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Sektion 2: Historische Freiräume zwischen Grundlagenforschung und Minimalismus
Abstandsfläche oder Bedeutungsträger - Zur Behandlung der
Umgebung von Baudenkmalen am Beispiel denkmalgeschützter
Siedlungen der 1920er und 1930er Jahre
Winfried Brenne
Abb. 1: Wolfsburg, Siedlung
Steimker Berg, Grünflächen-
plan mit der derzeitigen Nut-
zung der Flächen, 2002.
Gegenwärtig wird in Erwägung gezogen ausgewählte
Berliner Siedlungen aus den zwanziger Jahren in die
Weltkulturerbeliste der UNESCO aufzunehmen. Hier-
mit wird die besondere Bedeutung dieser Wohnanlagen
als herausragende Zeugnisse der Architektur und So-
zialgeschichte des 20. Jahrhunderts anerkannt. Diese
aktuelle Wertschätzung geht auch auf die in den letzten
zwei Jahrzehnten durchgeführten Projekte zum Erhalt
und zur Wiederherstellung der Siedlungen zurück, die
die Qualitäten dieser Anlagen wieder sichtbar werden
ließen.
Im Umgang mit den denkmalgeschützten Siedlungen
richtete sich das Augenmerk zumeist aber nur auf die
Baulichkeiten selbst und weniger auf das Wohnumfeld
als Teil der Siedlung. Freiflächen und Siedlungsgrün
waren bei Wiederherstellungsmaßnahmen nur im Aus-
nahmefall Gegenstand denkmalpflegerischer Praxis.
Dies mag auch daran liegen, dass die Gartendenkmal-
pflege sich als junge Disziplin zunächst den großen Auf-
gaben der Schlösser, Herrenhäuser, Villengärten zu
widmen hatte, ehe sich - nach der Wiederherstellung
erster Siedlungen - der Blick für Frei- und Grünflächen
im Rahmen einer Gesamtkonzeption der historischen
Siedlung schärfen konnte.
Die Bedeutung des Siedlungsgrüns für das Funk-
tionieren des Ensembles als Gesamtkonzept von Wohn-
raum und Außenraum ist evident, nicht nur aus
denkmalpflegerischen Gründen, auch im Rahmen einer
stadtökologischen Betrachtungsweise. Wohnumfeld
bedeutet nicht einfach nur Abstandsfläche zwischen
Häusern oder Hausgruppen. Es sind die Platzanlagen,
Straßenräume und Hausgärten, die der Siedlung
Struktur verleihen und die zur Wohnwertverbesserung
entscheidend beitragen.
Schon mit Beginn des modernen Siedlungshaus war
die Einbeziehung und Gestaltung von Freiflächen
Gegenstand städtebaulicher Planung. In den Garten-
städten um 1900 ist das Siedlungsgrün gleichsam Pro-
gramm für ein städtebauliches Konzept, noch stark
geprägt vom Gedanken der Selbstversorgung. Die inner-
städtischen Wohnanlagen und Siedlungen in den
zwanziger Jahren kennzeichnen grüne Wohninseln bzw.
begrünte Wohninnenhöfe, die unter dem Aspekt der
Volksgesundheit - in Abgrenzung zur Mietskaserne der
Gründerzeit - das unmittelbare Wohnumfeld der Men-
schen verbessern halfen.
Beim Bau der Großsiedlungen, die in den zwanziger
Jahren auf freiem Gelände am Stadtrand entstanden, wie
Sektion 2: Historische Freiräume zwischen Grundlagenforschung und Minimalismus
Abstandsfläche oder Bedeutungsträger - Zur Behandlung der
Umgebung von Baudenkmalen am Beispiel denkmalgeschützter
Siedlungen der 1920er und 1930er Jahre
Winfried Brenne
Abb. 1: Wolfsburg, Siedlung
Steimker Berg, Grünflächen-
plan mit der derzeitigen Nut-
zung der Flächen, 2002.
Gegenwärtig wird in Erwägung gezogen ausgewählte
Berliner Siedlungen aus den zwanziger Jahren in die
Weltkulturerbeliste der UNESCO aufzunehmen. Hier-
mit wird die besondere Bedeutung dieser Wohnanlagen
als herausragende Zeugnisse der Architektur und So-
zialgeschichte des 20. Jahrhunderts anerkannt. Diese
aktuelle Wertschätzung geht auch auf die in den letzten
zwei Jahrzehnten durchgeführten Projekte zum Erhalt
und zur Wiederherstellung der Siedlungen zurück, die
die Qualitäten dieser Anlagen wieder sichtbar werden
ließen.
Im Umgang mit den denkmalgeschützten Siedlungen
richtete sich das Augenmerk zumeist aber nur auf die
Baulichkeiten selbst und weniger auf das Wohnumfeld
als Teil der Siedlung. Freiflächen und Siedlungsgrün
waren bei Wiederherstellungsmaßnahmen nur im Aus-
nahmefall Gegenstand denkmalpflegerischer Praxis.
Dies mag auch daran liegen, dass die Gartendenkmal-
pflege sich als junge Disziplin zunächst den großen Auf-
gaben der Schlösser, Herrenhäuser, Villengärten zu
widmen hatte, ehe sich - nach der Wiederherstellung
erster Siedlungen - der Blick für Frei- und Grünflächen
im Rahmen einer Gesamtkonzeption der historischen
Siedlung schärfen konnte.
Die Bedeutung des Siedlungsgrüns für das Funk-
tionieren des Ensembles als Gesamtkonzept von Wohn-
raum und Außenraum ist evident, nicht nur aus
denkmalpflegerischen Gründen, auch im Rahmen einer
stadtökologischen Betrachtungsweise. Wohnumfeld
bedeutet nicht einfach nur Abstandsfläche zwischen
Häusern oder Hausgruppen. Es sind die Platzanlagen,
Straßenräume und Hausgärten, die der Siedlung
Struktur verleihen und die zur Wohnwertverbesserung
entscheidend beitragen.
Schon mit Beginn des modernen Siedlungshaus war
die Einbeziehung und Gestaltung von Freiflächen
Gegenstand städtebaulicher Planung. In den Garten-
städten um 1900 ist das Siedlungsgrün gleichsam Pro-
gramm für ein städtebauliches Konzept, noch stark
geprägt vom Gedanken der Selbstversorgung. Die inner-
städtischen Wohnanlagen und Siedlungen in den
zwanziger Jahren kennzeichnen grüne Wohninseln bzw.
begrünte Wohninnenhöfe, die unter dem Aspekt der
Volksgesundheit - in Abgrenzung zur Mietskaserne der
Gründerzeit - das unmittelbare Wohnumfeld der Men-
schen verbessern halfen.
Beim Bau der Großsiedlungen, die in den zwanziger
Jahren auf freiem Gelände am Stadtrand entstanden, wie