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Verein für Badische Ortsbeschreibung [Hrsg.]
Badenia oder das badische Land und Volk: eine Zeitschr. zur Verbreitung d. histor., topograph. u. statist. Kenntniß d. Großherzogthums ; eine Zeitschrift des Vereines für Badische Ortsbeschreibung — 3.1844

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Historische Schattenstriche. Etwas aus dem Archivarsleben
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https://doi.org/10.11588/diglit.22585#0317
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ihres Schicksals, erschöpft und gelähmt durch die Schmerzen der Folter,
tröst- und hilfslos Wochen und Monate lang zwischen den vier Mauern
eines engen, finstern und feuchten Gefängnisses! Diese Lage verwirrte
den Meisten die Sinne; sie bekannten, was man wollte, was man
ihnen vorsprach — daß sie Gott und die Heiligen abgeläuguet, mit
dem Teufel Hochzeit gehalten und auf einem Besen zum Herentanze
gefahren; daß sie böses Wetter bereitet, ihren Nachbarn das Vieh
getödtet, Menschen verführt, gelähmt oder siech gemacht. Konnte man
damals die Unmöglichkeit solcher Dinge auch nicht einsehen und glaubte
unbedingt daran, so hätte doch der Umstand, daß manche Angabe über-
ein beschädigtes Vieh und dergleichen von dem Eigeuthümer selbst als
nichtig erklärt wurde, den Inquisitoren den Blick öffnen sollen. Leider
aber waren diese Herren gegen jede Verdächtigte und Angeklagte schon
zum Voraus eingenommen, und ihr heiliger Amtseifer führte sie als-
dann vollends auf die verdienstvolle Bahn der Juquisitousbarbarei.
Wie erbärmlich ihr ganzer Standpunkt, rind wie maßlos ihr
Treiben war, zeigte sich deutlich, wenn sie durch entschiedene Wider-
rufe in die Enge geriethen, oder wenn zuweilen eine kräftige Natur
das „Strecken im dritten Grade" überstund, ohne geständig zu wer-
den. Als im Jahre fünfzehnhundert sechsuudneunzig die Frau des
Bauers Rohrbach von Rammsweier auf die boshafte Angabe einer
juslifizirten Nachbarin auf den Orteuberg kam, widersprach sie energisch
und wurde wegen gesegneter Umstände der Haft entlassen, so bald
sie aber geboren hatte, wieder eingezogen, vierzehn Wochen laug hin-
gehalten, mehrmals und endlich „bis zum Reißen ihrer Glieder in die
Folter geschlagen" — doch ohne mit einem einzigen Worte von der
Behauptung ihrer Schuldlosigkeit abzuweicheu, und da hatten die
Herren Beamten nicht einmal den Muth, dem mißhandelten Weibe
die gebührende Urfehde auszustellen. Sie entließen dasselbe kurzweg
seiner Haft, und als es sich weigerte, ohne Zeuguiß nach Hause zurück-
zukehreu, so schleppte man das trotzige Wesen mit Gewalt zum Schlosse
hinaus. Rohrbach wendete sich gegen diese gröbliche Ueberschreituug
und Verletzung der Karolina au die Regierung zu Ensisheim, wo
der Diensteifer der Ortenberger Inquisitoren glücklicher Weise nicht die
gehoffte Würdigung fand.
So haben mir diese Prozeßakten das scheußliche Unwesen ihres
Gegenstandes begreiflicher gemacht. Mau glaubte einmal fest au die
Wirklichkeit der Hererei, man mußte also auch Heren haben, um
 
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