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Möller, Hans-Herbert [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Das Vieweg-Haus in Braunschweig — Hannover: Niedersächs. Landesverwaltungsamt, Heft 5.1985

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Masuch, Horst: Zum Baubestand des Vieweg-Hauses
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https://doi.org/10.11588/diglit.50503#0048
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von der Geltung des Viewegschen Hauses als eines der be-
deutendsten Besitztümer in hiesiger Stadt, als Betriebs- und
Pflegestätte eines der größten buchhändlerischen Ge-
schäfte von Deutschland - hat dasselbe auch für die Kunst-
geschichte eine Bedeutung, welche kaum geringer ange-
schlagen werden darf. Das Gebäude in seinerTotalität reprä-
sentiert nämlich in ebenso großartiger als charakteristischer
Weise den ganz eigentümlichen, manchen Anklang an die
ältesten griechisch-italienischen Monumente darbietenden
Baustil, welcher sich gegen Ende des vorigen Jahrhunderts
in Deutschland entwickelt, und insbesondere von Berlin aus
geltend gemacht und verbreitet hat. Erst durch die mit Er-
bauung des jetzigen Berliner Theatergebäudes gegründete
Schinkelsche, an die Monumente der perikleischen Zeit sich
möglichst eng anschließenden Schule wurde derjenige Bau-
stil, welcher in dem Viewegschen Hause eins seiner bedeu-
tendsten Monumente besitzt, außer Kurs gesetzt. . . . Das
Viewegsche Haus verdient dieselbe rücksichtsvolle Behand-
lung wie jedes andere Bauwerk, welches für den Baustil sei-
ner Zeit charakteristisch und eben deshalb einer gewissen-
haften Erhaltung würdig erkannt wird.“
In der Sache mit dem Stadtbaumeister Tappe einig, erwartet
die Baudirektion - ehe sie sich mit detaillierten Vorschlägen
äußert -, daß der Hausbesitzer ausdrücklich zu erkennen
gibt, ob er die mit Vergrößerung der Fenster verbundenen
gewissen Veränderungen in der Fassade vornehmen lassen
will. Da dafür erheblich mehr Kosten aufgewendet werden
müßten, als wenn nur die Fenster vergrößert würden, müßte
auch dazu seine Bereitwilligkeit erklärt werden. „Nach Erledi-
gung dieses Punktes wird sich die architektonische Behand-
lung der Sache von selbst an die Hand geben.“ Wie recht die
Baudirektion doch hatte. Eduard Vieweg ließ die Angelegen-
heit auf sich beruhen.
Die Veränderung der Fenster wäre die gravierendste Beein-
trächtigung des Hauses in seiner bis heute 180jährigen Ge-
schichte gewesen. Und zweifellos sind die Auslassungen
Webers von der nicht unbegründeten Sorge bestimmt ge-
wesen, die Stadt mit ihrem Bauamt könnte in Zukunft der un-
veränderten Erhaltung des Gebäudes nicht verpflichtet sein.
Wie berechtigt diese Sorge war, zeigte sich während der
Aufbauarbeiten nach dem letzten Krieg. Nach der Totalzer-
störung des Teils des Viewegschen Hauses zwischen dem
Risalit an der Straße Vor der Burg und dem Risalit am Papen-
stieg, der auch der Portikus und das Haupttreppenhaus zum
Opfer fiel, bestand in den 50er Jahren ernsthaft die Absicht,
die entstandene Lücke durch eine Kaufhausfassade zu
76 schließen. Wenn auch letztlich dieses verhindert werden
konnte zu Gunsten einer rekonstruierten Fassade, so fand
52 der Wiederaufbau des Portikus weder damals noch jetzt bei
der Restaurierung des Hauses und Umbau zum Landesmu-
seum eine Unterstützung durch die Stadt. Die Treppe unter
22 dem Portikus mußte schon 1931 dem Straßenverkehr ge-
opfert werden.
Die Veränderungen im Gebäude beschränkten sich - abge-
23 sehen von dem zerstörerischen Eingriff der Kriegsjahre - im
wesentlichen auf den ursprünglich gewerblichen Bereich
des Hauses, den Flügel am Papenstieg und den nördlichen
Hofflügel. Mag die frühere Raumaufteilung in diesen Ge-
bäudeflügeln schon durch Sanierungs- und Umbauarbeiten
36 Ende des 19. Jahrhunderts verändert worden sein, so wur-
37 den ihre letzten Spuren im Papenstiegflügel 1949 bei der Ein-
richtung eines über zweieinhalb Geschosse gehenden Kino-
saales beseitigt. Mehr noch als diese Veränderungen im In-
neren wirkte sich - wenn auch für die Öffentlichkeit verbor-
gen - das schrittweise Zubauen des Hofes durch Anbauten
an den Papenstiegflügel aus, das für die Hofarchitektur
genauso zerstörerisch war, wie das hofseitige Aufstocken
dieses Flügels und eines Teils des Nordflügels.

