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Verein für Badische Ortsbeschreibung [Hrsg.]
Badenia oder das badische Land und Volk: eine Zeitschr. zur Verbreitung d. histor., topograph. u. statist. Kenntniß d. Großherzogthums ; eine Zeitschrift des Vereines für Badische Ortsbeschreibung — 3.1844

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Erholungsreife durch einen Theil des Großherzogthums
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https://doi.org/10.11588/diglit.22585#0034
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als auf dem Schwarzwald. Munter wie ein Reh begab ich mich
wieder ans den Weg.
Von Neustatt au wird das Thal zusehends weiter, und mündet
sich endlich in eine Hochebene, welche vom Tittisee und den Vier-
th älern begränzt ist, und in ihren tieferen Lagen ein bedeutendes
Moorland enthält. Dem Wanderer thut es besonders wohl, das ganze
Wntachthal hervor eine Reihe neuer Wohnuugen zu erblicken, deren
reinliche Nettigkeit den Wohlstand ihrer Bewohner verräth. Es ist
eine eigene kleine Landschaft, die im Rücken den Ho eh first, zu beiden
Seiten die Ausläufer rechts des Turners und links des Feldbergs,
im Angesichte aber den schauerlichen Abfall des Höllenthales hat,
und von vielen einzelnen, oft sehr malerisch gelegenen Häusern und
Hütten belebt wird. Bei'm Schwarzen Bären, wo sich die Neu-
stätter Straße mit der Lenzkircher verbindet, trat ich auf eine Anhöhe,
um dem Tittisee einen Gruß zuzuwerfen. Denn hier befand ich mich
in einer Gegend, welche der arme Studiosus ehedem auf seiner Ferien-
reise von der Universität nach der Heimath so oft durchwandert —
und hundert Erinnerungen erweckte jetzt ihr Anblick wieder. Ach, was
er damals empfand, da ihn diese traulich'einsamen. Thälcr, diese weh-
müthig düstern Haine umgaben; was als Kummer seine Seele getrübt,
als Hoffnung sein Herz beflügelt, was als sehnsuchtsvoller Wunsch
durch seine Brust gebebt, wie ich das Alles zusammenhielt mit Dem,
was nun den Mann im Innern zerfrißt — es preßte mir eine bit-
tere, bittere Thräne aus. Ja, sie sind zerstoben jene Ideale; wie
Schuppen hat sie das rauhe Leben von der Seele abgestreift, um das
Herz traurigen Enttäuschungen bloszustellen. Der Mnth zur Ausdauer
freilich ist nicht geschwächt, der Blick nach dem Ziele nicht verirrt; aber
der Gram hat sich tiefer gesenkt, die Ruhe ist fort, und die Gluth der
Leidenschaft brennet auf das innerste Seelenmark. Als ich damals diese
stille Berggegend und ihre einsamen Hütten sah, wünschte ich sehnlich,
eine davon zu bewohuen; jetzt wünschte ich es wieder, noch sehnlicher,
aber ans andern Gründen, und das Herz mit andern Gefühlen an-
geschwellt!
In mich selbst versunken und gleichgültig geworden gegen alle ,
Umgebung, verließ ich die Anhöhe lind wanderte still die Straße fort,
bis mich eine Stimme, welche mir vom Fenster des Nößle - Wirthö-
hauses meinen Namen nachrief, wie aus einem Traum erweckte. Ich
blickte um und erkannte sogleich einen alten Universitätsfreund. Ein
solches Zusammentreffen ist immer etwas höchst Erwünschtes und
 
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