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Kautzsch, Rudolf
Diebolt Lauber und seine Werkstatt in Hagenau — Stuttgart, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.2170#0025
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von Dr. R. Kantzsch. 81

Weiter aber sind gewisse neue Motive allein in diesen drei Hss.
zu finden. Vgl. besonders die Angabe der Einsenkung in der Ober-
lippe unter der Nase, die in Form eines Ringes gezeichnet wird.

Alle diese Einzelheiten würden noch nicht genügen, einen Zeichner
in den drei Werken wiederzuerkennen, wenn wir nicht im Stande wären,
in ihnen zugleich eine einheitliche Grundrichtung festzustellen. Nicht
nur muss das Verhältniss zur Natur das nämliche sein, es müssen sieh
auch die vorhandenen Unterschiede aus einem womöglich glatt ver-
laufenden Entwicklungsgang heraus erklären lassen. Ich meine, das
ist ohne Schwierigkeit möglich.

Der Zeichner bildet sich in der fortgesetzten Ausübung seiner
Kunst nach einer Seite hin aus, ganz parallel H. Schilling, dessen Ent-
wickelungsstufen wir an der Hand datierter Werke verfolgen können.
Nach allem, was wir von unsern Werkstattzeichnern gehört haben,
kann das Ziel der Ausbildung nur die grösstmögliche Charakteristik
der Einzelgestalt sein, die Betonung der Standes- und Altersunterschiede
schon in den Köpfen. Unser Zeichner F beginnt wie K (Schilling) mit
Umrissen aus gleichmässig starken, nicht allzustarken Linien. Die
Figuren sind noch wohl proportioniert, die Gesichter voll. Zu den oben
angegebenen Berührungen mit K's Besonderheiten kommt hier noch
das in engen parallelen Wellenlinien fallende Haar. So begegnen
namentlich weibliche Köpfe (fol. 161', 181'), die ganz so aussehen,
wie K's Köpfe in der Kolmarer Bibel (s. unter KI). Von frischer Er-
findungskraft, von tiefer Belebung der Gestalten und der Scene ist
auf dieser Stufe nicht viel zu rühmen. Doch kommen schon jetzt
einzelne ganz charakteristische Gesichter mit gebrochener Wangenlinie,
individueller Nase und abgesetztem Kinn vor. Diese erste Stufe stellt
die erste Hs. (palat. germ. 300) dar.

In der zweiten (palat. germ. 324)1) werden jene Anfänge ein-
gehender Charakteristik Regel. Hier drängt F nach Leben. So ist
verständlich, dass seine Gestalten mitunter schlechter proportioniert
sind, als vordem: sie sind es stets zu Gunsten der Köpfe, die aus-
führlich behandelt werden und dabei zu gross gerathen. Besonders ein
mehrfach wiederkehrender Kopf eines alten Mannes mit grosser Nase,
grossem Bart ist für diese Wandelung bezeichnend. Die Eigenheiten,
die F mit K theilt, werden übrigens beibehalten.

Die dritte Hs. (palat, germ. 149) zeigt nur den weiteren Ausbau
der einmal eingeschlagenen Richtung: die Köpfe sind noch individueller,
die Bewegung noch lebhafter, die Zeichnung noch kecker geworden,
alles freilich auf Kosten einer gleichmässig glatten Ausführung. Da-
bei ist überraschend, dass auch jetzt noch Gesichter begegnen, die
ebensogut in K's Schachzabel (s. K V) stehen könnten: so genau
parallel vollzieht sich die Entwickelung beider Zeichner.

Darnach liegen die drei Hss. in einer geraden Linie und bieten
der Einreihung in den Entwicklungsgang eines Zeichners keinerlei

1) Eine Abbildung bei Könnecke, Bilderatlas S. 29,
 
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