, sich an ihren
Kunstsammlungen zu vergreifen, um sich, wie so viele
Privatleute es tun, die günstige Konjunktur zu nutze
zu machen. Aber der Besitz eines öffentlichen Museums
gehört zum Gemeingut der Nation und darf nicht
zum Handelsgut erniedrigt werden. Wir haben eine
Denkmalspflege, und diese sollte zur Stelle sein, nicht
nur, wo es gilt, ein wertvolles Bauwerk vor dem Unter-
gange zu bewahren, ein Naturdenkmal vor der Zer-
störung zu schützen, sondern jedes Kunstwerk, das
an öffentlicher Stelle verwahrt wird, auch der Öffent-
lichkeit zu erhalten.

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