So liegen die größten Verdienste der für den Umbau zum
Landesmuseum verantwortlichen Architekten zu Gunsten
des Hauses in der Ausräumung des Hofes und der Wieder-
herstellung der früheren Hoffassaden mit den einheitlichen
Traufhöhen und den abgeschrägten Hofecken, auch wenn
dabei nicht die Chance gesehen wurde, die für die Hofarchi-
tektur dieses herrschaftlichen klassizistischen Gebäudes 145
charakteristischen Remisen und Pferdeställe wenigstens an-
zudeuten.
Da Bauzeichnungen für das Gebäude nicht gefunden wur-
den, standen den Architekten für restauratorische Maßnah-
men bei der Umbauplanung zum Landesmuseum, außer
einigen dilettierenden Versuchen in der Bewertung des inne-
ren Gefüges, keine anderen Hilfen zur Verfügung, als sie das
Gebäude selber bot. In der Annahme, daß sich die Raumauf-
teilungen in den beiden Flügeln am Burgplatz und an der
Straße Vor der Burg unverändert erhalten haben, wurden sie,
nach dem wohl unvermeidbaren Ersatz der Holzbalken-
decke und Fachwerkwände durch massive Bauteile, in die-
sen Flügeln wieder hergestellt, die übrigen Flächen des Ge-
bäudes zur freien Disposition gestellt. Die Rekonstruktion
der wichtigen Rundräume in den Gebäudeecken, die nicht
mehr in allen Geschossen erhalten waren, beruhte an der
Straßenecke zum Papenstieg zunächst auf einer Annahme.
Erst während der Bauarbeiten fand sich das Fundament die-
ses Raumes, das bei den Wiederaufbauarbeiten im Jahre 53
1954 noch als Fundament eines mittelalterlichen Turmes an-
gesehen wurde und daher Aufsehen in Braunschweig er-
regte. Der archivalische Nachweis dieses Raumes, der nach
der Erbauung des Hauses im Erdgeschoß den Laden der
Schulbuchhandlung aufnahm, gelang erst nach seiner Re-
konstruktion. Die unangemessensten Veränderungen beim
Umbau zum Landesmuseum sind sicher der Einbau eines
zusätzlichen Treppenhauses neben der Durchfahrt im Flügel
an der Straße Vor der Burg, das die Raumfolge brutal unter-
bricht, die Aufwertung der ehemaligen Domestikentreppe im
nördlichen Hofflügel dadurch, daß sie - unter Verwendung
der noch erhaltenswerten Teile - der aufgegebenen Trep-
penanlage im Burgplatzflügel nachempfunden wurde, und 156
der Verzicht auf Wiederaufnahme des ursprünglichen 158
Haupttreppenhauses.
Friedrich Vieweg mußte notgedrungen sein Haus schlicht
ausstatten. Die jetzt für das Landesmuseum hergerichteten
Räume kommen diesem Zustand wahrscheinlich näher, als
die luxuriöse Ausstattung seiner Nachkommen, die sich
nicht in die Gegenwart hinein erhalten hat.
Anmerkung
Zu Literatur und Quellen vergleiche Anmerkungen zur Geschichte
des Vieweg-Hauses, S. 33.

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