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Verein für Badische Ortsbeschreibung [Editor]
Badenia oder das badische Land und Volk: eine Zeitschr. zur Verbreitung d. histor., topograph. u. statist. Kenntniß d. Großherzogthums ; eine Zeitschrift des Vereines für Badische Ortsbeschreibung — 3.1844

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Historische Schattenstriche. Etwas aus dem Archivarsleben
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https://doi.org/10.11588/diglit.22585#0318
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sie der verdienten Strafe zu überliefern; da es aber in Wahrheit keine
gab, so machte man solche, und dieses geschah durch die Inquisi-
tion; wie denn eine jener Unglücklichen auf dem Ortenberge ihren
Eraminatoren srei in's Gesicht hinein gesagt: „Ich habe nie Etwas
von der Hererei verstanden, sondern lerne sie jetzt erst".
Während des Durchgehens der verschiedenen Aktenstücke, welche
ich hier aufgezählt habe, wurde mir völlig klar und gewiß, was mir
bisher als dunkle Vorstellung und schwankende Ansicht vorgeschwebt —
die Periode von der Kirchentrennung bis zum dreißigjährigen Krieg,
obwohl sie größtentheils den Segen äussern Friedens genoß, sey eine
abscheuliche, schreckliche Zeit gewesen, eine Zeit, bei deren Betrachtung
man so sehr verdüstert und beengt wird, daß es einem eigentlich eine
Erleichterung gewährt, zu lesen, wie der anbrechende Kriegssturm diesen
faulen, giftigen, alle Verhältnisse untergrabenden und auflösenden
Friedenszuftand mit seinen Lastern und Scheußlichkeiten aufzuheben
begann. Es würde dieselbe schon hinreichend bezeichnet seyn durch die
Anführung der stehenden Heere, der peinlichen Halsgerichtsordnung, der
Bücherzensur, der Jesuiten, der spanischen Hofpolitik, des Inquisitions-
verfahrens, der fürstlichen Landeshoheit und des Kanzleiwesens, welche
Deutschland während ihrer Dauer erhielt und ausbildete; ich will aber
noch auf einiges Mehrere aufmerksam machen, um dem Leser das ganze
Gewebe von Ursachen anfzudecken, wodurch in diesem unseligen Zeit-
raum der Zerfall des deutschen Reiches und der deutschen Nationalität
herbeigeführt wurde.
Während die Rechts- und Gewaltsanmaßungen der fürstlichen
Landeshoheit nach oben das kaiserliche Ansehen und Gewicht unter-
gruben, drückten sie nach unten die Ueberbleibsel der alten Volksrechte
vollends nieder. Das Reichsoberhaupt wurde ein Schattenbild, die
Reichshilfe eine leere Vogelscheuche, und beide ein Spott für das Aus-
land. Die Fürsten warfen ihre alten, ehrlichen Regierungsgrundsätze
ab, und nahmen die heillose spanische Praktik an, während die Land-
stände zn mechanischen Instituten für die Bewilligung von Geld und
Truppen herabsanken. Der Adel, voll Rangstolz und Uebermuth,
zeigte äusserlich eine maßlose Pracht und ging in seiner Oekonomie
durch Verschuldung zu Grunde. Die Bürger der Städte waren auS
Wackern Freiheitsmännern meistens kleinliche, bornirte Philister gewor-
den, und im Landvolke erstarb allmählig alles männliche und poli-
tische Bewußtseyn, an dessen Stelle die trostloseste Unmündigkeit und
 
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