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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 55.1919/​1920 (Oktober-März)

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Nr. 13 (26. Dezember 1919)
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Tietze-Conrat, Erica: Der Film im kunstwissenschaftlichen Unterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.29588#0302

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DER FILM

IM KUNSTWISSENSCHAFTLICHEN UNTERRICHT

VON E. TIETZE=CONRAT

DIE Frankfurter Zeitung bradite am 9. November einen anregenden Vor-
fdilag A. E. Brinckmanns, den Film für den kunftwiflenfdiaftlichen Unter-
ridit zu verwerten. Die Kinomatographie könnte in der Wiedergabe von
Skuipturen und Ärchitekturen eine emphndiiche Lüdce füilenfie könnte die
vor aiiem in der Barodczeit vermehrten Anfnhten der Statue erfchöpfen, die
unzähiigen Verichiebungen, Qberfchneidungen und Durchblicke eines Baues vor
dem Auge wieder eritehen laifen. Die praktifdhe Durchführung wäre bei der
Aufnahme der Skuiptur ganz einfach: vor der fixen Camera müßte die auf
einen drehbaren Sodcei geitelite Figur rotieren,- bei der Architektur müßte
der Apparat auf Schienen laufen und, felbit bewegt, das Unbewegte auL
nehmen.

Die Vorteile diefes bereicherten Reproduktionsverfahrens iiegen auf dcr
Hand. Ich möchte auf die Nachteiie, die daraus erwachfen können, hinweifen.
Sie entitehen erit, wenn das Verfahren aus dem wiflenfchaftlichen Hörfaal
für die wenigen, — an den Brinckmann denkr, — in den popularifierenden
Großbetrieb fiir die Mafle übertragen wird. Im Arbeitsraum vor einem
Publikum, das ex officio mit dem Original immer wieder Kontakt fucht, bleibt
das Hiifsmäßige des Verfahrens bewußt und die Fehier werden berüdcfiditigt,-
nicht fo im breiten Rahmen vor einem naiven, nicht wiflenfchaftlich an dem
Kunftwerk intereffierten Publikum. Diefem wird die Reproduktion, unterftiitzt
durch einführende Worte, in der Eindringiichkeit der ifolierten Vorführung
das Originaf, das es nicht kennt oder nur in der verwirrenden Umgebung
des mufealen Fiebertraumes kennen iernen könnte, vertreten. Ja diefe neue
Vervollkommnung des Reproduktionswefens wird, wie jede andere es getan
hat, eine neue Mauer aufrichten zwifchen Pubiikum und Kunftwerk.

Denn jede Verbeflerung auf diefem Gebiet, fo fehr fie für unfere fpezia-
lilierte Wilfenfdiaft Erleichterung bringt, ift für die Allgemeinheit ein Danaer-
gefchenk,- fie fdieint zu bereichern und madht ärmer. Je vorzüglidier die Re^
produktion, defto geringer ift ihr Anreiz, die Vorfteiiung des Llrbiides zu
wecken, — defto ieichter nimmt der Betrachter den Erfatz fürs Original.
Und wenn es wirklich möglich wäre, daß eine Reproduktion fo vollendet
hergeftellt werden könnte, daß wirklich nichts fürs Auge Wahrnehmbare fie
vom Original unterfchiede, fo wäre der Wert diefes Urbildes, nicht mehr ge-
ftützt durch äußere Quaiität, ganz eingefdhränkt auf die Ethik, die ihm inne-
wohnt, den Mufenkuß einft auf die Stirne gehaucht . . . Diefer Überreft von
 
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