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Kautzsch, Rudolf
Diebolt Lauber und seine Werkstatt in Hagenau — Stuttgart, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.2170#0034
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von Dr. E. Kautzsch. 91

molt" = illustriert d. h. gezeichnet und mit Wasserfarben bemalt an-
zuerkennen.

Aber jene Eintragung hat nicht nur den Werth, dass sie uns
den Namen eines Zeichners (den einzigen!) überliefert. Ich glaube,
wir dürfen noch Weiteres aus ihr folgern. Es ist überhaupt beachtens-
werth, dass sich hier, entgegen der Werkstattpraxis, der Schreiber und
Zeichner nennt. Noch viel auffallender aber ist, dass ein solches
Werk (911 Seiten Text, zweispaltig mit 516 Bildern!) nicht an ver-
schiedene Arbeiter vertheilt wurde. Und endlich ist die Reimbibel
nicht nur gleichmässiger, sondern sichtlich auch mit grösserem Auf-
wand von Sorgfalt hergestellt, als die Durchschnittswaare der Werkstatt.

Für alle drei Punkte bietet eine Thatsache die beste Erklärung:
die Bibel ist nicht für den Markt, sondern auf Bestellung gearbeitet.
Auf fol. 13 findet sich zu Füssen einer Madonna in der Glorie, die
einen Initial (0) füllt, das Wappen derer von Ansoltzheim, s. unten Hs. I,
damit ist jeder Zweifel beseitigt. Ein Herr von Ansoltzheim liess die
Hs. eigens für sich anfertigen. Gleichviel nun, ob er sich die einheit-
liche Herstellung des Prachtwerks durch eine Hand gleich selbst aus-
bedungen hat, oder ob diese durch den Leiter der Werkstatt H.
Schilling aus freien Stücken übertragen wurde, soviel steht fest: im
Jahre 1459 nahm H. Schilling in der Werkstatt eine hervorragende
Stellung ein. Die uns vorliegenden Erzeugnisse der ganzen Gruppe
bestätigen diesen Schluss. Nicht nur steht Schilling, zumal in seinen
sorgfältigen Arbeiten, unter den Zeichnern obenan in der sauberen
gefälligen Ausführung der Bilder, er tritt auch wiederholt nur als
Zeichner des ersten Initials in grösseren Werken auf, gleich als ob
er solchen den Werkstattetempel aufdrücken wollte. Ganz vermuthungs-
weise sei in diesem Zusammenhang die Möglichkeit angedeutet, dass
H. Schilling die Aufsicht über die Illuministen der Werkstatt geführt
haben könnte. D. Lauber nämlich verstand sich möglicherweise gar
nicht aufs Zeichnen: der Bilderschmuck einer Hs., die er selbst schrieb,
kostete ihn eine nennenswerthe Summe (s. S. 5), in einer zweiten Hs.
von seiner Hand fehlen die Bilder ganz (S. 12), in einer dritten hat
eben H. Schilling die Bilder ausgeführt (s. S. 17).

Damit ist aber auch alles erschöpft, was aus jener Unterzeich-
nung gefolgert werden kann. Und zugleich ist |lamit alles gesagt,
was über die Person Schillings feststeht. Kein Bürgerbuch, keine
Steuerliste ist vorhanden, die uns etwa in Schilling den Erben und
Nachfolger Laubers kennen lehrte. Wir wissen nichts weiter von ihm.

Es wurde ausgeführt, dass H. Schilling sich als Zeichner unter
seinen Genossen hervorthat. Dieses Lob ist jetzt dahin einzuschränken,
dass auch er über die in der Gesammtbetrachtung S. 21 ff. geschil-
derte Kunststufe nicht hinausging: von einem grundsätzlichen Realismus
findet sich keine Spur. Wenn auch in den ersten Bildern der Kol-
marer Reimbibel ein blauer Himmel sich ausspannt, der Boden darunter
ist doch der alte Streifen mit seiner grossen Vegetation und seinen
archaistischen Baumformen. Und die ganze Summe der abkürzenden
 
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