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Kautzsch, Rudolf
Diebolt Lauber und seine Werkstatt in Hagenau — Stuttgart, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.2170#0035
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92 Diebolt Lauber und seine Werkstatt in Hagenau

Symbole für Berg, Fluss und Meer, Stadt, Haus und Innenraum kehrt bei
ihm wieder, wie seit Alters. Wenn er aber.ja einmal eine Ausdehnung
des Schauplatzes nach der Tiefe schildern muss, oder wenn er sich
an eine kühne Bewegung wagt, die eine Verkürzung erfordert, ist er
gleich rathlos wie die andern. Auch er also zeichnet sich nur da
aus, wo es ohne ein Verlassen des alten Bodens möglich ist: in charak-
teristischen Einzelheiten. Wir verbinden mit der Erwähnung solcher
Züge zugleich eine Aufzählung der Besonderheiten, die ihn von seinen
Mitarbeitern scheiden. Vgl. die Tafel. Wenn der Bodenstreifen nicht
der Einfachheit halber mit Strichlagen bedeckt ist, so schmücken ihn
grosse Pflanzen, als Erdbeeren, Schneeglöckchen, Disteln, rothe und
blaue Blumen. Die Felsen sind stets stalaktitenartig gebrochen, häufig
oben abgeflacht und mit Bäumen gekrönt. Diese Bäume zeigen neben
der gewöhnlichen Krone mit grossen Einzelblättern mannigfache Formen
für zusammengeballtes Laub. Auch ganz laublose Bäume viel verästelt
kommen vor. Wo der Himmel angegeben ist, besteht er aus kleinen
parallelen blauen Strichelchen, unter welche flockenartige Wölkchen
sich mischen. Für die Architectur wird stets eine rechteckige Um-
fassungsmauer, eine Art weiter Thurm verwendet. Innerhalb dieses
stehen die übrigen Gebäude. Sehr häufig finden sich neben einander
ein schlanker Thurm mit überlanger Spitze und ein etwas stärkerer,
niedrigerer mit Kuppel und Knauf abgeschlossen. Was die Menschen
angeht, so ist hervorzuheben, dass auch bei Schilling die einmal an-
gewöhnte Manier nur vereinzelt charakteristische Gestalten aufkommen
lässt, wenigstens in den früheren Werken. Die Gesichter sind anfäng-
lich stehend dieselben: ein stumpfes Oval, die Nase aus zwei dünnen
Rückenlinien und einem stärkeren gebrochenen Unterstrich gebildet:
die Kuppe ist nie gerundet. Die Augen sind gedrückt, dann geschlitzt,
die Augenbrauen — namentlich später — hoch gewölbt.

Das Haar fällt entweder in engen parallelen Wellenlinien lang
herab, oder es ist gelockt, wobei dann bald eine Menge Gruppen con-
centrischer Drei vierteis - Kreise kurze Locken, bald gewellte, unten in
Schneckenform aufgerollte Linien lange Locken bezeichnen. Die stets
ganz schematische Ausführung des Haars ist ein gutes Merkmal fin-
den Meister.

Nackte Glieder sind fleischig gegeben. Kennzeichnend sind die
kurzen starken Hautfalten in Arm- und Beingelenk. Die Kniescheibe
tritt rund hervor. Bei Frauen deutet er die Brüste stehenderweise
zweimal an: einmal als Halbkreise über dem Halsausschnitt des Kleides,
dann noch einmal weiter unten auffallend dünn, aber weit hervor-
tretend.

Die Gewandfalten bezeichnen einzelne Linien, die gerade ver-
laufen und stets in scharfen Kanten und Ecken brechen. Bei eng
anliegender Arm- und Beinbekleidung kehren jene Gelenkfalten ebenso
wieder. Langes aufstossendes Gewand breitet sich auf dem Boden in
kleinen Dächlein um die Person her aus. Im weitern Verlauf der
Entwickelung tritt bei Schilling eine Neigung zu charakteristischen
 
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