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Verein für Badische Ortsbeschreibung [Hrsg.]
Badenia oder das badische Land und Volk: eine Zeitschr. zur Verbreitung d. histor., topograph. u. statist. Kenntniß d. Großherzogthums ; eine Zeitschrift des Vereines für Badische Ortsbeschreibung — 3.1844

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Eine Wanderung durch die Landschaft Ortenau
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https://doi.org/10.11588/diglit.22585#0259
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ein Reh. Allmählig verlor sich der Pfad zwischen dem dichten Granit-
gerölle, womit der steile Abhang auf unserer Seite bedeckt war. Die
kleine Führerin hüpfte aber mit spielender Leichtigkeit von einem Steine
zum andern, während wir selbst uns mühsam hindurch fanden. Diese
Mühseligkeit wurde vermehrt durch die Witterung, indem es immer
stärker schneete und windete, je höher wir stiegen, und als die Region
begann, wo noch der alte Winterschnee zwischen den Granitblöcken
lag und den sichern Boden verbarg, wurde unser Gang in der That
gefährlich. Das flüchtige Mädchen hatte sich schon auf die höchste
Felsplatte geschwungen, und blickte kindisch triumphirend auf uns
herab, als wir noch empor kletterten, mit Hand und Fuß festen Grund
.suchend, um nicht auszuglitschen und in die Tiefe zu stürzen.
Die Trümmer des Brigittenschlosses bestehen noch aus der
östlichen Wand eines Geviertthurmes, welche auf einem kolossalen
Granitblocke ruht, dessen Gestalt sich wie ein natürliches Bollwerk von
dem übrigen Rücken des Berges unterscheidet. Er ist gegen Norden
gelegen, und verhinderte uns, die Aussicht eher zu genießen, als bis
wir seine Höhe erreicht hatten — hier aber, wer beschriebe den An-
blick, der sich dem halbgeblendeten Auge mit einem Male aufthat!
Mir schwindelte lange Zeit; ich vermochte Nichts mit Bestimmtheit zu
erfassen. Gleich einem farbigen Meere schwamm die Landschaft zu
meinen Füßen, wie in wogender Tiefe und wie in's Unermeßliche.
Erst nachdem ich allmählig einen festen Halt gewonnen, erschien sie
mir in ihrer großartigen Ruhe, mit den reizenden Einzelheiten der
Nähe und dem zauberhaften Schleier der Ferne. Die ganze, fruchtbare,
wohlbebaute und reichbewohnte Ortenau, das ganze mittlere Elsaß
lagen vor mir ausgebreitet — ein ungeheurer, herrlicher Teppich, vom
Silberstrome des Rheines durchschlängelt, und von der Riesenkette der
Vogesen begränzt!
Während sich hier aber unserem Blick eine blühende Landschaft
darstellte, auf welche die Streiflichter der Abendsonne einen magischen
Schein warfen, trat ihm auf der andern Seite das schwarzwäldische
Gebirge entgegen — der langgedehnte, mit Schnee bedeckte Rücken der
Hornisgrinde, von düsteren Wolken überragt, und die schauerliche
Tiefe des Seebacher ThaleS, welches schon wie in den Schleier der
Nacht gehüllt schien. Der Gegensatz dieser Aussichten, der Wechsel
von Sonnenblicken und Schneegestöbern, worunter wir auf der rauhen
Höhe verweilten, der Anblick der kühnen Ruine, des wilden Felsgerölles
am Abhange und der rätselhaften Granitblöcke, welche wie Trümmer
 
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