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Verein für Badische Ortsbeschreibung [Editor]
Badenia oder das badische Land und Volk: eine Zeitschr. zur Verbreitung d. histor., topograph. u. statist. Kenntniß d. Großherzogthums ; eine Zeitschrift des Vereines für Badische Ortsbeschreibung — 3.1844

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Erholungsreife durch einen Theil des Großherzogthums
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https://doi.org/10.11588/diglit.22585#0014
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ungünstig, und ich mußte mich begnügen, im Gasthofe bei einem Glase
Bühlerthäler meine Sprachforschungen fortzusetzen. Da aber der Wein
vortrefflich und die Umgebung ziemlich munter war, so ging diese
trockene Geistesbcschäftigung bald in eine lebhaftere und angenehmere
über. Auch meine Reisegesellschaft wurde jetzt gesprächiger; wir be-
stiegen den Wagen in ganz anderer Stimmung, als womit wir ihn
verlassen, und unterhielten uns über die alten und neuen Schweizer-
zustände bis vor das Thor von Offenbnrg.
Ich war immer für diese alte ehemalige Reichsstadt sehr einge-
nommen, und fühlte mich auch jetzo heimisch und behaglich inner ihren
Manern. Eine Gesellschaft in der Fortuna brachte mich auch schon
am ersten Abende ans die alten Offenburger zn sprechen, und ich hielt
mit vielem Feuer eine Lobrede über ihren Jahrhunderte langen Ver-
fassnngskampf. Die Hauptsache fand ihren verdienten Anklang, einige
Seitenblicke aber ans die Gegenwart brachten mir bald einen gefähr-
lichen Gegner über den HalS. „Sie rühmen, sagte er, das sittliche
Familienleben, den soliden Wohlstand, den biedern Bürgergeist und
die kräftige Freiheitsliebe der ehemaligen Reichsstädte. In Beziehung
auf die älteren Zeiten mögen sie im Allgemeinen Recht haben; die
spätere Zeit aber zeigt uns die meisten, und namentlich die kleineren
dieser städtischen Republiken in einem sehr traurigen Lichte. Das alte
Herkommen dauerte freilich fort, jedoch nur als todte Förmlichkeit, denn
sein belebender Geist war längst erloschen, und so mußte es allmählig
zn einem verderblichen Miöbrauche ansarten. Finden wir dieses nicht
auch in der Geschichte Offenburgs? Ueberall im Gemeinwesen hatten
Rost oder Fänlniß angesetzt — eine steife, engherzige Familienaristo-
kratie, ein kleinlicher Monopolienstolz und eine überhaupt bornirte
Bürgergesinnung verleiteten den Magistrat zu tausend und tausend
Misgriffen, beschränkten den Wohlstand ans einzelne Häuser, hielten
die Gewerbthätigkeit darnieder und erzeugten ganz jene erbärmliche
Krähwinkelei, welche bis heut zu Tage zur Zielscheibe des einheimischen
und fremden Witzes dient. Noch genug Leute kennen die offenbur-
gifchen Zustände aus der reichsfrcien Zeit, und ich glaube nicht, daß
drei darunter sie zurück wünschten."
Es war daS Klügste, die Wahrheit dieser Einwürfe in der Haupt-
sache anzuerkenneu. Ich that es mit ungezwungener Offenheit, ohne
der Lichtseite des reichsftädlischen Lebens etwas zu vergeben, und ging
auf die Ursachen über, welche den moralischen und ökonomischen Zer-
fall jener Gemeinwesen herbeigeführt hatten. Seit dem weftphälischen
 
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