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74 Die westliche Wand des
Burgplatzes 1985.


geführten Bauten, und zwar auch des Vieweg-Hauses -
nachvollzogen werden. In der am 15. April 1797 an den Her-
zog gerichteten Eingabe verweist das Stift St. Blasii aus-
drücklich auf Planungsabsichten, die der Landesherr bereits
öfter geäußert haben muß: „Ew. Durchl. haben, wie wir einige
Mal vernommen, den Plan, daß das Burg-Thor einmal abge-
brochen werden solle; und daß in der Folge der Zeit zur Er-
weiterung der davorliegenden kleinen Gasse, und zur Verhü-
tung der, bey deren Durchfahrth obwaltenden Gefahren, so-
wohl, als zur Verschönerung dieser Gegend, die vom Burg-
Thore ab, linker Hand, soweit vorspringenden 5 Häuser, als
3 Stiftshäuser, und 2 Bürgerhäuser weiter zurückgerückt,
und mit den andern, nach der Schuhstraße hinzulaufenden
Häusern vor der Burg, in ein Allignement gesetzt werden soll-
ten.“10 Daß diese Planungsabsichten nicht nur grundsätz-
licher Art waren, sondern bereits konkret durchgearbeitet
sein mußten, wird weiter unten in der Eingabe deutlich, als
das Stift darauf hinweist, daß seine Neubaumaßnahme so
konzipiert sei, daß nicht „der gedachte, von Ew. Durchl. gnä-
digst entworfene Plan früher, als höchst dero Absichten
es sonst gemäß seyn möchte, ausgeführt zu werden
brauchte“.11
Im weiteren werden vier Planungsvarianten dargestellt, die
vom Oberzahlmeister Ernst Wilhelm Horn angefertigt wur-
den. Allen gemeinsam ist, daß gegenüber der Kirche die
„weit vorspringende Spitze der Ecke des Hauses“ abge-
schnitten werden und die neue Front mit der Ecke des über-
nächsten, südlich folgenden Hauses, dem Bockelschen
Haus „in ein gerades Allignement" gebracht werden soll, also
fast parallel zum Westbau des Domes verläuft. Anhand der
dargestellten Varianten wird deutlich, daß der Herzog das
aufwendige Planungskonzept des Planes C, die Straße Vor
der Burg über den Burgbereich hinaus auf das Dreifache zu
verbreitern, nicht mehr verfolgt. Nunmehr ist es seine Ab-
sicht, die Straße Vor der Burg derart zu verbreitern, daß die
Flucht der Schuhstraße ab dem gegenüber dem Papenstieg
8 gelegenen Hubertschen Haus, einem Fachwerkgebäude
aus dem 16. Jahrhundert (heute noch erhalten auf dem
Grundstück Vor der Burg 5), aufgenommen und verlängert
werden soll. Hierzu macht das Stift drei Vorschläge: Der Si-
tuationsentwurf Sub. A nimmt die Flucht der Straße Vor der
Burg ab Hubertschem Haus auf, so daß gegenüber dem Ko-
mödienhaus die Straßenöffnung 33 Fuß (ca. 9 m) beträgt. In
Sub. B knickt die Linie bereits ab Hubertschem Haus ab, so
daß eine Öffnungsbreite gegenüber dem Komödienhaus von
46 Fuß (ca. 12,50 m) entsteht. Favorisiert wird jedoch die Lö-
sung Sub. B Litt. Z, in der das „Allignement" nicht schon beim
Hubertschen Haus, sondern erst beim Wachhaus abknickt,
wobei die Öffnungsweite noch leicht auf 47 Fuß (ca. 12,90 m)
erhöht werden kann. Darüber hinaus kann so die Ecke des
Dompredigerhauses fast rechtwinklig ausgebildet werden.
Bemerkenswert bei dieser Variante ist, daß, wie bereits in der
alten Planung C enthalten, die Ecke exakt in der verlängerten
Flucht der Stiftskirche liegt. Durch die Schwenkung der

Flucht des Dompredigerhauses wird zudem am Ende der
verbreiterten Straßenachse, die letztlich nicht so breit und
repräsentativ ausfallen konnte, wie dies den Vorstellungen
des Herzogs entsprach, eine Aufweitung des Burgplatz-
zugangs geschaffen, die es ermöglicht, bereits vor Eintritt in 81
den Platz, die gegenüberliegende Platzseite in voller Breite
zu erfassen und so zumindest dem Einmündungsbereich die
angestrebte Großzügigkeit zu verleihen.
Entsprechend dem nicht ausgeführten Planungskonzept C
soll das Dompredigerhaus zwei Schauseiten, eine zum
Burgplatz und eine zur Straße, erhalten.
So wundert es nicht, daß der Herzog am 28. Februar 1798 58
verfügt das Gebäude nach dem „Allignement“ des Planes
Sub. B Ltt. Z auszuführen. Seine gestalterischen Vorstellun-
gen macht er weiter dahin geltend, daß er es gerne sehen
würde „wenn das Haus von Barnsteinen (Backsteinen) und
zu 3 Etagen ausgeführet würden“.12 Gleichzeitig kündigt er
an, daß das Burgtor und die Wache so schnell wie möglich
abgebrochen werden sollen. Der Befehl zum Abbruch des
Burgtores ergeht schließlich am 2. Juli des Jahres.
Den Entwurf für das letztlich ausgeführte, heute noch erhal-
tene Gebäude hat nicht mehr Horn erstellt, sondern der 68
Kammerkondukteur Heinrich Ludwig Rothermund, der aus
einem Wettbewerb mit Horn als Sieger hervorgegangen ist.
Die massiv aufgeführten Fassaden des Dompredigerhauses
entsprechen sich gestalterisch. Das in der Erscheinung zu-
rückhaltende, frühklassizistische Gebäude wird durch die
beiden übergiebelten Mittelrisalite geprägt.
Die Nordseite der Straße Vor der Burg wurde durch die Bau-
maßnahme des Dompredigerhauses nicht berührt. Das Ko-
mödienhaus wurde als beizubehaltender, wenn auch gestal-
terisch zu verändernder Bestand in die Planung mit einbezo-
gen.
Daß der Herzog die Baumaßnahme des Dompredigerhau-
ses zum Anlaß nahm, seine Planungsvorstellungen für den
Burgplatz weiterzutreiben, wird aus der Tatsache deutlich,
daß er zu Beginn des Jahres 1798 versuchte, den nördlich
an das Komödienhaus angrenzenden Hof der Familie von
Veltheim zu Aderstedt käuflich zu erwerben. Er hätte so die
Möglichkeit gehabt, die ganze Westseite des Burgplatzes
gestalterisch und räumlich neu zu fassen, was sicherlich
neben dem Neubau eines Gebäudes auch eine gestalte-
rische Veränderung des Komödienhauses, so wie dies be-
reits früher geplant war, bedeutet hätte. Aufgrund seiner pre-
kären finanziellen Situation ließ er jedoch schnell von diesem
Vorhaben wieder ab und veranlaßte, die Kaufverhandlungen
über den Aderstedtschen Hof abzubrechen.
Wie sehr Herzog Karl Wilhelm Ferdinand an der „Verschöne-
rung“ des Burgplatzes, und zwar einer Bebauung nach ei-
nem „besten Allignement“ interessiert war, wurde schon
bald deutlich, als er von den Absichten Friedrich Viewegs
Kenntnis bekam, nach Braunschweig übersiedeln zu wollen.

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