Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Möller, Hans-Herbert [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Das Vieweg-Haus in Braunschweig — Hannover: Niedersächs. Landesverwaltungsamt, Heft 5.1985

DOI Artikel:
Roseneck, Reinhard: Die klassizistischen Planungen für den Braunschweiger Burgplatz
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.50503#0049
Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die klassizistischen Planungen für den
Braunschweiger Burgplatz
Reinhard Roseneck

® Der Braunschweiger Burgplatz hat im Laufe seiner Ge-
schichte zahlreiche bauliche Veränderungen erlebt, die
jedoch nur wenig an seiner mittelalterlichen Prägung geän-
dert haben. Das ist bemerkenswert, da spätestens seit der
Mitte des 18. Jahrhunderts immer wieder Anläufe unternom-
men wurden, Änderungen in der räumlichen Disposition des
Platzes herbeizuführen. Ein Ergebnis dieser Dispositionen ist
letztlich auch das die gesamte Westwand des Burgplatzes
einnehmende Vieweg-Haus.
Mit dem Bestreben, den Burgplatz städtebaulichen Leitbil-
dern des ausgehenden 18. Jahrhunderts entsprechend zu
1 gestalten, ist untrennbar die Person Karl Wilhelm Ferdi-
nands, Herzog von Braunschweig und Lüneburg verbunden,
dessen Regierung im Fürstentum Wolfenbüttel die Jahre
1780-1806 umfaßte. Er war in Architektur und Städtebau
außerordentlich ambitioniert.
Die Grundlage für dieses Interesse ist sicherlich in der für
einen Erbprinzen dieser Zeit durchaus üblichen Studienreise
durch Europa zu suchen, welche Karl Wilhelm Ferdinand un-
ter anderem nach England, Frankreich und Italien führte, wo
er den neuesten architektonischen und städtebaulichen Pro-
jekten der Zeit begegnete. Besonders prägend war der
kurze, nur 14 Tage dauernde Aufenthalt des Erbprinzen in
Rom, wo er am 18. Oktober 1766 eintraf. Während des ge-
samten Aufenthaltes befand er sich in ständiger Begleitung
Johann Joachim Winckelmanns (1717-1768), dessen
Schriften auf die Entwicklung des Klassizismus entscheiden-
den Einfluß ausübten. Karl Friedrich Pockels, der Biograph
des Herzogs, beschrieb die Eindringlichkeit dieses Treffens:
Vom Augenblick der Ankunft an „war der berühmte Winckel-
mann sein täglicher Gesellschafter und Begleiter. Er hat un-
ter Anführung dieses genialischen Kunstkenners, der sich
schon damals durch seine literarischen Werke unsterblich

gemacht hatte, alle Merkwürdigkeiten des alten und neuen
Roms gesehen, und es läßt sich leicht denken, wie unterrich-
tend für ihn der Umgang mit diesem seltenen Mann sein
mußte.“1 Nach Beendigung seiner Reise pflegte Karl Wilhelm
Ferdinand ständigen Briefkontakt mit Winckelmann. Auf
Winckelmanns Vermittlung entstand die ebenfalls prägende
Verbindung mit dem Hauptvertreter des Frühklassizismus in
Deutschland, mit Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff
(1736-1800), den der Herzog später als Begleiter seines
Sohnes für eine seiner Meinung nach unerläßliche Studien-
reise nach Italien auswählte.2
Die Rückkehr Karl Wilhelm Ferdinands von seiner Reise als
Erbprinz datiert die Abwendung von den spätbarocken Ar-
chitekturformen eines Georg Christoph Sturm (Hofbaumei-
ster von 1752-1763) in Braunschweig. Den Beweis liefert
das für seine Gemahlin, die Herzogin Augusta, erbaute Lust-
schloß Richmond. Dieses unmittelbar nach der Rückkehr
des Erbprinzen 1769 durch Karl Christoph Wilhelm Fleischer
errichtete Schloß steht an der Schwelle zum Frühklassizis-
mus. Das enge und verwinkelte, mittelalterliche Braun-
schweig mit den vielen weit überkragenden Fachwerkhäu-
sern zum Teil nur geringer Fassadenbreiten konnte den Ar-
chitekturvorstellungen, die das späte 18. Jahrhundert an
eine Residenzstadt hatte, und insbesondere den Vorstellun-
gen des Herzogs nicht gerecht werden. Pockels spricht von
einer „sehr in die Augen fallende Verschönerung der Stadt
Braunschweig, bey der Menge ihrer vielen kleinen und krum-
men Straßen, und bey dem Mangel an großen regulären
Plätzen . . ,“.3
Der Herzog erwähnte häufig bewundernd die planmäßig an-
gelegten Stadtquartiere in Kassel, die der Kurfürst unter Auf-
wendung erheblicher finanzieller Mittel zu schaffen in der
Lage war. Derartige finanzielle Möglichkeiten hatte Karl Wil-

54 Braunschweig. Schloß
Richmond.


47

54
 
Annotationen