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Kautzsch, Rudolf
Einleitende Erörterungen zu einer Geschichte der deutschen Handschriftenillustration im späteren Mittelalter (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 3) — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 3: Straßburg, 1894

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https://doi.org/10.11588/diglit.2061#0015
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— 17 —

wickelung gegen einander abgegrenzte Landschaften zerfallen. In
der Weiterbildung von Technik und Fonnensprache macht sich
immer mehr örtliche Eigenart geltend. Aber Technik und Formen-
sprache sind es auch allein, die umgeschaffen werden. Die Auf-
fassung des Zwecks der Buchillustration ändert sich nicht. Das
Symbol für Stadt kann hier so und dort anders stilisirt, Haar und
Gewand hier in grossen Formen, dort in kleinlichem Gewirr ge-
zeichnet werden: Die Grundanschauung bleibt dieselbe. Kein
Gegenstand, kein Vorgang wird dargestellt, wie ihn ein idealer
Theilnehmer gesehen hätte, sondern übertragen in die alten (wenn
immer so und so abgewandelten) Formen, auf deren grössere oder
geringere Naturwahrheit nicht das Hauptgewicht gelegt wird.

Uebrigens überwiegt auch in der Formensprache das Gemein-
same weit die Besonderheiten örtlicher Kunstübumj. Und ebenso

rv

bedingt verschiedene Technik keinerlei tiefer greifende Unterschiede
der Darstellung. Keineswegs etwa sind die leicht colorirten Feder-
zeichnungen überall frischer und kecker als die Deckfarbenbilder.
Das hat auch Janitschek gefühlt, wenn er z. B. die Weltchronik
in der Stadtbibliothek in St. Gallen mit Darstellungen in Wasch-
farben auf schwerem Goldgrund zu den Werken der Federzeich-
nungstechnik zählt, dagegen die Bilder ohne Goldgrund in der
Manesse-Hs. zu den Erzeugnissen der Waschfarbenmalerei.

Bedeutungsvoller könnte ein weiterer Unterschied sein, der
sich nach Janitschek mit dem eben besprochenen deckt: die Feder-
zeichnung ist, wie Janitschek charakterisirt, volksthümlich und
national, das Deckfarbenbild dagegen Werk höfischer Kunst und
französischer Herkunft.

Mit der Erörterung der französischen Einwirkungen auf unsere
Malerei gerathen wir auf einen der dunkelsten Punkte mittelalter-i
licher Kunstgeschichte. Er kann unmöglich hier erschöpfend be-
handelt werden. Nur dies glaube ich zeigen zu können, dass
Janitschek's Scheidung auf unüberwindliche Schwierigkeiten stösst.

An die Spitze der Werke nationaler Federzeichnung wird
das Balduineum gestellt.1 Sehen wir uns den Bilderschmuck dieser
Hs. an, so rinden wir, dass einmal Initialen und Randleisten durch-

1 Janitschek, Geschichte der deutschen Malerei S. 171.
 
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