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Hagen, Rüdiger; Neß, Wolfgang; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Mühlen in Niedersachsen: Region und Stadt Hannover — Petersberg: Michael Imhof Verlag, Heft 44.2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.51272#0092
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Mühlen in Niedersachsen
Region und Stadt Hannover

er es ein Altrecht für ungehinderten Windzugang wie-
der eintragen zu lassen, welches seit Jahrhunderten
für diese Mühle bestand. Der Wohnungsbauboom der
Nachkriegszeit ließ daher in unmittelbarer Nähe seiner
Mühle eine Siedlung entstehen, die den Betrieb der
Mühle sehr einschränkte. Nach Sturmschäden Anfang
1954 wurde der Betrieb schließlich eingestellt.


Umfeld der Steinhuder Windmühle in den 1950er Jahren,
auf einer von zwei Mitgliedern des „Vereins zur Erhaltung
der Steinhuder Windmühle e.V." erstellten Modellbahnanla-
ge erkennbar. Die Mühle hatte freien Windzugang von allen
Seiten. Fast alle Flächen um die Mühle sind landwirtschaftlich
genutzt. Die ausgedehnten Anlagen des Bahnhofs verhinder-
ten eine großflächige Bebauung aus der Hauptwindrichtung.
Erst hinter dem Bahnhofsareal beginnt die Ortsbebauung.

Umfeld der Steinhuder Windmühle heute (2014).


Der Windmüller Gustav Hermes von der im benachbar-
ten Landkreis Hildesheim gelegenen Bockwindmühle
Garmissen schaffte es aus gleichem Grund sogar zum
„Medienstar", als er in überregionalen Zeitungen und
im Rundfunk 1951/52 gegen die entstehende Wind-
entziehung in Folge des geplanten Baus einer Wohn-
siedlung gegenüber seiner Mühle, als „Windmüller
in Luftnot", so die Hamburger Zeitung, protestierte.
Gegen den sozialen Wohnungsbau der aufstrebenden
Wirtschaftswunderzeit verlor der Windmüller jedoch
und gab seinen Betrieb auf.
In dieser Zeit galten Mühlen längst noch nicht als
technische Denkmale und ein Denkmalschutzgesetz,
welches auch das Umfeld eines Denkmals behandelt,
lag noch in der Ferne. So finden wir heute in dieser
Region kaum noch Windmühlen vor, die in einem völ-
lig unbebautem Originalumfeld stehen.
Am Beispiel der Windmühle Steinhude ist sehr gut
ersichtlich, wie sich ein Mühlenumfeld innerhalb von
nur kurzer Zeit verändern kann. Ursprünglich stand
die Mühle als Bockwindmühle vollkommen frei östlich
hinter dem Ort auf dem so genannten Kaninchenberg.
Als einzige Bebauung in der Nähe folgte 1896/97 die
Trasse der Steinhuder-Meer-Bahn mit dem südwestlich
der Mühle gelegenen Bahnhof und etwa zeitgleich
dem überschaubaren Areal einer gegenüber liegen-
den Stuhlfabrik. 1911 brannte die Bockwindmühle in
Folge eines Blitzeinschlags ab und wurde 1912 durch die
heute noch stehende Holländerwindmühle „Paula" aus
Braunschweig-Broitzem ersetzt. Seit den 1960er Jah-
ren und endgültig der Stilllegung und dem Abbau der
Bahn 1970 sind die um die Mühle liegenden Grund-
stücke systematisch bebaut worden, so dass der Müh-
lenberg heute wie eine Insel innerhalb der Siedlung
liegt.
Ein anderes Beispiel bietet die Bockwindmühle im
Hermann-Löns-Park in Hannover. Sie ist die alte städ-
tische Windmühle, die schon erwähnt wurde. 1938
kam sie aus Hohnebostel wieder zurück nach Hanno-
ver. Nunmehr sollte sie aber keinem Mühlenbetrieb
mehr dienen, sondern als Attraktion einer Parkanlage,
welche ursprünglich als eine Art Freilichtmuseum mit
mehreren niedersächsischen Gebäuden geplant war.
Daher wurde die Mühle auch in ein untypisches Um-
feld inmitten von Anpflanzungen und nicht mehr vor
den Wind drehbar gestellt. Über diesen Punkt gab es
im Vorfeld deutliche Diskussionen, und man überlegte
sogar, die Mühle auf dem Kronsberg bei Bemerode
aufzustellen, jedoch gehörte dieser damals nicht zum
Stadtgebiet Hannovers. Im Vorfeld einer 2012 erfolg-
ten Restaurierung der Mühle wurde erneut die Mög-
lichkeit einer Versetzung um wenige Meter zwecks
Drehbarkeit erörtert, die jedoch nicht realisiert werden
konnte.
 
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