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Kautzsch, Rudolf
Einleitende Erörterungen zu einer Geschichte der deutschen Handschriftenillustration im späteren Mittelalter (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 3) — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 3: Straßburg, 1894

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https://doi.org/10.11588/diglit.2061#0014
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— 16 —

der Affecte richtig wiederzugeben, das folgt sicherlich aus der
unterdessen für sich gegangenen Weiterentwickelung des Geistes-
lebens. Aber dass sich der Fortschritt in der zeichnenden Kunst
fast nur auf die Wiedergabe des Seelenlebens beschränkt, und
dass er durch die Aufnahme neuer Stoffe, wie durch die psycho-
logische Vertiefung der alten vor allem hervorgerufen erscheint,
das erklärt sich, wie mir vorkommt, am besten aus unserer An-
schauung.

Also: nicht die steigende Bewältigung der Aussenwelt ge-
langt jetzt auch in der Malerei zur Schilderung der Natur der
Seele. Vielmehr ist diese Schilderung geboten einmal als vor
allem beliebter Bestandtheil der Stoffe selbst und dann als
Mittel zu deren Verdeutlichung.

Der völlige Irrealismus der Farbe, die Bezeichnung alles Bei-
werks (des Erdbodens, der Bäume, der Gebäude) durch Symbole,
die nur eine Abwandlung der früher gebrauchten sind und der
Wirklichkeit kaum einen Schritt näher kommen, die völlig gleiche
Formensprache für alle Menschen dieser Zeit in der ganzen zeich-
nenden Kunst, wiederum im einzelnen der Natur ebenso fern als
vordem: das alles wird unverändert beibehalten und beweist, dass
die Stellung zur Aufgabe der Malerei grundsätzlich dieselbe ge-
blieben ist. Und sie bleibt dieselbe auch nach 1300 bis zum An-
bruch der neuen Zeit um 1400. Da wir jedoch den Werken
dieses letzten mittelalterlichen Zeitraums eine besondere Betrach-
tung widmen wollen, dürfen wir hier abbrechen.

ZWEITES KAPITEL.

Wenn ich im Folgenden versuche, die Buchillustration zwischen
1300 und 1350 zusammenfassend zu schildern, so sind einige Worte
zur Rechtfertigung einer solchen Gesammtbetrachtung vorauszu-
schicken.

Es ist gar nicht zu verkennen, dass die Werke dieses Zeit
raums ein recht verschiedenartiges Gepräge tragen. Natürlich
das ganze Kunstgebiet war längst in einzelne durch Sonderent-
 
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