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Kautzsch, Rudolf
Einleitende Erörterungen zu einer Geschichte der deutschen Handschriftenillustration im späteren Mittelalter (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 3) — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 3: Straßburg, 1894

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https://doi.org/10.11588/diglit.2061#0038
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- 4o —

und dran ist, seine schlankhalsige Beute von oben zu fassen. Bei
anderer Gelegenheit rettet sich ein Furchtsamer vor dem grimmen
Eber auf den nächsten Baum. Und dort geht der Lerchenjäger
behutsam hinter der Schnitterin her, den Falken auf der Faust,
während sein Hund eben einen Vogel aufgejagt hat, dem er nach-
schaut. Ebenso sind die immer neuen Scenen der Liebe mit
hundert kleinen Realien ausgestattet. Der Baum, unter dem die
Liebenden ihr Glück gemessen, ist von Vögeln belebt. Bei der
Waldesrast mahnen die ungeduldig scharrenden Rosse zum Auf-
bruch. Die Dame, die dem „Rost Kilchherreze Sarne" ein Haarbüschel
abschneidet, hat den Webstuhl neben sich. Zum Bade des Herrn
von Wart wird hier das Feuer unter dem Kessel angeblasen,
dort ein Kränzlein gereicht. Und neben dem Arzt, der den Herrn
von Sachsendorf verbindet, fehlt nicht der Gehilfe mit einem stär-
kenden Trank.

Angesichts dieser Züge schrieb Springer: man kann dem
Zeichner „das Lob eines mit reicher Phantasie und frischem
Lebenssinne begabten Mannes nicht absprechen. Dieser lebendige
Zug, dieses genremässige Auffassen der Ereignisse trifft bei der
überwiegenden Mehrzahl der Miniaturen zu."

Wir schliessen dem an: dieselben Züge sind es auch, die
ihn den Künstlern der kommenden Zeit äusserst nahe rücken.

DRITTES KAPITEL.

Um einen Ueberblick über die hauptsächlichen Fortschritte
zu gewinnen, welche die Buchillustration in der zweiten Hälfte des
14. Jahrhunderts nach der Seite des Realismus hin machte,
schränken wir unsere Betrachtung auf die oberdeutschen Hand-
schriften ein. Solche sind aus dem genannten Zeitraum zahlreich
genug vorhanden, leider aber nur sehr spärlich und immer nur
probeweise veröffentlicht. Doch wird man in jeder einzelnen der
hierhergehörigen Hss. bestätigt finden, was im Folgenden über
das weitere Eindringen realistischer Neigungen gesagt wird. Denn
 
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