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Möller, Hans-Herbert [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Das Vieweg-Haus in Braunschweig — Hannover: Niedersächs. Landesverwaltungsamt, Heft 5.1985

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Masuch, Horst: Zur Geschichte des Vieweg-Hauses
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https://doi.org/10.11588/diglit.50503#0023
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Zur Geschichte des Vieweg-Hauses
Horst Masuch

6 Im Oktober des Jahres 1804 war das neue Gebäude auf dem
3 Burgplatz in Braunschweig fertiggestellt. Friedrich Vieweg
hatte das größte Haus dieser Stadt gebaut und dafür die
Bauwirtschaft des Herzogtums und die Finanzen seines Lan-
desherrn auf das Äußerste in Anspruch genommen, sich sel-
ber aber mit 70000 Reichstalern Schulden ruiniert.
74 Was konnte den Berliner Buchhändler veranlassen, ein Haus
zu planen und zu bauen, das dreimal so groß wie das bis da-
hin größte Bürgerhaus der Stadt war, und das von vornherein
seine privaten und geschäftlichen Bedürfnisse wie auch
seine finanziellen Möglichkeiten bei weitem überstieg?
Wenn auch das Haus von Anfang an mit Viewegs Name ver-
bunden wurde, war es doch nicht allein sein Werk. Ohne das
Mitwirken von drei anderen Männern wäre dieses Haus we-
der an dieser Stelle begonnen noch in der heute vorhande-
nen Größe vollendet worden. Diese drei anderen Männer wa-
ren der regierende Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel
1 Karl Wilhelm Ferdinand, dessen Legationsrat Henneberg und
Viewegs Schwiegervater, der Schulrat Joachim Heinrich
2 Campe. Nicht zuletzt ist das Haus aber die Folge eines gro-
ßen Mißverständnisses zwischen Friedrich Vieweg und dem
Herzog, die sich gegenseitig in ihren Möglichkeiten und Ab-
sichten überschätzten.
Die Interessen, die diese vier Männer vereinten, waren natür-
lich ganz verschieden und sie deckten sich auch nur in weni-
gen Punkten, aber nachdem ein Plan erstmal Gestalt ange-
nommen hatte, konnte sich niemand von ihnen aus diesem
Kreis mehr lösen.
Der Schulrat Campe hatte nur das Interesse, seinen Schwie-
gersohn als Nachfolger für seine Schulbuchhandlung von
Berlin nach Braunschweig zu holen. Dafür wollte er ihm in
Braunschweig die Wege ebnen und sogar sein Haus am Ae-
gidienmarkt für einen Neubau abreißen lassen. Er ahnte
nicht, daß er bis zuletzt immer wieder als Bürge zur Finanzie-
rung des Neubaus auf dem Burgplatz gefordert werden
würde, weil der Herzog selbst nicht bereit war, ein finanzielles
Risikoeinzugehen.
Karl Wilhelm Ferdinand verfolgte zwei Interessen. Als Lan-
desherr sah er die Notwendigkeit, tatkräftige Unternehmer in
sein Land zu holen und zu fördern, wie er es auch mit dem
Emigranten Janvier hielt, der im Wolfenbütteler Schloß eine
Tapetenfabrik einrichtete. Mit der Einrichtung eines „Fonds
zur Beförderung der Industrie" schuf er auch die wirtschaftli-
chen Voraussetzungen für diese staatliche Aufgabe. Seine
Residenzstadt Braunschweig von der mittelalterlichen Enge
ihrer Bebauung und Straßenführung zu befreien, sah er je-
doch als seine private Angelegenheit an, für die es ihm sehr
wichtig war, daß die öffentliche Meinung sie auch richtig ho-
norierte. Wenn er auch eine Demolierungskommission zur
Schleifung der Befestigungsanlagen einsetzte, so behielt er
doch selbst alle Fäden in der Hand, und bei der Gestaltung
des westlichen Burgplatzquartiers schaltete er seine Verwal-
tung praktisch aus und beantwortete oder entschied auch
die geringfügigste Anfrage selber, wie er auch zu diesem

Zweck direkt untergeordneten Beamten Weisungen erteilte.
Für die Erledigung baulicher Angelegenheiten bediente er
sich zunächst des Hofbaumeisters Christian Gottlob Lang-
wagen und später ausschließlich des Kammerkondukteurs
Heinrich Ludwig Rothermund. Die verständliche Verärgerung
seiner Verwaltung über dieses eigenmächtige Vorgehen
hatte gelegentlich ihre Folgen. In Friedrich Vieweg sah der
Herzog den tatkräftigen und vielseitigen Unternehmer, mit
dem er seine beiden Interessen vereinen konnte, aber auch
die Gelegenheit, preußische Eleganz und Lebensweise nach
Braunschweig zu holen.
Wieweit der Legationsrat Henneberg eigene Interessen ver-
folgte, ist nicht zu erkennen. Ursprünglich für die Korrespon-
denz mit Vieweg in Berlin verantwortlich, bildete er das Binde-
glied zwischen Vieweg und dem Herzog. Mit seinen Stellung-
nahmen zu Viewegs Plänen und Gesuchen bereitete er die
meistens zustimmenden Entscheidungen des Herzogs vor.
Er gab den entscheidenden Impuls für die Ausweitung der
Viewegschen Neubaupläne und hinter manchem Vieweg-
schen Gesuch glaubt man seine Initiative zu spüren, wie
auch seine Verantwortung für dessen unternehmerische Risi-
ken nicht zu übersehen ist. „Empfindungen der Liebe und

8 Plan der Stadt Braunschweig, entworfen von Lieutenant
Culemann 1798. Ausschnitt.


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