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Verein für Badische Ortsbeschreibung [Hrsg.]
Badenia oder das badische Land und Volk: eine Zeitschr. zur Verbreitung d. histor., topograph. u. statist. Kenntniß d. Großherzogthums ; eine Zeitschrift des Vereines für Badische Ortsbeschreibung — 3.1844

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Sankt Georgen aus dem Schwarzwalde
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https://doi.org/10.11588/diglit.22585#0230
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Ordensbrüder, wie des verlassenen Christenvolkes in solchen Gegenden.
Abt Theoger war ein strenger, orthodorer, das eitle Weltleben ver-
achtender Mönch; aber er barg unter dem rauhen Klosterhabit ein
menschenfreundliches Herz, und betete nicht blos in düsterer Schwär-
merei die Bußpsalmen, sondern erforschte auch mit freudigem Eiser
die Gesetze der Musik und belehrte durch sein Werk über diese Kunst
die damalige Welt (^).
Was Abt Bernger sür Sankt Blasien gewesen, das war Abt
Theoger für Sankt Georgen. Die einheimische Chronik sagt von
ihm: „Sein' vornehmste Sorgfalt gieng dahin, daß die klösterliche
Diseiplin gehalten würd', so viel es des Orts Gelegenheit zuließe.
Hernach hat er den Anfänge gemacht zu dem neuen Klostergebäu und
zu unser lieben Frauen Kirch', führt' einen braiteu und weiten Bau
mit nothwendigen Gemächern und Gewölbern auf, die mit schönen
Gemählen geziert worden, daß er wohl mit Augusto sagen können:
Ich hab' ein hölzernes Haus augetroffen, und ein steinernes hinter-
lassen."
Wenn aber nnn in derselben Chronik erzählt wird, daß Abt
Theoger oft beim Beichthören heftig geweint, oft schon vor der Morgen-
mette nicht nur fünfzig bis hundert Psalmen, sondern den ganzen Psalter
gebetet, und zuweilen seine Jünger unterwiesen habe, wie sie zum Ge-
bete „die Arme ausftrccken und die Hände falten müßten, damit die
Lefzen zum Lob Gottes und die Augen znm Verguß der Thränen ge-
uöthigt würden" — so könnte ein Weltkind leichtlich behaupten, es
sep dies Alles eine heuchlerische Komödie gewesen. Und erzählt
die Chronik vollends, daß die Bauern zu Asheim den Abt Theoger,
als ob er ihnen das Ihrige widerrechtlich abgenommen, beschuldigt
und ihm gedroht haben, seine habsüchtigen Mönche zu verjagen und
das verhaßte Kloster niederzureißen, — wahrlich, so möchte man zu
glauben geneigt werden, es liege hierin ein schlagender Beweis jener
Behauptung!
Dennoch aber war das Leben Theogers ein ächtes; denn in
jener Zeit, wo Alles, im Guten wie im Bösen, mit großer Leiden-
schaft geschah und leicht zum Aeussersten getrieben wurde, mußten
starke, mit Geistes-, Gemüths- und Sinneskraft reich begabte Naturen,

(3) Es ist abgedruckt bei Herbert, cle musica II, 183. Bergt, auch IVere-m-t
episcop. const. I, 518.
 
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