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Kautzsch, Rudolf
Einleitende Erörterungen zu einer Geschichte der deutschen Handschriftenillustration im späteren Mittelalter (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 3) — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 3: Straßburg, 1894

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https://doi.org/10.11588/diglit.2061#0071
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— 73 ™

zu unterscheiden sind, so darf man vermuthen, dass die Vorlage
in einzelnen Lagen an verschiedene Schreiber vertheilt wurde.1

Der Schreiber sparte den Platz für die grossen bunten An-
fangsbuchstaben (die er klein mit schwarzer Tinte vorschrieb),
für die Rubricationen und für die Bilder aus.2 War die Schreib-
arbeit vollendet, so erhielt der Zeichner die Lagen, wahrschein-
lich ebenfalls einzeln, sobald eine Lage geschrieben war. Es scheint,
dass häufig Schreiber und Zeichner verschiedene Personen waren.3
Doch ist wenigstens für einen Fall (s. o. S. 70) ausdrücklich
bezeugt, dass der Schreiber auch die Bilder fertigte. Mit Hilfe
dieser Nachricht war es möglich festzustellen, dass Schreiber und
Zeichner sicherlich auch in zwei weiteren Hss. eine Person sind,
aber z. B. nicht in einem vierten Werke desselben Zeichners. Wieder-
holt werden Lagen eines Buchs an zwei und mehr verschiedene
Zeichner vertheilt.4 In einzelnen Fällen sind unter der Feder-
zeichnung Bleistiftlinien zu erkennen. Ob diese der Zeichner
selbst zur vorläufigen Raumvertheilung für die Composition, oder
ob sie der Schreiber als Vorschrift angab, ist mir fraglich. Nicht
immer hat sich der Zeichner daran gehalten. Uebrigens finden
sich solche Bleistiftvorzeichnungen nicht häufig. Geschriebene An-
weisungen kommen nie vor.5

Waren die Bilder gezeichnet, so wurden sie gemalt. Das
besorgte meist der Zeichner selbst: es ist auffallend, dass die
Bilder einzelner Zeichner stets in derselben besonderen Weise,

1 Eine Historienbibel der Stadtbibliothek Mainz ist von mindestens
vier Schreibern gefertigt.

2 Bilder und Initialen sind dann ausnahmsweise hie und da wegge-
blieben. Die Rubricationen, namentlich die rothen Kapitelüberschriften
über den Bildern sind häufig durch diese zusammengedrängt, weichen
ihnen aus oder überschneiden sie theilweise.

3 Derselbe Zeichner tritt jetzt mit diesem, jetzt mit jenem Schreiber
verbunden auf. Derselbe Schreiber mit 3, 4 verschiedenen Zeichnern.

* Vgl. die Hss. palat. germ. 324 (Heidelberg) und Aug. I, i5
(Wolfenbüttel).

5 Darnach haben die Zeichner entweder die Bilder ihrer Vorlage
copirt — dies war gewiss die Regel —, oder frei gearbeitet. Die Bilder
der Historienbibel z. B. muss ein Zeichner, wie der erste unserer Werk-
statt so genau im Kopf gehabt haben, dass er keiner Vorlage bedurfte.
Wirkliche, freie Schöpfungen werden höchst selten vorgekommen sein.
Vielleicht liesen sich die Bilder einer Stuttgarter Hsi (Kgl. Bibl. cod.
poet. fol. 2) als solche betrachten«
 
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