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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Die Bronzedenkmäler
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Ausstellung der Neuerwerbungen des k. k. österreichischen Museums für Kunst und Industrie in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0258

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491 Ausstellung der Neuerwerbungen des k. k. Österreichischen Museums für Kunst und Industrie in Wien 492

in aller Eile wieder besetzt werden. Wie jetzt Kom-
missionen am Werke sind, um die Denkmäler zu be-
stimmen, die entfernt werden sollen, so mache man
erst recht in Zukunft die Zulassung neuer Standbilder
von ernsthafter, sachlicher Entscheidung abhängig.
Nicht nur die Frage der Würdigkeit, auch die Be-
dürfnisfrage sollte peinlich erwogen werden, und künst-
lerische Gesichtspunkte sollten immer, nicht nur wie

bisher in Ausnahmefällen, in den Vordergrund gerückt
werden. Wir wollen gewiß nicht für Polizei Vorschrif-
ten Stimmung machen. Aber nachdem die Denkmäler-
frage nun einmal ins Rollen gebracht worden ist, sollte
die Gelegenheit nicht ungenutzt bleiben, der Wieder-
holung schwerer Mißgriffe, unter denen das Straßen-
bild deutscher Städte an vielen Stellen zu leiden hat,
in Zukunft nach Kräften und beizeiten vorzubeugen.

AUSSTELLUNG DER NEUERWERBUNGEN DES K. K. ÖSTERREICHISCHEN MUSEUMS

FÜR KUNST UND INDUSTRIE IN WIEN

Die Aufgabe der Kunstgewerbemuseen ist eine doppelte.
Neben das ideale Ziel, der Wissenschaft und Kunstfreude
zu dienen, dem Gelehrten einen historischen Uberblick über
den Ablauf des Stil- und Formenwandels, dem Kunstlieb-
haber Genuß gewählter Schätze zu vermitteln, tritt das
praktische, den Zeitgeschmack zu veredeln, die lebende
Künstlergeneration im Schaffen anzuregen, das ökonomische
Gedeihen des Staates durch Hebung der Kunstindustrie
zu fördern.

Auf den zweiten Teil dieser Aufgabe ist in den Statuten
des österreichischen Museums bei seiner Gründung beson-
derer Nachdruck gelegt worden. Das mag kein Zufall sein,
da die weitgehende Lehrbarkeit der Gewerbe und ihre
wirtschaftliche Bedeutung eine stärkere Betonung des päda-
gogischen Zweckes nahelegt, als dies bei einem reinen
Kunstmuseum der Fall wäre. Der Lehrzweck der Anstalt
engte der Sammeltätigkeit das Feld ein. Es wurde eine
enorme Arbeitsenergie aufgebraucht, um einen umfassenden
Lehrapparat an technischen und künstlerischen Vorbildern
in Reproduktionen anzulegen, ein Aufwand, der, wenn er
auch in der Zeit historisierender Tendenzen des Kunst-
gewerbes begründet erschien, zur Fundamentierung und
zum Aufbau des Museums der Originale verwendet, viel-
leicht eine reichere Ernte hätte erhoffen lassen. Denn
gerade auf dem Gebiete des Technischen wird die Unzu-
länglichkeit jeder Wiedergabe in einem fremden Stoff auf
das tiefste empfunden. Auch war die Entwicklung der
gewerblichen Künste den Vorbildersammlungen nicht
günstig. Denn in der programmatischen Abkehr von alten
Formtraditionen, in der selbständigen Einfühlung in Ma-
terial und Gebrauchszweck hat das Kunstgewerbe der letzten
Generation seinen glänzenden Aufschwung genommen.

Was aber die Anregung zu selbstständigem Schaffen,
die ja in allen Zeiten auch von älterer Kunst ausgeht, was
das Hervorbringen neuer künstlerischer Ideen anbelangt,
so werden dem modernen Künstler und Kunsthandwerker
hochwertige Beispiele des guten alten Kunstgewerbes zu
einer reineren Quelle der Schöpferkraft, als irgend eine
noch so getreue Kopie nach einem unerreichbaren berühmten
Original. Darum ist ein gut geordnetes Kunstgewerbe-
Museum kein Grab der alten, sondern ein Jungbrunnen der
lebenden Kunst. Und sein Wirken nach außen wird um so
fruchtbringender sein, je strenger der Grundsatz befolgt
wird, in dem, soweit die Sammeltätigkeit in Frage kommt,
die abstrakten und praktischen Aufgaben einer solchen
Anstalt zusammenfließen: Nur das erreichbar Beste und
für die jeweilige Stilbildung Charakteristischeste aus allen
Zeiten, aus allen Schulen zu sammeln, immer im Hinblick
auf die Vervollständigung der zu illustrierenden Formen-
geschichte, wobei der heimischen Entwicklung selbstver-
ständlich ein besonderes Augenmerk zu schenken ist.

