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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0245

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465

Neuerwerbungen der Londoner Museen — Ausstellungen

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England geraten würden. Das Unerwartete ist geschehen;
und zwei von den Grabplatten von einer Länge von 9 Fuß
und einer Höhe von 3 Fuß, wie sie in dem Werke von
Chavannes »Sculpture sur Pierre en Chine« abgebildet sind,
befinden sich jetzt im British Museum. Die Zeichnungen
in schwachen Umrissen stellen Tänze und zeremonielle
Szenen im Stile der Denkmäler von Hiao T'ang Chan dar
(Chavannes, Tafel 39 ff.). Schwierigkeiten bieten diese
Monumente, besonders das interessantere der zwei der
photographischen Reproduktion; denn da die Platten durch
Wasser und Schlamm, die infolge der Überschwemmungen
im Laufe der Jahrhunderte ihren Weg darüber genommen
haben, sehr abgeschliffen sind, so wird eine Photographie
von den ausgearbeiteten Zeichnungen nur ein schwaches
Bild geben können. Außer diesen Steinplatten empfing die
Sammlung noch als Geschenk die lebensgroße Figur eines
sitzenden Tigers, wahrscheinlich aus der T'ang-Periode, und
eine Reihe Architekturfragmente, von denen einige den
Daten nach zu schließen aus der Sung-Periode stammen.

Die Gandhara-Skulpturen wurden um einige charakte-
ristische Proben vermehrt, die aus der Sammlung Hope
von Deepdene stammten, wo man dergleichen nicht ver-
mutet hätte. Wenn sie in derselben Zeit nach Deepdene
gelangten wie die übrigen Gegenstände dieser Sammlung,
so müssen sie ziemlich die frühesten Proben gräko-indi-
scher Kunst sein, die nach England gekommen sind. Das
Hauptstück dieser Gruppe ist der Kolossalkopf eines Bodd-
hisattva, ein ungewöhnlich gutes Beispiel der lieblichen
Würde, die den besten der Gandhara-Typen eigen ist.

In der Abteilung der Münzen und Medaillen ist wahr-
scheinlich die vom künstlerischen Gesichtspunkt wichtigste
Erwerbung ein hervorragendes Exemplar des silbernen
Vierdrachmenstückes des Königs Seleukus von Syrien (312
—280). Die Typen sind die von Alexander dem Großen
eingeführten: der Kopf des jungen Herakles mit einem
Löwenfell und die sitzende Figur des Zeus, seinen Adler
haltend. Aber die Aufschrift und die mehr untergeordneten
Attribute der Rückseite zeigen, daß die Münze nach 306
in den östlichen Provinzen des Reiches und wahrschein-
lich in Babylon geschlagen wurde; und es ist interessant
an diesem Exemplar, das beinahe so frisch ist, als ob es
eben geprägt wäre, zu beobachten, daß die Gesichts-
züge des Zeus, fein ausgeführt wie sie sind, deutlich ein
orientalisches Cachet tragen. Einige schöne Beispiele der
Münzproduktion eines Zeitgenossen von Seleukus, des
Thrakerkönigs Lysimachus (323—281) sind zwei noch ganz
frische goldene Stater,die aus einem kleinen Schatz stammen,
der irgendwo in Mazedonien gefunden ist.

Unter den mittelalterlichen Münzen verdient Erwähnung
ein Exemplar des goldenen »Parisis« Philipps VI. von Frank-
reich. Der König sitzt auf einem Baldachin, das Zepter und
die Hand der Gerechtigkeit haltend, seine Füße ruhen auf
zwei liegenden Löwen — eine schöne Probe der franzö-
sischen Medaillenkunst aus der Mitte des H.Jahrhunderts.
Auch eine moderne deutsche Kriegsmedaille gelangte in
den Besitz des Museums, und zwar, wie das Burlington
Magazine bemerkt, »eine der außerordentlich spärlichen
Medaillen, die in dem gegenwärtigen Kriege in Deutschland
entstanden sind, welche eine Art von künstlerischer
Qualität haben«. Es ist dies die eiserne Medaille mit
dem Bildnis des Generals von Kluck, welch letzterem die
englische Zeitschrift das Epitheton »wistful« gedankenvoll
gibt, ein Werk von Löwental. Das Gefühl, das sich in der
Medaille ausspricht, ist wieder nach dem Urteil unseres
englischen Gewährsmannes »sonderbarerweise« eher fran-
zösisch als deutsch, und es sei schwer zu verstehen, warum
die deutschen Behörden erlaubt haben, daß diese Medaille
Deutschland verließ. m. d. h.

