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Hagen, Rüdiger; Neß, Wolfgang; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Mühlen in Niedersachsen: Region und Stadt Hannover — Petersberg: Michael Imhof Verlag, Heft 44.2015

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51272#0089
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Mühlengeschichtlicher Überblick

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Betrieb und Erhalt historischer Mühlen
in heutiger Zeit
Die wenigen noch betriebsfähigen historischen Müh-
len erfüllen heute verschiedene Aufgaben. Während
es früher reine Produktionsstätten mit nur sehr be-
schränkter Zugangsmöglichkeit für die Öffentlich-
keit gewesen sind, stehen restaurierte Mühlen heu-
te als museale Schauanlagen, technische Denkmale,
Lernstandorte zur Getreideverarbeitung oder zum
Erleben physikalisch-mechanischer Abläufe im öffent-
lichen Dasein.
Vergleiche früher zu heute:
FRÜHER:
-Die Betriebszeit der Mühle richtete sich nach dem
Arbeitsanfall, wonach die Hauptzeit in den Monaten
nach der Ernte war. Bei Windmühlen lag die Hauptbe-
triebszeit stets in den kälteren Monaten, also Herbst,
Winter und Frühjahr, wo die besten Winde herrschen.
-Die Mühle war über das ganze Jahr bewirtschaftet.
-Der Müller war stets vor Ort anwesend. Er wohnte
bei der Mühle oder diese war von seinem Wohnhaus
zu Fuß in kurzer Zeit erreichbar.
-Für den Betrieb der Mühle war ein hauptberuflicher
Müller verantwortlich, unterstützt durch eventuell ei-
nen oder zwei Gesellen oder Auszubildende.
-Um den Meistertitel erlangen zu können, waren eine
dreijährige Berufsausbildung und eine ebenso lange
Wanderschaft Voraussetzung.
-Das Einstiegsalter in den Müllerberuf begann schon
in der Kindheit, wo etwa der später die Mühle über-
nehmende Sohn schon kleinere Tätigkeiten mit aus-
üben musste und so schon auf die spätere Berufsaus-
bildung vorbereitet wurde.
-Die Windmüller verfügten über fundierte Kenntnisse
in der Wetterkunde.
-Mühlenbauer gab es in der Region zahlreiche, die für
Reparaturen und Neuanfertigungen jederzeit zur Ver-
fügung standen.
-Die Mühlen wurden nur von einzelnen Mahlgästen
und von diesen zumeist nur im Eingangsbereich betre-
ten, während die Haupt-Innenbereiche ausschließlich
Arbeitsplätze für das Betriebspersonal waren.
HEUTE:
-Der Betrieb einer historischen Mühle erfolgt häufig
durch einen Verein bzw. deren ehrenamtlich tätige
Mitglieder, die nicht immer vor Ort wohnen.
-Durch die heutigen Freizeitgewohnheiten können die
Vereinsmitglieder nicht jederzeit und ganzjährig für
die Betreuung der Mühle sorgen.
-Die Betreiber kommen zumeist aus anderen Berufs-
branchen und haben in ihrer Freizeit das Wissen um
den Umgang mit einer historischen Mühle gelernt.
-Die Mühle ist hauptsächlich in der warmen Jahreszeit
etwa von April bis Oktober geöffnet.


Vor der Windmühle in Wichtringhausen in den 1950er Jahren.

-Die Räume der Mühle sind an Besichtigungstagen
einem breitgefächerten Publikum geöffnet. An be-
sonderen Tagen, etwa dem „Deutschen Mühlentag"
am Pfingstmontag, werden häufig große Zahlen von
Besuchern durch die Mühlen geführt.
-Die anwesenden Mühlenbetreiber haben heute auch
die Betreuung der Besucher vorzunehmen und müs-
sen daher in der Lage sein, qualifizierte Führungen
durch das technische Denkmal anzubieten. Die Mühle
ist zur Bildungsstätte geworden.
-Der Anspruch, mit einer historischen Mühle hoch-
wertige Lebens- und Futtermittel herzustellen, besteht
in der Mehrzahl der Fälle nicht mehr.
-Qualifizierte Mühlenbauer müssen gesucht werden
und sind häufig weit entfernt ansässig. Da der Beruf
des Mühlenbauers nicht mehr in der Handwerksrolle
existiert und damit nicht mehr geschützt ist, werden
Restaurierungen häufig von artverwandten Hand-
werksbranchen, etwa Zimmereien oder Tischlereien,
durchgeführt. Begleitet werden diese Maßnahmen
häufig von Baubetreuern, die ebenso aus artverwand-
ten Branchen, wie etwa der Architektur kommen.
-Restaurierungen historischer Mühlen sind heute
kaum mehr ohne Zuschüsse durch öffentliche Förder-
gelder möglich. Diese sind aber in der Regel an enge
zeitliche Vorgaben gebunden.
-Für öffentlich zugängliche Orte werden hohe Sicher-
heitsstandards gefordert. Für historische Mühlen müs-
sen dabei immer Kompromisse abgewogen werden.
 
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