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Verein für Badische Ortsbeschreibung [Hrsg.]
Badenia oder das badische Land und Volk: eine Zeitschr. zur Verbreitung d. histor., topograph. u. statist. Kenntniß d. Großherzogthums ; eine Zeitschrift des Vereines für Badische Ortsbeschreibung — 3.1844

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Historische Schattenstriche. Etwas aus dem Archivarsleben
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https://doi.org/10.11588/diglit.22585#0316
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Mädchen von gewissenlosen Landsahrern aus niedrigen Absichten zum
Teufels- und Herenglauben verleitet worden; wie denn der überhaupt
herrschende Aberglaube, neben der weitverbreiteten Lebensnoth, alsdann
nächtliche Träume und phantastische Aufregungen der ohnehin sehr
reizbaren weiblichen Natur jene ungeheure Illusion wohl hätten erzeu-
gen können. Ich lasse diese Ursachen und Wirkungen für viele Fälle
gelten; der traurigen Erscheinung im Ganzen aber muß noch etwas
Anderes zu Grunde gelegen seyn. Wenn die Angeklagten nicht ein-
zelne da und dort ergriffene Personen, sondern ganze Schaaren aus
einer und derselben Gegend waren, und die Bekenntnisse zu Bräun-
lingen die gleichen sind, wie diejenigen zu Freiburg, Offenburg
und Ort en berg, ohne einen Unterschied in der Zeit wahrnehmen zu
lassen, so reichen die Herenmütter, die Landstreicher, die Träume und
Sinnestäuschungen nicht mehr hin. Man muß eine weitere und all-
gemeinere Ursache voraussetzen, und leider — die Akten bestätigen
sie! Bei weitem die meisten der Angeklagten waren nicht aus wirk-
lichen Beweis- oder Verdachtsgründen eingezogen worden, sondern
auf die blose Angabe der Verurtheiiten hin, und ihre Verzichte
waren keine selbsteigenen, wörtlich gegebenen Bekenntnisse, sondern nach
einer vorliegenden Jnguisitionsvorschrift durch die moralische
und physische Tortnr erzwungene „Geständnisse".
Entsetzlich ist es, wenn man einen Blick in diese Akten wirft, und
sich das Bild der schauderhaften Prozedur vergegenwärtigt. Auf dem
sonst altehrwürdigen Stein zu Ort en berg war die Folterkammer mit
dem berüchtigten Herenstuhle, waren die Gefängnisse und die Ingui-
sitionskanzlei. Hatte man nun einer Angeklagten nach wochenlanger
strenger Haft durch mündliche Zudringlichkeit und durch die Qual
wiederholter Tortur ein Geständnis! ausgepreßt, so wurde dasselbe vor
dem Malefizgerichte verlesen.und die Arme von demselben entweder
unmittelbar zum Feuertode, oder „aus besonderer Gnade" zu vorheriger
Enthauptung vernrthcilt. Dabei kam es denn häufig vor, daß eine
solche „Justifizirte" aus Bosheit, oder Rachedurst, oder Verzweiflung
mehrere ihrer Bekannten als Theilhaber an der eingestandenen Hererei
bezeichnete, welche man sofort ebenfalls einzog und „gütlich und pein-
lich inguirirte". Bestunden diese Opfer auf ihrer Unschuld, so wurde
die Tortur wiederholt und erhöht. Wie hätte aber die weibliche Kraft
dieser Qual nicht gewöhnlich erliegen müssen! Man denke sich eine
Mutter, herausgcrissen aus ihrem Hauöwefen, getrennt von Gatte und
Kindern, gedrückt vom Kummer für dieselben, gepeinigt von der Furcht
 
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