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Vorwort

Das Land Niedersachsen entschloß sich 1976 nach anfäng-
lichem Zögern, das Haus des traditionsreichen Vieweg-Ver-
lages zu übernehmen und dem Braunschweigischen Lan-
desmuseum zur Nutzung anzuvertrauen. Dieses doppelte
Bekenntnis der Kulturpolitik zu den öffentlichen Aufgaben
der Museen und des Denkmalschutzes, half, einen herausra-
genden Bau des deutschen Neoklassizismus der Jahre um
1800 zu erhalten und gleichzeitig an zentralem Ort und be-
deutender historischer Stätte der wichtigsten Sammlung zur
Kultur- und Kunstgeschichte des Braunschweiger Landes
einen angemessenen Sitz zu geben.
Die Aufgabe, die den Architekten damit zufiel, war schwierig.
Galt es doch, zwischen den Anforderungen, die ein moder-
nes Museum stellen muß, den bautechnischen Konsequen-
zen, die die öffentliche Sicherheit erwarten darf, und den Ein-
schränkungen, die der Denkmalschutz setzt, zu vermitteln.
Darüber hinaus galt es, für die mit sicherer Hand gestaltete
neoklassizistische Architektur behutsam eine vergleichbar
überzeugende gegenwärtige Ergänzung zu finden. Die An-
nahme, 180 Jahre Bau- und Nutzungsgeschichte in wenigen
Monaten als Grundlage einer Planung aufarbeiten zu kön-
nen, war irrig. Hier war viel mühselige Detailforschung noch
während der Umbauarbeiten durchzuführen. Die Erwartung,
insbesondere das innere konstruktive Gefüge könne den be-
sonderen Bedingungen der Statik und des Brandschutzes
angepaßt werden, traf nicht zu. Hier waren die Eingriffe in die
Originalsubstanz am schwerwiegendsten, auch wenn es ge-
lang, Gestaltqualitäten in Nachbildung zu erhalten. Diese
zwei Beispiele mögen das Spannungsfeld charakterisieren,
innerhalb dessen sich eine sachlich notwendige, mitunter
harte Auseinandersetzung zwischen Bauherrschaft, Archi-
tekt und Denkmalpflege über die Ziele entwickelten, deren
Ergebnis sich heute dem Urteil stellt.

Die kritische Begleitung, die der Ausbau des Vieweg-Hauses
in der Öffentlichkeit und bei Fachleuten erfuhr, ließ es sinnvoll
erscheinen, über Arbeitsergebnisse zusammenfassend zu
berichten, die zwar das Handeln der Beteiligten beeinfluß-
ten, ohne doch in allen Fällen sichtbar Gestalt zu gewinnen.
Dies schien um so lohnender angesichts der kulturge-
schichtlichen Zusammenhänge, in denen das Vieweg-Haus
steht. Durch den Bauherrn, Friedrich Vieweg, ist es mit den
geistigen Auseinandersetzungen seiner Zeit, insbesondere
mit der deutschen Klassik, aufs engste verknüpft. Für die
Landes- und Stadtgeschichte wird von Bedeutung, daß der
Förderer Viewegs, Herzog Karl Wilhelm Ferdinand von
Braunschweig, den Verleger als Werkzeug für seine weiter-
reichenden Pläne, die Stadt Braunschweig durch Entfesti-
gung, städtebauliche Eingriffe und gestalterische Moderni-
sierung zu einer zeitgemäßen Residenz umzuschaffen, be-
nutzte. Das Gebäude selbst wurde eine der aufschlußreich-
sten Architekturschöpfungen der Berliner Schule außerhalb
der preußischen Hauptstadt, neben Potsdam und Weimar.
Besonderer Dank gebührt vor allem Dr. Urs Boeck, der aus
profunder Sachkenntnis heraus die Darstellung der Gesamt-
problematik aufgebaut und zur Drucklegung befördert hat.
Die vorgelegten Beiträge erstreben aber keine lückenlose
Dokumentation. Sie wollen auf Gesichtspunkte hinweisen,
die den Rang eines Kulturdenkmals über seine bloße mate-
rielle Existenz hinaus ausmachen, wollen aber auch die Be-
weggründe verdeutlichen, die Entscheidungen lenkten. Es
ist den Autoren zu danken, daß sie über ihre Tagesarbeit hin-
aus Rechenschaft abzulegen bereit waren. Zu danken ist
weiter allen denen, die die Untersuchungen und die Veröf-
fentlichung durch Bereitstellung von Materialien förderten,
nicht zuletzt neben den öffentlichen Archiven dem Verlag
Vieweg.
Prof. Dr. Hans-Herbert Möller
Landeskonservator

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