AUSSTELLUNGEN

Neue Ausstellungen der Kestner - Gesellschaft.

Trotz der wachsenden Schwierigkeiten der Kriegszeit blüht
das deutsche Kunstleben an allen Orten wie kaum zuvor.
Auch der Kestner-Gesellschaft ist es gelungen, ihre Arbeit
in vollem Umfange aufrecht zu erhalten, wenn es auch
manchmal scheinen wollte, als sei es unmöglich, alle fünf
Wochen neues, umfangreiches Material zurStelle zu schaffen.

Auf die Ausstellung von Handtextilarbeiten, zu der
wir hier einige grundsätzliche Bemerkungen äußerten, folgte
eine Sonderschau, die ein Streiflicht auf die neue Kunst im
westlichen Deutschland werfen sollte. August Mackef
und Heinrich Nauen wurden in größeren Kollektionen
vorgeführt. Ursprünglich hatte man weitergreifen und nach
dem Vorbild des Kölner Kunstvereins »Das junge Rhein-
land« zeigen wollen, aber bei einer Besichtigung der Kölner
Ausstellung traten Macke und Nauen gegen die anderen,
allerdings weniger gut vertretenen rheinischen Künstler so
bedeutungsvoll hervor, daß man beschloß, sich auf diese
genannten Maler zu beschränken. Dr. Cohen, Düsseldorf,
der zu beiden Künstlern persönliche Beziehungen hat und
der namentlich dem gefallenen Macke nahe stand, hat dem
toten Freunde im Vorwort zum Katalog ein schönes Denk-
mal gesetzt. Er weist darauf hin, daß aus der funkelnden
Leuchtkraft der Farbe jene festliche Heiterkeit der Seele
spricht, die den Rheinländer so oft auszeichnet. Man freut
sich vor Mackes Werk über die leicht beschwingte Grazie
seiner Bilder, über das »mozartische Rokoko«, das in ihnen
lebt, man genießt die kultivierte Liebenswürdigkeit und
Anmut, die über die westliche Grenze weist. Denn Mackes
Schaffen zeigt starke Anklänge an die zeitgenössische fran-
zösische Kunst. Aus manchen Kompositionen 1912/13 —
den »Vier Mädchen« z. B., dem »Pierrot« und den »Baden-
den Frauen« — wird deutlich, daß sich der Künstler mit
den Problemen des Kubismus beschäftigte. Aus vielen
strahlenden Farbenspielen seines letzten Lebensjahres —
wie den »Frauen im Zoologischen« und der »Frau mit
Papagei« — klingt des Malers Bewunderung für Renoir
hervor. Da ist es aufschlußreich, wenn Cohen darauf hin-
weist, daß Macke mit Delaunay und Guillaumc Apollinaire
befreundet und mit dem alten Renoir persönlich bekannt
war. Dieser liebenswerte Künstler, den im Alter von erst
27 Jahren bei Perthes am 26. September 1914 die feindliche
Kugel traf, hat sein Leben nicht bis zur letzten Vollendung
steigern können. Vieles noch schwebte ihm vor und blieb
unfertig liegen. So blieb sein Werk Fragment. Wer aber
diese Ausstellung sah, wer vielleicht einmal beim Sammler
Bernhard Köhler in Berlin seine Hauptwerke bewunderte,
wer seine Stickereien genießen durfte und die originelle
Keramik, die er gelegentlich bei bäuerlichen Töpfern des
Schwarzwaldes in fröhlicher Laune mit allerlei lustigem
Getier bemalte, der ahnt den schweren Verlust, der uns
mit seinem Tode traf. — Nauen, der seit 1915 im Felde
steht, war leider nicht in der Lage, sein Ausstellungs-
material so abzurunden, daß ein völlig erschöpfendes Bild
seines Schaffens zustande gekommen wäre. Immerhin
wurde klar, daß er den starken Einfluß van Goghs, der
namentlich in den Gemälden von 1911 hervortrat, über-
wurden und in seinen Bildern seit 1913 — dem Porträt
des Ehepaars Heckel (1914) — der »Frau im Kornfeld«
(1915), den breiten, üppigen »Blumenstilleben«, vor allem
aber in den großen Wandbildern für Burg Drove bei Düren
(1913), einen kraftvollen, eigenen Stil entwickelt hat.

Als 17. Sonderausstellung wurde dem jungen Berliner
Maler Franz Heckendorf zum ersten Male die Mög-
lichkeit geboten, sein Schaffen in umfassender Weise
herauszustellen. Einzelnen Bildern seiner Hand begegnete
 
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