KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT
HERAUSOEBER: GUSTAV KIRSTEIN
ßERLINER REDAKTION: CURT GLASER WIENER RFDAKTION: HANS TIET2E
NR.21 20. FEBRUAR 1920
ZUR »NEUROMANTIK«
VON KURT KARL EBERLEIN
ICH freute mich, in Nr. 15 <S. 382) diefer Zeitfchrift zu lefen, daß neben
manchem anderen audi mein Auffatz über die Karlsruher Ehrenurkunde
<in Nr. 13) Curt Glafer zu einem Auffatz über »Neuromantik« veranlaßte,
der fchon deshalb erfreulidi ift, weil er das Problem überhaupt berührt. Mag
aucb fein Auffatz mehr Bekenntnis als Beweis fein — was man immer gelten
lalTen muß — fo findet fidi neben mandiem Riditigen und Selbftverftändlichen
dodi fo viel Bedenklidies, daß hier in kurzem die angeregte Diskuffion auf-
genommen fei. In der Tat handelt es fich hier um zwei entgegengefetzte,
dafeinsberechtigte Kunltanfdhauungen, die längft nebeneinander herlebten, die
aber heute allenthalben zu entfdiiedener Ausfpradie kommen. Dies beweifen
uns wertvolle Sdiriften und Auffätze ernfthafter Kunftkenner, die mit den
erwähnten Pamphletiften und Propagandiften nidit zu verwedhfeln find. Vor
allem ift es das Problem von »Kunft und Religion« <ReIigion als Goethes
»Gott=Natur« oder als Mythos), das letzten Endes die Welt= und Kunit-
anfdiauung diefer Zeit von der vergangenen trennt, ein Problem, das gerade
in den beadrtenswerten Büchern von Midiel und Hartlaub behandelt wird.
Es ift wenig ratfam, diefe Bewegung innerhalb der neuen Kunft mit dem
Namen »Neuromantik« oder »romantifch« zu taufen, weil folche Begriffe Wert-
urteile enthalten, die dem Lebendigen und Werdenden kaum geredit werden
können. Es wird überhaupt jeder, der die Grenzen hiftorifcher Begriffs-
bildung, die Wandlungen und Autonomien kunfthißorifcher Begriffe <wie
Romantik, Qualität, Expreffionismus, Myftik) kennt, mit folchen Schlagworten
hödift vorfichtig umgehen, aber audi andererfeits Begriffe wie »Mythos«,
»Kosmos«, »Unendlidikeit«, »Gott« nicht deshalb ablehnen, weil fie ihm nie
zum Erlebnis geworden find.
Trotzdem nun Glafer überzeugt ift, daß diefe fog. »romantifdie« Be-
wegung einer Kunft zufteuere, die allerdings als Welt= und Kunftanfchauung
der um 1800 näher fteht als der von geftern, fdieint er doch zu wünfdien,
daß man audi außerhalb der Mufeumsinfel allem derartigen Heutigen ein
mutiges Nein entgegenfetze und fidi mit der »Qualität« begnüge. Die Ge-
HERAUSOEBER: GUSTAV KIRSTEIN
ßERLINER REDAKTION: CURT GLASER WIENER RFDAKTION: HANS TIET2E
NR.21 20. FEBRUAR 1920
ZUR »NEUROMANTIK«
VON KURT KARL EBERLEIN
ICH freute mich, in Nr. 15 <S. 382) diefer Zeitfchrift zu lefen, daß neben
manchem anderen audi mein Auffatz über die Karlsruher Ehrenurkunde
<in Nr. 13) Curt Glafer zu einem Auffatz über »Neuromantik« veranlaßte,
der fchon deshalb erfreulidi ift, weil er das Problem überhaupt berührt. Mag
aucb fein Auffatz mehr Bekenntnis als Beweis fein — was man immer gelten
lalTen muß — fo findet fidi neben mandiem Riditigen und Selbftverftändlichen
dodi fo viel Bedenklidies, daß hier in kurzem die angeregte Diskuffion auf-
genommen fei. In der Tat handelt es fich hier um zwei entgegengefetzte,
dafeinsberechtigte Kunltanfdhauungen, die längft nebeneinander herlebten, die
aber heute allenthalben zu entfdiiedener Ausfpradie kommen. Dies beweifen
uns wertvolle Sdiriften und Auffätze ernfthafter Kunftkenner, die mit den
erwähnten Pamphletiften und Propagandiften nidit zu verwedhfeln find. Vor
allem ift es das Problem von »Kunft und Religion« <ReIigion als Goethes
»Gott=Natur« oder als Mythos), das letzten Endes die Welt= und Kunit-
anfdiauung diefer Zeit von der vergangenen trennt, ein Problem, das gerade
in den beadrtenswerten Büchern von Midiel und Hartlaub behandelt wird.
Es ift wenig ratfam, diefe Bewegung innerhalb der neuen Kunft mit dem
Namen »Neuromantik« oder »romantifch« zu taufen, weil folche Begriffe Wert-
urteile enthalten, die dem Lebendigen und Werdenden kaum geredit werden
können. Es wird überhaupt jeder, der die Grenzen hiftorifcher Begriffs-
bildung, die Wandlungen und Autonomien kunfthißorifcher Begriffe <wie
Romantik, Qualität, Expreffionismus, Myftik) kennt, mit folchen Schlagworten
hödift vorfichtig umgehen, aber audi andererfeits Begriffe wie »Mythos«,
»Kosmos«, »Unendlidikeit«, »Gott« nicht deshalb ablehnen, weil fie ihm nie
zum Erlebnis geworden find.
Trotzdem nun Glafer überzeugt ift, daß diefe fog. »romantifdie« Be-
wegung einer Kunft zufteuere, die allerdings als Welt= und Kunftanfchauung
der um 1800 näher fteht als der von geftern, fdieint er doch zu wünfdien,
daß man audi außerhalb der Mufeumsinfel allem derartigen Heutigen ein
mutiges Nein entgegenfetze und fidi mit der »Qualität« begnüge. Die Ge-