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Kautzsch, Rudolf
Diebolt Lauber und seine Werkstatt in Hagenau — Stuttgart, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.2170#0031
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88 Diebolt Lauber und seine Werkstatt in Hagenau

mit allerlei Blattwerk, Gras und Kraut bedeckt ist, steht eine ge-
flügelte Gestalt. Sie ist ganz von vorn gesehen, der Kopf leicht nach
links gedreht. Dieser Kopf zeigt ein Gesicht in vollem, stumpfem
Oval. Das rundliche Kinn ist abgesetzt. Die Augen mit schön ge-
schwungenen, halb geschlossenen Lidern ruhen tief zu Seiten der
langen fast ganz geraden Nase mit starken Flügeln. Der Mund ist
klein, aber die Lippen fleischig. Das Haar, nur von einem perlen-
geschmückten Band zusammengehalten, fällt reich in ganz parallelen
Wellenlinien herab und rollt sich unten in Voluten, ganz gleich denen,
die IL Schilling wiederholt aufweist. Ebenso erinnert die auffallende
Bemalung der Locken in rot-h und gelb an diesen Meister. Das Ge-
sicht ist sehr zart und hell in Deckfarben modelliert.

An den Schultern sitzt ein Paar gewaltiger Flügel, deren Ober-
seite deutlich sorgsam ausgeführte Pfauenfedern zeigt.

Die Hände sind nicht sehr individuell gebildet. Doch hat der
Maler, dessen Farben auch hier wie überall decken, Gelenke und
Fingernägel angegeben. Ein langes, unten aufliegendes Gewand, weit
mit weiten Ärmeln, ungegürtet, umschliesst die schlanken Glieder. Am
Hals und an den Ärmelöffnungen ist der breite Saum mit Edel-
steinen geschmückt. Die Falten sind weich in dunklerer Farbe ge-
geben: dunkelroth in Rosa.

Diese Gestalt nmfasst mit jedem Arm ein Wappen. Die beiden
Wappen je mit Helm und gewaltigem Kleinod nehmen zwei Drittel
des ganzen Raumes ein und zeigen schon dadurch, dass sie die Haupt-
sache sind.

Das Wappen rechts (heraldisch genommen) besteht aus einem
damascierten Schild mit linkem Schrägbalken, Gold (Gelb) in Schwarz.
Der Balken ist mit drei rothen Rosen belegt. Über den Schild ist
ein Steehhelm gesetzt mit Helmdecke, fünfzinkiger goldener Krone und
geschlossenem Flug. Helmdecke und Flug wiederholen Farbe und
Figur des Schildes. Das Wappen links besteht aus einem ebenfalls
damascierten Schild mit gerader schwarzer Spitze in Gold. Beide Ober-
winkel sowie die Spitze sind je mit einer Jakobsmuschel (in verwech-
selten Farben) belegt. Der Schild trägt einen Stechhelm mit Helm-
decke und zwei offenen mit Muscheln besetzten Hörnern. Die Farben
sind die des Schildes.

Hinter und über dem Ganzen ist der mit kleinen blauen Pinsel-
strichen angegebene Himmel zu bemerken, der nach unten eben solche
Flocken aufweist, wie die ersten Bilder der Kolmarer Reimbibel. Dieses
Bild ist eingefasst von einem plastischen Rahmen aus vier Stäben, die
wieder von einer breiten Rankenrandleiste gehalten werden. In den
Ranken, deren kräftige Blätter noch von feinen nur mit der Feder
gezogenen Linien umspielt werden, sind hübsche Früchte (Erdbeeren),
Blumen (so eine Rosenknospe von unten gesehen), Thiere (Bär, Hirsch,
Einhorn), ja Menschenkinder untergebracht. Alles ist wieder höchst
sorgsam und glänzend ausgeführt, in hellen Farben (gelb, rosa, grün)
gemalt.
 
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