Gegenwärtig ist im Säulenhof des Museums ein Teil
der Neuerwerbungen ausgestellt, die den Sammlungen im
Laufe der letzten Kriegsjahre zugewachsen sind. Einige
der hier ausgestellten Werke, insbesondere aus dem Ge-

biete der Keramik, der Glasindustrie und der Goldschmiede-
kunst sind von Leisching seinerzeit eingehend besprochen
und gewürdigt worden. (Kunst und Kunsthandwerk Bd. 19.
1916, S. 185). Hier sei nur über einige wichtigere Stücke
kurz referiert.

Vier Namen, die für die Entwicklung der Wiener
Porzellan-Manufaktur Bedeutung gewonnen haben, sind
unter vielen Wiener keramischen Erzeugnissen vertreten.
Niedermayer mit einer reizvollen Neptunfigur, Grassi mit
einer interessanten Büste Canovas, Corp. Schneider mit zwei
polychromen Figuren Dame und Kavalier, und Elias Hütter,
dem fünf anmutige klassizistische Biskuitgruppen zugeschrie-
ben werden. Die ausländische Keramik ist durch ein Straß-
burger Fayencefigürchen und durch eine mit geschmack-
vollem Dekor gezierte Deckelterrine aus der Porzellan-
manufaktur von Nove bei Bassano repräsentiert. Ein anderes
prächtiges Stück aus derselben Fabrik ist im Jahre 1913 für
die Sammlungen erworben worden. (Josef Folnesics, eine
Porzellanterrine aus Nove, Kunst und Kunsthandwerk Bd. 16.
1913, S. 64).

Die Glassammlung ist durch den Ankauf einer Kollektion
österreichischer, insbesondere böhmischer Erzeugnisse, durch
einige Biedermeierbecher mit Blumendekor und durch mehrere
Kothgaßner-Gläser bereichert worden. Auch ein mit Fa-
cettenschliff geziertes englisches Kelchglas aus der Zeit
um 1800 wurde erworben.

Unter den ausgestellten Arbeiten der Goldschmiede-
und Edelmetallkunst sind zu nennen: ein Anhänger aus
Email und Gold, mit Perlen und Steinen geziert mit einer
Darstellung Abrahams und der drei Engel, eine Taschen-
uhr mit Kette aus Genfer Email mit klassizistischen Figürchen
nach Gemmen von Pichler, eine sächsische Emaildose aus
der Zeit um 1700, eine österreichische Tischuhr des 16.
Jahrhunderts aus Messing, deren Heimat und Entstehungs-
zeit durch Inschrift und Wappen bestimmt sind, ein silberner
Deckelkrug aus der Zeit um 1600, vielleicht Augsburger
Herkunft, ein schlanker silberner Kelch des 17. Jahrhunderts
mit Nürnberger Marke, eine Reihe österreichischer Silber-
arbeiten, darunter ein barocker Wiener Deckelkrug aus
vergoldetem Silber mit Imperatorenbildnissen u. a. Die
wertvollste Vermehrung der Schmucksammlung ist eine
Monstranz mit der Signatur J. M. von 1782, deren Juwelen-
schmuck von dem berühmten Hofjuwelier Maria Theresias,
Franz von Mack, herrührt. Im rhythmischem Wechsel sind
viele Arten buntfarbiger Halbedelsteine in den strengen
Aufbau eines Ganzen eingefügt, das, wenn auch noch mit
barocken Elementen ganz durchsetzt, formgeschichtlich schon
der Wiegenzeit des Klassizismus zuzuweisen ist.

Was die vom technologischen Gewerbemuseum über-
wiesenen ausgestellten Eisengußarbeiten betrifft, die die
hohe Leistungsfähigkeit dieser österreichischen Produktion
am Anfang des 19. Jahrhunderts dartun, verweise ich auf
den lehrreichen Aufsatz, den Leisching dieser Materie ge-
widmet hat. (Kunst und Kunsthandwerk, Bd. 20, 1917,
S. 185.)
 
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