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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: System Denkmalpflege - Netzwerke für die Zukunft — Hannover: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Heft 31.2004

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Sektion 6: Historische Forschung in der Denkmalpflege - Das Beispiel der Stadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.51150#0387
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Chancen und Grenzen archäologisch-historischer Stadtkataster

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Jahrhundert Generationen von Archäologen sich aus-
schließlich mit der archäologischen Erforschung der
vermeintlichen Keimzelle der Stadt um die Pfarrkirche
St. Petri und das Stift St. Patrokli beschäftigt hatten, kam
es Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts zum
ersten Mal zu einer ausgedehnteren Untersuchung
außerhalb der so genannten karolingisch-ottonischen
Burg. Ausgelöst wurde diese Untersuchung durch ein
groß angelegtes Neubauvorhaben, in dessen Vorfeld der
für die Ensemble-Denkmalpflege im Münsterschen
Denkmalamt zuständige Referent bei der Bodendenk-
malpflege um Entscheidungshilfe hinsichtlich der his-
torischen Parzellenstruktur bat und sie mit dem Hinweis
köderte, die vielen Salzsuffixe in den Straßennamen des
fraglichen Geländes könnten ja unter Umständen das bis
dahin nicht eindeutig belegte Sälzerquartier in Soest ve-
rifizieren. Der „Köder“ wurde angenommen und führte
ohne Umschweife auf den richtigen Weg. Angeschnitten
wurde zwischen Brüderstraße und Wiesenkirche eine
Salinenanlage von nahezu industriellen Ausmaßen, die
spätestens im 6./7. Jahrhundert in vollem Umfang und
mit großer Belegschaft gearbeitet haben musste. Grund-
wasserprobleme ließen die Archäologen nicht zu den
Anfängen vorstoßen; doch belegten der bei Bohrungen
bis in eine Tiefe von 6 m unverändert angetroffene
Befund und die in Soest angewandte Ofentechnik, dass
die Salzgewinnung dort mit hoher Wahrscheinlichkeit
schon in die römische Kaiserzeit zurückreichte und
ohne Unterbrechung und im vollen Umfang bis ins
11./12. Jahrhundert fortgeführt worden sein dürfte.
Auf dem Hügel um St. Petri und St. Patrokli dagegen
gingen die Spuren einer umfangreicheren Besiedlung -
mit einigen wenigen Ausnahmen - nur bis ins 8. Jahr-
hundert zurück.
Aus der Diskrepanz zwischen Alter und Größe der
Saline im Norden der karolingisch-ottonischen Burg
und deren vergleichsweise jungen Besiedlung lässt sich
schließen, dass der ältere Siedlungskem Soests am Fuße
jenes Hügels zu suchen ist.
Frühestens im 8. Jahrhundert vermutlich sogar erst
nach dem Bau der Pfarrkirche St. Petri, scheint sich dann
jedoch das Siedlungszentrum nach Süden verlagert zu
haben, auf den Kopf jenes Hügels, der später die karo-
lingisch-ottonische Burg beherbergte. Damit war der
archäologischen Denkmalpflege sehr eindrücklich vor
Augen geführt, welche Gefahren das blinde Vertrauen in
die Erkenntnisse traditioneller Stadtgeschichtsschrei-
bung mit sich bringen kann. Im Übrigen führte diese
Erfahrung Anfang der 90er Jahre zur Einrichtung einer
eigenen kommunalen Bodendenkmalpflege in Soest,
damit die Stadt unter archäologischer Dauerbeob-
achtung bleibt. Die Einrichtung dieser Stelle hat sich
bereits voll ausgezahlt. Allein es würde hier zu weit
führen, das auf diese Weise gewonnene neue Bild der
alten Stadt im einzelnen zu skizzieren.
Das zweite Beispiel betrifft Münster. Bei einer Aus-
grabung am Alten Steinweg östlich der ersten Pfarr-
kirche außerhalb der Domburg, St. Lamberti, ging es um
die Erforschung der frühesten Erweiterungsphase der
Stadt nach ihrer Einnahme und Zerstörung 1121 durch
Lothar von Supplingburg. Die Interpretation früher
Schrift- und Bildquellen in Verbindung mit dem Ur-
kataster hatte in der einschlägigen Stadtgeschichts-
literatur dazu geführt, auf dem betreffenden Gelände die
Ansiedlung der Münsterschen Kaufmannsaristokratie



Abb. 3: Soest, Kartierung der abgegangenen Bebauung (Ausschnitt): Dank vier Katasterplänen
seit dem Urkataster von 1828 lässt sich die abgegangene Bebauung außergewöhnlich gut
dokumentieren. Aus diesem Grund wurde dazu für die Stadt Soest ein eigener Plansatz
erarbeitet, der die abgegangene Bebauung der letzten 170 Jahre, in fünf Zeitschnitte unterteilt,
dar st eilt. Deutlich ist eine Konzentration auf zwei Zeitperioden zu erkennen:
Rot = Häuser, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts abgerissen wurden. Gelb = Häuser,
die zwischen 1872 und 1900 abgegangen sind. Lila = Häuser, die zwischen 1900 und 1958 in
Nachfolge der beiden Weltkriege vermutlich abgerissen wurden.

Abb. 4: Soest, Baualtersplan der Stadt Soest (Ausschnitt): Es fällt auf, dass neben der Bausubs-
tanz aus dem 18. Jahrhundert (Rotbraun = 18. Jahrhundert und älter) große Teile der Stadt
während des Zweiten Weltkriegs zerstört wurden (Ocker = nach 1948 errichtete Gebäude).
 
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